nextroom.at

Ein Geruch, ein Bild oder ein Geräusch – irgendetwas ist sicher von der eigenen Zeit im Kindergarten geblieben. Der eine mag sich an die vielen Bauklötze erinnern, mit denen er unendlich hohe Türme bauen konnte, der andere denkt eher mit Schrecken an das Geschrei der anderen Kinder zurück. Derzeit wird in den österreichischen Medien viel über außerfamiliäre Kinderbetreuung diskutiert, über die Ausbildung der Pädagoginnen, über Gruppengrößen und die Anzahl der Betreuungsplätze, doch kaum über die Qualität der Räume. Dabei hat die Kindergartenoffensive ein enormes Bauvolumen ausgelöst.
Diesen Zuschnitt haben wir ganz dem Thema „Bauen für Kinder“ gewidmet, weil es bei dieser Bauaufgabe nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität gehen muss und weil es gar nicht so schwer ist, diese zu erzeugen. Kindergarten, Tagesstätte oder Krippe – im Ausland, man denke an Finnland oder Norwegen, werden gerade diese Bauten gerne aus Holz errichtet. Aber auch hierzulande gibt es genug Alternativen zum Kindergarten im Metallcontainer – dies beweisen die für diesen Zuschnitt ausgewählten Objekte. Diese Kindergärten aus Holz erzählen von der Sinnlichkeit des Materials, der Möglichkeit des schnellen Bauens, vom Energiesparen, der regionalen Wertschöpfung und von ökonomischen Belangen, aber auch von dem Wunsch der Beteiligten, den Kindern ein Vorbild zu sein.

Dort, wo Kinder aufwachsen, ihre ersten Erfahrungen machen, ist jedes Detail wichtig, ebenso wie die Qualitäten der verwendeten Materialien. Dass Holz dabei eine besondere Rolle spielt, ist offensichtlich: Spielzeuge aus Holz, Möbel aus Holz sowie Oberflächen aus Holz haben ihren festen Platz im Leben der Kleinen. Die Natürlichkeit des Materials, seine Haptik, die Wärme und Atmosphäre, die es ausstrahlt, kommen dann zur Sprache. Doch auch die Sprache hat ihre Grenzen, Fotos können manchmal mehr aussagen als abstrakte Wörter. Deshalb hat der Fotograf Nikolaus Walter für uns drei exemplarische Kindergärten besucht und dort den Alltag der Kinder eingefangen. Wenn man auf seinen Fotos die Kinder auf dem Boden liegen oder spielen sieht, dann sagt das mehr aus über die Qualitäten von Holz als die bereits erwähnten Begriffe wie Haptik und Atmosphäre. Wir hoffen, dass es Ihnen so geht wie uns: dass auch Sie beim Betrachten der Bilder den Wunsch verspüren, sich ganz unbedarft dazugesellen zu dürfen. Anne Isopp

Editorial
Text Anne Isopp

Themenschwerpunkt

Essay
Erwachsenen- oder Kinderträume?
Text Gert Kähler

Von wegen passiv!
Haus der Kinder in Innsbruck
Text Anne Isopp

Welche Räume sind uns die Kinder wert?
Text Franziska Leeb

Sechs Kindergärten
Die Bürgermeister antworten
Text Gudrun Hausegger

Kuschelkasten
Kindergarten in Bizau
Text Heike Schlauch

In der Not das Krokodil gerufen
Zubau im Mühlkreis
Text Romana Ring

Offener Kindergarten
Raum- und Materialpädagogik
Text Gabu Heindl

Holz bis in die letzte Ritze
Kindergarten im Gemeindezentrum
St. Gerold
Text Heike Schlauch

Passgenau
Einbauten in Wien, Innsbruck und Berlin
Text Anne Isopp

Haste Töne!
Raumakustik im Kindergarten
Text Karl Brüstle

Würfelspiel
Kindergarten Langenegg
Text Heike Schlauch

Kindergartenoffensive in Österreich 2008 – 10

Service
Kindergartengesetze
Literatur
Ansprechpartner

Wertschöpfungskette
Waldschule Almtal
Text Anne Isopp

Seitenware
Nicht nur Kinder träumen davon ...
Text Anne Isopp

Holzrealien
Kurz und klein
Schöner spielen
Green Beauty
Toller Schwindel
Texte Michael Hausenblas

Holz(an)stoß
Carsten Höller
Text Stefan Tasch

Artikel

16. März 2010 Gert Kähler
zuschnitt

Erwachsenen- oder Kinderträume?

Essay

Auf wen ist eigentlich die Architektur von Kindergärten zugeschnitten? Auf die Kinder? Dann wären Türen höchstens 1,50 Meter hoch, Räume gerade noch 2 Meter, Brüstungen 50 cm: eine Zwergenwelt – Gulliver lässt grüßen. Schade, dass die betreuenden Erwachsenen das Haupt senken müssen – gesundheitsschädlich, jedoch konsequent. Wie auch sollte man die dezidiert für Kinder errichteten Bauten nicht konsequent an deren Bedürfnissen ausrichten?

Die Antwort scheint einfach, ist es aber nicht. Wenn es „kindlich“ aussieht, freut sich der erwachsene Mensch spontan für die lieben Kleinen: fröhliche Farben, kleine Fenster, niedrige Brüstungen, Kuschelecken und „warme“ Materialien. Also viel Holz und viel Hundertwasser. Als Erwachsener findet man Hundertwasser eher bedenklich. Die Gewerkschaft untersucht sogar die Folgen von Jahrhundertwasserschäden bei Kindergärtnerinnen.

Die Antwort trägt auch nicht weit genug. Denn man muss fragen, wer den Kindergarten baut (also bezahlt) und zu welchem Zweck. Er ist Teil eines Erziehungssystems und somit eines Systems, mit dem der Staat Staats-Bürger hervorbringen will. Es ist ein Irrglaube, Kindergärten seien für Kinder da; das wäre nur der Fall, wenn sich das, was kindgerecht ist, mit dem Staatsziel deckte. Denn Erziehung ist immer Erziehung zu etwas – und das wird nicht vom Kind definiert, sondern von einer externen Institution (und sei es die Familie), die nicht das Wohl des Kindes, sondern ihr eigenes im Auge hat. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass das eine mit dem anderen übereinstimmt, das muss es aber nicht. Diktaturen pflegen die Kinder- und Jugenderziehung besonders rigoros; doch es folgt daraus nicht, dass die Demokratie frei von Beeinflussung ist: Auch die „Erziehung zur Demokratie“ ist eine Indoktrination. Wären Kinder und das Ausleben ihrer Bedürfnisse allein Ziel der Architektur, könnte diese überall gleich aussehen. In der ddr und der brd sahen die Kindergärten durchaus unterschiedlich aus – so wie bei Robert Owen, Charles Fourier oder Maria Montessori.

Gerade die historische Perspektive verdeutlicht, wie sehr die Erziehung der Kinder immer einem übergeordneten, allgemein-gesellschaftlichen Ziel folgte. Wir sind heute nicht weiter: Wenn über Kindergärten die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund vorangetrieben und die deutsche Sprache verstärkt vermittelt werden soll, weil andere Methoden nicht funktionieren, ist das nicht etwas, das von den Kindern ausgeht.

„Dieser Garten der Kinder hat aber außer dem allgemeinen Zwecke das Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen, des Gliedes zum Ganzen, gleichsam des Kindes zur Familie, des Bürgers zur Gemeinde darzustellen …“ [1] So beschrieb Friedrich Fröbel (1782 – 1852) die Gärten seiner Kindergruppen und prägte damit den Begriff Kindergarten. Und er begründete das eigene Haus für Kinder mit deren Rolle als Teil des Ganzen einer Gesellschaft.

Das „Jahrhundert des Kindes“, als das die schwedische Lehrerin Ellen Key das 20. Jahrhundert bezeichnete, sollte die Perspektive einer „Erziehung vom Kinde her“ bringen. Aber es blieb bei der Sicht der Erwachsenen auf das, was sie für die „Erziehung vom Kinde her“ hielten, denn auch dabei wurde nicht etwa eine Meinungsumfrage unter Kindern zugrunde gelegt. Erst Rudolf Steiner entwickelte ein architektonisches Gesamtkonzept von Kindergarten und Schule, das auf die vermutete Kindesentwicklung reagiert. Ob seine architektonischen Schlüsse richtig sind, lässt sich allerdings schwer beweisen.

Wenn der Besuch des Kindergartens als Teilstück auf dem Wege zum Erwachsenen gesehen wird, soll man dann überhaupt kindgerecht bauen? Soll der Architekt so bauen, wie es den Kindern gemäß ist (sofern er in der Lage ist, das herauszufinden), oder vielmehr so, wie es zur Einübung in die Welt der Erwachsenen dienlich ist? Eher Hundertwasser, Günter Behnisch, Rudi Steiner oder doch lieber quadratisch, praktisch gut? Beraubt man das Kind durch einen vermeintlich kindgerechten Bau nicht der Chance zu wachsen, über das Kindgerechte hinauszugelangen? Müsste man ihm nicht das Ziel bauen, in dem es leben wird: die Erwachsenenwelt? Ein Esstisch der Erwachsenen, vier Beine und eine Platte, wird für das Kind kraft seiner Fantasie Haus, Höhle, Burg, wogegen die von Architekt oder Spielzeugindustrie angebotenen Häuser, Höhlen, Burgen diese Fantasie beschneiden. Der Kindergarten als Burg, als gestrandetes Schiff – sind das nicht Bilder, die Erwachsene in die Kinderwelt projizieren?

Die Waldorf-Pädagogen haben ihre eigene Antwort: „Alles soll kleinteilig sein, auf den kindlichen Maßstab zugeschnitten; möglichst viele individuelle Situationen, lebendige und anspruchsvolle Formen sind gefordert. Das alles wird mit einfachsten Mitteln und Materialien gemacht. Die Wände schlicht gemauert, die Steine soll man sehen. Holz von einfachster Art. Alles möglichst rustikal, auch wenn dem Erwachsenen zu primitiv. Nicht ästhetisch, nicht durchgeklügelt, nicht zu fertig.“ [2]

Weg von der fantasiereduzierenden Konkretion hin zum Elementaren: Das klingt gut – außer vielleicht für die Kindergärtnerinnen –, ist jedoch ebenfalls eine Projektion, die nur die Sehnsucht des erwachsenen Menschen nach der Kindheit zeigt. Die Kinder aber antworten auf ihre Art, mit ihrer sehnsuchtsvollen Projektion: „Wenn ich einmal groß bin, dann …“

[1] Friedrich Fröbel: Die Gärten der Kinder im Kindergarten, zit. nach: Wilma Grossmann: Kindergarten. Eine historisch-systematische Einführung in seine Entwicklung und Pädagogik, Basel 1987, S. 28.
[2] Werner Seyfert: Kindergärten bauen, in: Bauwelt 38/76, S. 1200.

16. März 2010 Anne Isopp
zuschnitt

Von wegen passiv!

Es regnet schon seit den Morgenstunden und scheint nicht aufhören zu wollen. Natürlich können die Kinder an solchen Tagen nicht hinaus in den Garten gehen. Dafür dürfen sie den breiten Mittelgang mit ihren Dreirädern rauf und runter fahren. Der neue Kindergarten am Tivoli hat auffallend viel Platz und auffallend viele Fensterflächen. Sind die Kinder gerade nicht ins Spiel vertieft, stehen sie sehr gerne an den raumhohen Fensterscheiben und beobachten, was auf der Straße passiert. Doch wo man rausschauen kann, kann man auch reinschauen. Für die Kindergartenpädagoginnen war diese Transparenz zu Beginn ungewohnt – ebenso wie die Tatsache, von nun an in einem reinen Holzbau zu arbeiten. Gerne erzählt die Kindergartenleiterin Judith Singer-Bassetti von dem Aha-Erlebnis der Eltern: „Alle, die zum ersten Mal hier hereinkommen, sind begeistert von dem Geruch.“

Tivoli ist ein neuer Stadtteil in Innsbruck auf dem Areal des gleichnamigen alten Stadions. Architekt Helmut Reitter hat hier, gleich neben dem Freibad, einen Kindergarten mit Hort und ein Jugendzentrum errichtet. Der Kindergarten, ein lang gestreckter Pavillon, der sich im Bereich des Hortes zu einem zweigeschossigen Baukörper faltet, ist ein reiner Holzbau. Das Jugendzentrum, ein kubischer zweigeschossiger Bau, ist hingegen in Massivbauweise errichtet. „Schon beim Wettbewerb ist uns die Materialwahl schlüssig vorgekommen“, sagt Reitter. Dafür habe es keine funktionale, sondern eher eine emotionale, atmosphärische Begründung gegeben. Der Kindergarten ist ein Holzriegelbau mit tragenden Innenwänden und Decken aus Brettsperrholz sowie Innensäulen und Unterzügen aus Brettschichtholz. Außen ist der Baukörper mit einer verdeckt befestigten Eichenfassade und im Bereich der Attika mit dunkelbraunen Hochdruck Schichtstoffplatten (hpl-Platten) verkleidet.

Passivhausstandard Ursprünglich als Niedrigenergiehaus entworfen, wurde es schließlich doch in Passivhausstandard ausgeführt. Dies bedeutete dickere Dämmstärken, passivhaustaugliche Fenster, eine kleinere Wärmepumpe sowie höhere Ansprüche an die Anschlussdetails. Beim Sockelpunkt zum Beispiel, so erzählt die hinzugezogene Passivhausspezialistin Christina Krimbacher, musste nun die Dämmung unter die Bodenplatte gezogen werden, um eine lückenlos geschlossene Hülle zu garantieren. Weiters kam es auf eine winddichte und luftdichte Hülle an. Die Wände bestehen aus einer Holzriegelkonstruktion, die mit Zellulose ausgeblasen ist. Nach innen hin sind auf diese eine osb-Platte mit Dampfbremse, eine Installationsebene mit Hanfdämmung und eine Dreischichtplatte aufgebracht, nach außen hin folgen der tragenden Konstruktion eine Holzweichfaserplatte, ein Windpapier und die Eichenbretter der Fassade, die auf eine horizontale Lattung von hinten aufgeschraubt sind.

Alle vier Gruppenräume sind nach Westen orientiert, hin zu einem überdachten Außenspielbereich. Zwischen den Gruppenräumen liegen kleinere Einheiten, die in den Mittelgang hineinverschoben sind, sodass dieser zusätzlich belichtet wird und terrassenseitig kleine geschützte Atrien entstehen. Bewegungsraum, Ruheräume, Essbereich und Nebenräume liegen im Osten. Ein breiter, über Lichtkuppeln mit Tageslicht belichteter Mittelgang verbindet die beiden Bereiche. Der Boden ist aus Eiche, die Wände sind aus Lärche und die Decken mit Weißtannen-Akustikpaneelen verkleidet. Um die unterschiedlichen Holzarten aufeinander abzustimmen, wurden die Wände weiß lasiert und der Boden weiß geölt.

Die Bauzeit betrug genau ein Jahr, von September 2007 bis September 2008. Seit anderthalb Jahren ist der Kindergarten nun in Betrieb. „Hier werden alle Sinne gestreichelt“, sagt die Kindergartenleiterin und meint damit nicht nur die natürliche Atmosphäre, sondern auch die angenehme Raumluft. Denn Kinder und Holz haben mehr als nur eine emotional begründete Gemeinsamkeit. Beide mögen trockene Luft nicht besonders. Ein CO2-Fühler regelt den Frischluftzustrom und sorgt für ein optimales Raumklima.

16. März 2010 Franziska Leeb
zuschnitt

Welche Räume sind uns die Kinder wert?

Wohl kaum zuvor war das Thema der Kinderbetreuung im Vorschulalter auf der politischen Agenda Österreichs so präsent wie in den vergangenen anderthalb Jahren. Ab 2009 bzw. 2010 ist der Kindergartenbesuch in Österreich für alle Fünfjährigen verpflichtend 1 und halbtags gratis, wobei der Föderalismus eifrig gepflegt wird und in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten, ab welchem Alter und in welchem Ausmaß Kostenfreiheit gewährt wird. Allein in Niederösterreich sind bereits 400 neue Kindergartengruppen in Betrieb gegangen, stolze 250 Millionen Euro wurden investiert.

Im Zuge der stark ideologisch geführten Debatte um die Rahmenbedingungen der Betreuung von Kindern im Vorschulalter trat die Frage nach adäquaten Räumen bloß am Rande in Erscheinung und wurde im Wesentlichen nur in der Architekturpresse 2 thematisiert. Nüchtern betrachtet sollten sich aus den politischen Initiativen für einen raschen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zwei Annahmen ableiten lassen:

Annahme eins: Wenn die Beteuerungen, der Kindergarten sei keine Aufbewahrungsanstalt, sondern eine pädagogisch hochwertige Bildungseinrichtung, ernst gemeint sind, dann muss dies auch in baukultureller Hinsicht gelten.

Annahme zwei: Die flotte Umsetzung neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen führt zu einer raschen Umsetzung der Bauten. Effiziente Bauweisen, mit denen sich auch in ästhetisch anspruchsvoller Weise und den Kriterien der Humanökologie und Nachhaltigkeit entsprechend arbeiten lässt, müssten demzufolge Hochkonjunktur haben. Eine tolle Chance für Holzbauweisen!

Ernüchterung macht sich breit Die Suche nach ambitionierten Kindergartenbauten aus der jüngsten Zeit endet aber rasch in Ernüchterung. Jene Bauten, die unter dem Siegel „architektonisch wertvoll“ subsumiert werden können, kann selbst ein Vorschulkind an seinen zehn Fingern leicht abzählen. Österreich unternimmt endlich eine Nachjustierung an seinem Bildungssystem und löst damit ein so enormes Bauvolumen aus, wie man es eher in einem Katastrophengebiet als in einem der reichsten Länder der Welt vermuten würde. Ungefähr hundert Kindergartengruppen sollen allein in Niederösterreich bereits in adaptierten Metallcontainern untergebracht sein.

Mobile Kindergärten, kurz „Mobiki“, nennen sich diese auf den ersten Blick attraktiven Lösungen: Die Baukosten sind niedriger als jene fixer Bauten (wobei manche Fachleute daran zweifeln), die Errichtungszeit ist kürzer. Später kann die Gemeinde den vom Land bis zu hundert Prozent geförderten Container anderweitig einsetzen und kommt so kostenlos zu Sportplatzumkleiden oder anderen kommunalen Infrastrukturen. Auf einer Serviceseite der Oberösterreichischen Landesregierung findet sich sogar eine Liste mit dem Titel „Auswahl Container-Firmen die Kindergärten-Lösungen anbieten“ (sic!) 3. Diese erleichtern mit einer Reihe von Serviceangeboten zur einfacheren Abwicklung den Kindergartenerrichtern die Entscheidung. Die Pädagoginnen bemühen sich redlich, das unwirtliche Ambiente dieser Container freundlich zu gestalten. Grundsätzliche Mängel lassen sich damit aber nicht beheben, wie z. B. nicht kindgerechte Parapethöhen, suboptimale klimatische, akustische und atmosphärische Bedingungen.

Lösungen sind vorhanden – aber in Vergessenheit geraten

Beispielhafte Lösungen in Holz, die man allenfalls adaptieren müsste, wären vorhanden. In Wien hat, ermuntert von den Behörden, die sich statt eines Provisoriums ein rasch errichtbares System in Holzbauweise wünschten, das Architekturbüro Schluder/Kastner ein solches entwickelt. Diese Kindertagesheime in der Anton-Schall-Gasse (1992, in Kooperation mit Dietrich/Untertrifaller), in der Schrebergasse (1999) und der Andersengasse (2000) haben bewiesen, dass die Bauweise für die Bauaufgabe ohne qualitative Einbußen funktioniert. Aus derselben Zeit stammt auch das in Holzleimbinder-Konstruktion errichtete Kindertages heim in der Gschweidlgasse (1995) von Geiswinkler & Geiswinkler Architekten. Es wehte in Wien also bereits einmal ein für Holzbauweisen günstiger Wind. Nachfolgeprojekte sind dennoch nicht in Sicht. Es mag an der Uninformiertheit der Zuständigen liegen, dass man an diese Erfahrungen nicht anknüpft. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es die Holzbaubranche verabsäumt hat, das Thema für sich zu besetzen. Immerhin wird das aus einem offenen Wettbewerb hervorgegangene Kindertagesheim in der Schukowitzgasse von Clemens Kirsch in Holzbauweise errichtet; prototypisches Potenzial hat dieses Projekt allerdings wenig. Das vorrangige Argument für den Holzbau war der Zeitdruck. Auch in Niederösterreich sind offene Wettbewerbe dünn gesät. Immer wieder stößt man auf Planungsauswahlverfahren, die nicht dazu angetan sind, Qualität hervorzubringen. Trotzdem kommt es singulär zu herzeigbaren und sogar vorzüglichen Ergebnissen.

Kindergarten mit Vorbildfunktion Eines der herausragenden ist der von Gabu Heindl geplante Kindergartenzubau in Rohrendorf bei Krems. Mit puren, ungekünstelten Materialien schuf sie ein anregendes Umfeld. Dass es kein reiner Holzbau wurde, ist dem Umstand zu schulden, dass die Planungszeit extrem kurz war und aufgrund des angrenzenden Bestandes sehr kontextspezifisch, also wohl auch mit einigem Improvisationstalent zu agieren war. Planung und Bau liefen zum Teil parallel und boten keine Chance für einen Holzsystembau. Die Sheddächer bestehen aus einer Leimbinderkonstruktion. Der Ziegelbau ist in eine Lärchenholzfassade gehüllt. Heindl machte sich die leichte Manipulierbarkeit des Holzes zunutze und integrierte nicht nur Abstellräume in die Fassade. Sie bildete daraus Nischen, Bänke und Sitzgelegenheiten. Hier können die Kinder unter dem auskragenden Dach witterungsgeschützt die Jahreszeiten erleben und haben Gelegenheit, taktile Erfahrungen zu machen und Prozesse der Alterung nachzuvollziehen. Tiefe, breite Fensternischen stehen auch im Inneren als Rückzugsorte mit Gartenblick zur Verfügung. Zusätzliches Licht kommt von oben durch die Sheds oder durch „Lichtkamine“ in den Nebenräumen, die zu beliebten Räumen für das In-den-Himmel-Schauen wurden. Auch bei der Ausstattung wurde Wert auf Qualität gelegt: Geöltes Eichenparkett und – zwar nicht von der Architektin geplante, aber von der Tischlerei Lechner aus Gföhl eigens angefertigte – Vollholzmöbel und Aufbewahrungsboxen aus verschiedenen Holzarten zeugen von Respekt vor den Bedürfnissen der Kinder und der Pädagoginnen. Viel gestalterische Energie floss in das Bemühen, sinnliche Erlebnisse zu stimulieren und dem Kindergartenalltag eine robuste Struktur zur Verfügung zu stellen.

Der Kindergarten ist ein öffentliches Gebäude und hat Vorbildfunktion. Wenn die Kindergartenoffensive auch einen bildungs- und kulturpolitischen Auftrag erfüllen will, darf die gestalterische Qualität der Kindergärten nicht ignoriert werden – egal in welchem Baustoff. Für Holz sind jedenfalls die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft.

(1) in Kärnten, Niederösterreich und Oberöster-
reich ab September 2009, in allen anderen
Bundesländern ab 2010
(2) Christian Kühn: Ja nur kein Licht ins All, in:
Die Presse, Spectrum, 28.12.2009; Franziska
Leeb: Dem Kind gerecht, nicht kindlich, in:
Die Presse, Spectrum, 24.04.2009;
Elke Krasny: Aufbauend!, www.architektur-bauforum.at/ireds-91723.html
(3) www.ooe-kindernet.at

16. März 2010 Heike Schlauch
zuschnitt

Kuschelkasten

In Bizau führt der Bürgermeister höchstpersönlich durch den Kindergarten. Es ist ein Neubau mitten im Dorf, der mit traditionellen Bauelementen der umliegenden Bauernhäuser spielt: Satteldach, Schindeln aus Weißtanne auf Fassade und Dach, großformatige Fensteröffnungen sowie Massivholzrahmen drum herum. Dies sind charakteristische Merkmale des „Wälderhauses“, die der Architekt Bernardo Bader in einen hochmodernen Holzbau integriert hat. Denn hinter der so schmucken Hülle versteckt sich ein Passivhaus: Die Fenster sind dreifach verglast, die Außenwände mit 34 cm Wärmedämmung plus 4 cm Vorsatzschale ausgestattet. Das Haus wurde in einer Zimmerei in Alberschwende vorgefertigt und in kurzer Zeit vor Ort errichtet.

Über eine breite Vorzone betritt man den Kindergarten. Im Erdgeschoss liegen zwei Gruppenräume und eine Spielgruppe, im Obergeschoss ein universal nutzbarer Raum sowie ein Bewegungs- und Mehrzweckraum, den auch die Gemeinde nutzen kann. Bürgermeister Josef Moosbrugger weiß dies zu schätzen. Schließlich habe auch der Raum Auswirkungen darauf, ob eine Veranstaltung gelinge oder nicht, sagt er. Im ganzen Gebäude sind die Wände und Decken aus Weißtanne, beim Boden hat man sich in Bizau für geölte Esche entschieden. Überhaupt findet die Weißtanne hier in der Esche eine Begleiterin aus Hartholz, die einspringt, wenn die Weißtanne an ihre Beanspruchungsgrenzen stößt: Auch für Möbel und die Leibungsverkleidun- gen der Fenster hat man das robustere Material gewählt. Die Fenster wurden vom örtlichen Tischler hergestellt und weisen eine Rahmenstärke von 96 mm sowie zwei Dichtungsebenen auf.

Die Kinder beeindruckt das wenig, Wände aus Holz gibt es zu Hause nicht, dort sind sie meist weiß. Toll aber finden sie die als Sitzbank ausgebildete Fensterbrüstung, von der aus sie das Geschehen im Dorf beobachten und in die Landschaft schauen können. Auch die Leiterin kommt darüber ins Schwärmen: „Es ist, als ob man im Freien sitzt.“ Mit einem Tisch davor wird der „Bilderrahmen“ zum Aufenthaltsbereich in jeder Jahreszeit.

Eine Besonderheit dieses Kindergartens aber ist die Kuschelbox, eine Holzbox, die mitten im Gruppenraum steht. Von der Seite können die Kinder diese erklettern. Im Inneren finden sie Sitz- und Liegefläche und einen Ausguck nach oben, der zugleich den Betreuerinnen Einblick gewährt. Die Box verleiht ihnen das Gefühl von Rückzug und Geborgenheit – wie in einer Höhle. Kein Wunder also, dass hier großer Andrang herrscht und für die Kuschelbox strenge Regeln gelten.

Kindergartenkinder geben uns nur schwer Auskunft darüber, wie sie ihre räumliche Umgebung empfinden. Bis zum Alter von neun Jahren stehen für die kindliche Wahrnehmung soziale Beziehungen im Vordergrund. Erst später nehmen sie die gebaute Umgebung und deren Gestaltung wahr.

Der Kindergarten in Bizau wurde – ebenso wie jene in St. Gerold und Langenegg – im Bewusstsein um die Vorbildfunktion bei der Erhaltung traditioneller Werte und als Multiplikator für moderne Architektur errichtet. Die Hoffnung, den Kindern diese Werte durch die Möglichkeit der eigenen Erfahrung mitzugeben und so ihr Verständnis gegenüber Handwerk und natürlichen Materialien zu prägen, schwingt bei den Bürgermeistern und den Planern mit.

16. März 2010 Heike Schlauch
zuschnitt

Holz bis in die letzte Ritze

Kindergarten im Gemeindezentrum St. Gerold

Das neue Gemeindezentrum von St. Gerold ist der erste viergeschossige Holzbau in Vorarlberg. Es sitzt oberhalb der Propstei an einem steilen Hang und vereint Gemeindeamt, Dorfladen und einen Kindergarten unter einem Dach. Der Haupteingang liegt an dem kleinen dreieckigen Dorfplatz der Gemeinde, parallel zur Dorfstraße. Auch die Kinder betreten das Haus von hier und steigen dann zwei Stockwerke tiefer. Dort, im untersten Geschoss, haben sie auch den direkten Ausgang zum Garten. Nicht nur für den konstruktiven Holzbau und die Fassade haben cukrowicz nachbaur architekten Weißtanne verwendet, sämtliche Innenoberflächen sind aus dem gemeindeeigenen Holz: der Boden sägerau, die Verschalungen der Wände und Decken geschliffen. „Die Durchgängigkeit der Materialien macht die Kinder ruhiger“, erzählt die Leiterin des eingruppigen Kindergartens. Sie weiß von einigen Kindergärten zu berichten, die derzeit einen Verzicht auf aufwendige Dekorationen erproben und gerade in unruhigen Gruppen Erfolge damit erzielen. Ein durchlaufendes Fensterband mit niederen Fensterbrüstungen holt talseitig das Panorama des Großen Walsertales herein. An der Schmalseite des Gruppenraumes gibt es eine raumhohe Verglasung und den Ausgang zum Spielplatz. Ein umlaufender Fensterrahmen von 8 cm Breite bildet eine sichtbare Schwelle zwischen innen und außen und gibt den auf dem Boden spielenden Kindern ein Gefühl von Sicherheit.

WC und Küche sind direkt vom Gruppenraum aus zugänglich, sodass die Kinder sich selbstständig bewegen können. Sie müssen nicht mehr wie früher fragen, wenn sie auf die Toilette müssen. Auf Initiative der Betreuerinnen sitzt das Büro innerhalb des Gruppenraumes. Durch große Glasscheiben haben sie von hier aus einen Überblick über alle Spielbereiche und können auch mal ans Telefon gehen.

Bei der Wahl des Lieblingsplatzes können sich die Kinder oft gar nicht entscheiden. Da gibt es eine Puppenecke, den Bereich für den Sitzkreis sowie eine Kuschel- und Leseecke, die Kinder und Leiterin mithilfe von verschiebbaren Regalen selbst geschaffen haben. Auch heute erinnern sich die Kinder noch lebhaft an die Bauzeit. Von ihrem alten Kindergarten im denkmalgeschützten Schulhaus gegenüber konnten sie die Baustelle gut beobachten.

Vor allem die vorgefertigten Elemente, der Kran, der diese in die Höhe hob, und die Schnelligkeit, mit der das Haus Stockwerk um Stockwerk nach oben wuchs, haben sie beeindruckt.

14. Juli 2010 Romana Ring
zuschnitt

In der Not das Krokodil gerufen

Zubau im Mühlkreis

Planungsbeginn im Mai, Baubeginn zwei Monate später, Fertigstellung im Oktober und ein Budget von 180.000 Euro: Diese Schlagworte allein beschreiben eine beachtliche Leistung. Die Erweiterung des bestehenden Kindergartens in Neumarkt im Mühlkreis ist jedoch mehr als das bloße Meistern ungünstiger Voraussetzungen. Die im Ort ansässigen Architekten Peter Schneider und Erich Lengauer haben ein ungewöhnliches, ja sinnliches Objekt geschaffen. Mit seiner lang gestreckten, in einem großen Panoramafenster mündenden Form, dem breiten Oberlicht und der grünen Fassade sieht der Kindergartenzubau aus wie ein Krokodil. Da waren sich von Beginn an alle sicher: Kinder, PädagogInnen ebenso wie die NachbarInnen.

Das Budget, mit dem die Architekten den Zubau zu realisieren hatten, betrug weniger als die Hälfte der für ähnliche Aufgaben üblicherweise bewilligten Mittel. Aber auch der Bauplatz sowie Lage und Ausformung des Bestands stellten massive Einschränkungen für das Projekt dar. Auf das Wesentliche der Aufgabe konzentriert, schufen Schneider & Lengauer trotzdem einen großzügigen, den pädagogischen Richtlinien entsprechenden Gruppenraum, der den Kindergarten um mehr als nur die gewonnenen Flächen bereichert. Für den Baustoff Holz sprachen nicht nur seine besondere Eignung zur Vorfertigung und die damit verbundene Bauzeitverkürzung, sondern auch seine optischen, akustischen und haptischen Qualitäten, die Schneider & Lengauer einsetzten, um die Architektur mit Begriffen wie Naturverbundenheit, Wärme und Geborgenheit zu verknüpfen.

Der bestehende Kindergarten ist ein in den frühen 1990er Jahren errichteter, auf sich selbst bezogener Zentralbau. Er steht im Ortskern von Neumarkt etwa in der Mitte eines jäh nach Westen abfallenden Bauplatzes. Für den Zubau blieb nur der nördliche Teil des Grundstückes übrig. Schneider & Lengauer entwarfen einen schmalen, länglichen Baukörper, der etwas abgerückt vom Bestand sitzt und mit diesem über einen Glasgang verbunden ist. Der Neubau ragt weit über die Hangkante hinaus, sodass der neue Gruppenraum nicht nur in den Genuss von Besonnung aus Süden kommt, sondern auch durch die Aussicht in die Mühlviertler Hügellandschaft wesentlich erweitert wird. Ein Oberlichtband erfüllt die Tiefe des Baukörpers mit Tageslicht.

Die Kinder lieben den Panoramablick ebenso wie die gebaute Topografie im Inneren des Gruppenraumes, die es zu erkunden gilt. Hier gibt es ebenerdige Spielbereiche, eine Empore und die darunterliegende Leseecke, von der aus sie die Hühner in Nachbars Garten beobachten können. Straßenseitig liegt ein kleiner Mehrzweckraum, der durch eine großzügige Blickverbindung mit dem Vorgarten zusätzliche Qualitäten erhält.

Der Neubau ist als Holzriegelkonstruktion mit eingeblasener Zellulosedämmung errichtet. Die Flächen im Inneren des Gebäudes sind mit weiß geöltem Fichtenholz ausgekleidet. Dies bietet in Verbindung mit den schlichten Birkensperrholz-Möbeln einen hellen, ruhigen Hintergrund für die bunte Aktivität der Kinder. Wände und Decken sind zum Teil als akustisch wirksame Paneele ausgebildet. Der Zubau ist zur Gänze mit grünem Eternit verkleidet. Diese Farbwahl hat wohl das Ihre zur Bildung der Assoziationskette weit aufgesperrtes Maul – hoch liegende Augen – grün – Krokodil beigetragen. Seit jemand dem Bestand die Rolle des Kasperls zugeordnet hat, bilden Alt und Neu auch in diesem Sinne eine Einheit.

16. März 2010 Anne Isopp
zuschnitt

Passgenau

Einbauten in Wien, Innsbruck und Berlin

In Österreich gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze. Dies bedeutet für die nächsten Jahre, dass viele Kindergärten neu gebaut, bestehende Einrichtungen erweitert und Gebäude adaptiert werden müssen. Gerade Letzteres ist schon heute in Städten die Hauptbauaufgabe, wenn es um die Schaffung neuer Plätze geht. Wir haben uns drei Beispiele angesehen: in Wien, Innsbruck und Berlin.

Holz schafft Raum

„Das geforderte Raumprogramm hätten wir hier nie untergebracht, wenn wir nicht mit Ebenen gearbeitet hätten“, erzählen Franz Ryznar und Roswitha Siegl von aap.architekten in Wien. In die ehemalige Hofküche im Schloss Schönbrunn, einem 5,10 Meter hohen Gewölberaum, haben sie für die Wiener Kinderfreunde einen viergruppigen Kindergarten eingebaut. Während Kinder es lieben, einen Raum zu erklettern und ihn aus verschiedenen Perspektiven zu erfahren, sind Emporen bei Erwachsenen nicht immer gerne gesehen. Das Erklimmen von niedrigen Emporen kann für Pädagoginnen und Reinigungspersonal mühselig sein. Doch in diesem Fall war allen Beteiligten klar, dass das Projekt nur durchführbar ist, wenn man im Raum mehrere Ebenen schafft. Anders als beim Neubau konnten Flächen ab 2,40 Meter Raumhöhe voll angerechnet werden.

Die Architekten schufen ineinander verschachtelte Räume mit unterschiedlich hohen Ebenen und nahmen damit dem Raum die Strenge. Aus hellem Finnbirkensperrholz sind Emporen, Möbel und die Wände, in die Schränke integriert sind. Dies schafft eine heimelige, warme Atmosphäre. Gerne hätten die Architekten auch Holz am Fußboden gesehen, konnten den Betreiber jedoch nicht vom Linoleum abbringen.

Die Kosten für einen Einbau in eine bestehende Gebäudestruktur schätzt Franz Ryznar auf 800,– bis 2.000,– €/m2, je nachdem ob in die Struktur eingegriffen werden muss oder nicht. Die Bauherren würden den Kostenaufwand aber fast immer unterschätzen. „Im Zusammenspiel der Normen, Kosten, Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften kann man sich kaum noch bewegen“, beklagt der Architekt das immer enger werdende Korsett, wenn es um den Bau von Kindergärten geht. Wo vor ein paar Jahren noch offene Garderoben im Eingangsbereich gern gesehen waren, ist dies aus brandschutztechnischen Gründen heute in Wien nicht mehr möglich. Sie müssen in abgeschlossenen Räumen liegen, am besten hinter Brandschutztüren, die die Kinder kaum mehr aufbekommen.

Holz sucht Farbe

Ganz andere Bedingungen hatten die Architekten Froetscher Lichtenwagner beim Einbau eines Kindergartens und Hortes im centrum.odorf in Innsbruck. Im Obergeschoss des lang gestreckten Baukörpers stand hierfür eine Fläche von 2.000 m² zur Verfügung. Eingestellte farbige Boxen in Leichtbauweise beherbergen die Gruppen, Flur und Garderobe bilden ein offenes Raumkontinuum. Am Übergang zum Schülerhort befinden sich die gemeinsam genutzten Bereiche wie Küche, Speisesaal und Bewegungsraum. Die Architekten sprechen von einer Stadt in der Stadt: Die Gruppenräume sind die Häuser, die Flure und Garderoben die Straßen und Plätze. „Wir beschränkten uns darauf, die Materialien zu definieren – bewegliche Möbel aus Sperrholz, mit Birke furniert – und einzelne wichtige Elemente wie Baumhaus und Raupe zu konzipieren“, beschreiben die Architekten ihre Herangehensweise. (1) Der Fußboden ist aus Eiche. Die Raupe, ein 30 Meter langes Sitzobjekt im Eingangsbereich des Kindergartens, besteht aus mdf-Platten, die mit einem rutschfesten Zweikomponentenlack behandelt wurden. Jeder der vier Gruppenräume hat sein eigenes Baumhaus, ein Klettergerüst, das in die Trennwand integriert und von beiden Seiten zugänglich ist. Auch die Baumhäuser sind aus mit Birke furniertem Sperrholz, aber farbig lackiert.

Holz braucht Fantasie

Was aber tun, wenn so gut wie kein Budget vorhanden ist? Dann muss auf einfache Mittel zurückgegriffen werden. So wie beim Taka-Tuka-Land in Berlin, einem Kindergarten, der in einem provisorischen Holzständerbau untergebracht ist. Der Bauherr wollte eigentlich nur die Fassade sanieren. Doch das vorhandene Budget von 90.000 Euro wäre viel zu gering gewesen, um dem Wunsch nach einer neuen Holzfassade nachzukommen, erzählt Architektin Susanne Hofmann von den Baupiloten.

So schlug die Architektengruppe vor, die Fassade nur dort zu sanieren, wo notwendig, und das restliche Geld in die Neugestaltung des Innenraumes zu stecken. Die geputzten Holzplatten der Fassade wurden nur dort abgeschnitten, wo sie verfault waren, neu gestrichen und mit einem Spritzschutz von unten angearbeitet. Die Attika und einzelne Platten mussten ganz ausgetauscht werden. Neue große Fenster bringen viel mehr Licht ins Innere, neue Podeste und Einbauschränke aus Furniersperrholz ein frischeres Ambiente. Besonders das Klettergerüst an der Fassade bereitet den Kindern viel Freude. Von innen können sie über ein Fenster in das Gerüst und nach draußen klettern.

Die Baupiloten sind eine wechselnde Gruppe von Studierenden, die unter der Anleitung von Susanne Hofmann Projekte planen und realisieren. Die Entwürfe basieren immer auf Partizipation mit den späteren Nutzern. Auch in diesem Fall wurden die Kinder von Anfang an in den Entwurfsprozess eingebunden.

Auf die Frage, ob sie ein Material bevorzuge, antwortet Susanne Hofmann: „Können sie sich die Welt von Pippi Langstrumpf in Metall vorstellen?“ Der Statiker habe ihnen ein Metallgerüst vorgeschlagen. Sie aber entschieden sich für einfache Holzdreiecke aus grün lasiertem Eichenholz, die zu einem Raumtragwerk zusammengeschraubt und mit weichen Kissen aus gelben lkw-Planen ausgepolstert wurden.

(1) Willi Froetscher, Christian Lichtenwagner: Materialwahl, Mobiliar, Oberflächen, in: Detail 3/2008.

16. März 2010 Gabu Heindl
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Offener Kindergarten

Raum- und Materialpädagogik

Lehren und lernen Der Kindergarten ist der erste öffentliche, nicht familiäre Wohnraum des Kindes; er ist ein erster Lernraum in einem erweiterten sozialen Umfeld. Kindergärten sind im Zeichen der innigen Beziehung zwischen pädagogischen Konzepten und deren Manifestationen in gebauter Form zu verstehen und zu beurteilen. Dafür hat sich heutzutage das Sinnbild vom „Raum als Erzieher“ und vom „aktiven Raum“ etabliert.

Allerdings ist gebauter Raum manchmal langlebiger als eine Lehrmeinung; der pädagogische Raum muss also nicht nur „lehren“, sondern auch selbst „lernen“ können. Kindergartenbauten stehen somit in einem Spannungsfeld zwischen einer Räumlichkeit, die auf eine spezifische gegebene Pädagogik zugeschnitten ist, und den Veränderungen, denen gegenüber er offen sein sollte. Dass der gebaute Kindergarten nicht einfach nur den geforderten gesetzlichen Normen exakt angemessen sein soll, heißt auch, dass ArchitektInnen als AnwältInnen der Kinder auftreten müssen. Sie müssen darauf beharren, dass die Einhaltung von Mindestraummaßen nicht gut genug ist, dass Kindergartenbau keine Frage von quantifizierten Zuteilungen ist, dass es stattdessen um die Qualitäten von Räumen geht, in denen Kinder sich bewegen, essen, lernen, spielen und ruhen können. In den folgenden und davon ausgehenden Beschreibungen steht Holz nicht nur für nachhaltiges Bauen, gutes Raumklima und einen angenehmen Geruch, für ein erlebnisreiches und gleichzeitig robustes Baumaterial, das gerne zur Gestaltung von Maßstäblichkeit und Atmosphäre im Innen- und Außenraum eingesetzt wird, sondern auch für ein Material, das in der Beziehung zwischen pädagogischem Konzept und räumlicher Ausformulierung eine Rolle spielt.

Trennen und behüten Ein historisch prägnantes Beispiel für die Verräumlichung eines Kindergartenkonzepts, das von einer strengen Einteilung in Gruppen ausgeht, ist der Entwurf eines Pavillonsystems von Margarete Schütte-Lihotzky aus dem Jahr 1929, das sie mit dem Kindergarten Rinnböckstraße 1961 bis 1963 in Wien realisierte. Im Sinn der funktionalistisch, medizinisch und pädagogisch motivierten Moderne geht es in diesem Kindergartentyp darum, einzelne Gruppen in klar strukturierten, voneinander scharf getrennten Pavillons mit zugehörigen Freilufthöfen unterzubringen. Das hatte den Sinn, um sich greifende Kinderkrankheiten oder von Kind zu Kind springende Läuse gruppenweise isolieren zu können. Nicht einmal Baumläuse hätten bei diesem Konzept eine Chance auf Verbreitung gehabt, da jeder Gruppe ihr Hof und jedem Hof sein Baum zugewiesen wurde. Übersichtlichkeit sowie die Schutz- und Fürsorgefunktion dieses Grundrisses gehen hier mit einer Reglementierung der kindlichen Umgebung einher.

Dieses traditionelle Gruppenraumkonzept wird öffentlichen Kindergärten durch die österreichische Bauordnung bis heute weiter vorgeschrieben, auch wenn PädagogInnen die Ergebnisse dieser Normierung improvisierend aufzuweichen versuchen, indem sie etwa über starre Mauern hinweg Gruppen mischen. Den seit den 1970er Jahren mit Begriffen wie „vermauerte Kindheit“ kritisierten Erziehungsbauten stehen natürlich schon lange reformpädagogische Konzepte gegenüber, die für die Selbstständigkeit der Kinder, für das Selbsterlernen und die Kultivierung von sozialem und emotionalem Wissen eintreten. Diesen Überlegungen entsprechen alternative Raumkonzepte, die auch für öffentliche Kindergärten von Belang sind.

Erleben und reduzieren Wenn es in Rudolf Steiners Waldorf-Pädagogik darum geht, die fixe Rhythmik des chronometrischen Tages- und Wochenablaufs durch starke Bezüge zu Jahreszeiten und Wetter zu ergänzen, wird deutlich, wie wichtig großzügige Innen- und Außenbeziehungen sind. Als sinnliches und gleichzeitig mathematisch abstrahierbares (Spiel-)Material ist Holz nicht nur in Montessori-Kindergärten wichtig. In der Pädagogik nach Maria Montessori nimmt sich der/die menschliche ErzieherIn so weit wie möglich zurück, im Waldkindergarten tut dies sogar der gebaute Raum in seiner Erziehungsfunktion: Hier hält die Architektur sich so weit zurück, dass es gar kein Gebäude mehr gibt, dass die Kinder nicht nur mit Holz spielen, sondern im Holz – und zwar im Holz in seiner nach wie vor unüberbietbar nachhaltigsten, nämlich unbearbeiteten Form. Der Wald selbst fungiert als aktiver Raum des Kindergartens; das Holz der Bäume bietet Dach, Windschutz und erlebnisintensiven Lernraum. In diesem in Skandinavien entwickelten Erziehungsraumtypus ist die Betonung des „Gärtnerischen“ am Kindergarten am stärksten.

Öffnen und fordern Insofern, als das spielende Lernen im Kindergarten immer schon Einübung in einen kommenden Arbeitsalltag ist, geht es heute darum, sich auf Arbeitsformen auszurichten, die vor allem von Kreativitätsforderungen bestimmt sind. Hier wäre auch von der Reggio-Pädagogik zu sprechen – mit ihrem Fokus auf die Entwicklung von Kreativität und ihrem Konzept der „sprechenden Wände“ – und nicht zuletzt vom Raumkonzept des „offenen Kindergartens“, in dessen Richtung innovative öffentliche Kindergartenkonzepte heute weisen: Diese aktuelle Programmatik fordert – entgegen den Schemata der Bauordnung – die Auflösung fixer Gruppenräume und die Gestaltung von Funktionsbereichen wie Ruhe, Kommunikation oder Bewegung, die die Kinder frei wählen können und in denen sie sich tendenziell in unterschiedlich großen Gruppen selbst organisieren.

Der Abbruch von pädagogisch-räumlichen Wänden für einen offenen Kindergartenbetrieb verläuft parallel zu schulischen Lehrkonzepten, die ebenfalls dynamische Gruppenarbeit gegenüber Frontalunterricht im fixen Klassenzimmer bevorzugen. Ein gutes Beispiel für eine Verräumlichung dieses Erziehungskonzepts – bei dem einmal mehr Holz eine wichtige gestalterische Rolle spielt – ist der 2007 erbaute städtische „Fuji Kindergarten“ von Tezuka Architects in Japan. Im Gegensatz zu Schütte-Lihotzkys Raumstrukturierung zeigt dessen Grundriss „offene Gruppen“ unter einem gemeinsamen Dach rund um einen zentralen Garten. Während der geschlossene Innenhof noch überschaubar ist, hat das Dach Erlebnisqualitäten, die mit denen des Waldkindergartens vergleichbar sind: Das für die Kinder begehbare Dach ist von Bäumen durchstoßen. Die Dach-Löcher rund um die Stämme sind nur mit Netzen gesichert, in die die Kinder – ob risikofreudig oder einfach nur verspielt – hineinspringen können, was sie auch gerne tun. Das „Herausfordern“ der Kinder steht hier der Sorge um ihre Sicherheit produktiv gegenüber.

16. März 2010 Heike Schlauch
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Würfelspiel

Am Beginn stand die Initiative „Stopp in Langenegg“. Sie wollte gemeinsam mit der Bevölkerung ein neues attraktives Ortszentrum schaffen und zugleich die Identifikation mit dem Ort stärken. Den Anfang machten zwei streng nach ökologischen Richtlinien erbaute Holzkuben für Kindergarten und Café. Ein von der Gemeinde finanzierter und dann verpachteter Supermarkt sowie die Renovierung des Gemeindehauses folgten. Ein einfach gestalteter Vorplatz ergänzt das neue Ensemble. Der zweigeschossige Kindergarten liegt direkt an der stark frequentierten Durchzugsstraße, unmittelbar an der Dorfeinfahrt. Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Haus bildet er eine Torsituation.

Diese städtebauliche Situation spiegelt sich auch in der Ausgestaltung des Foyers sowie in der Grundrissgestaltung wider, die bautypologisch an die Tradition des Mittelflurhauses anknüpft.

Statt der Gruppenräume liegt hier der Bewegungsraum ebenerdig und bietet der Gemeinde die Chance, das Haus offen zu bespielen. Die Gruppenräume mit den Garderoben und die Küche haben Fink Thurnher Architekten ins Obergeschoss gelegt. Sie wollten, dass die Kinder der Gemeinde im Dorfbild präsent sind, und haben den Kindergarten mithilfe großer Glasflächen von außen einsehbar gemacht.

Über eine breite Treppe, unter der sich die Kinder auch gerne einmal verstecken, geht es hinauf. In der Garderobe empfängt die Kinder eine lichtdurchflutete Atmosphäre. Die vollflächige Pfosten-Riegel-Fassade gibt den Blick frei zum Spielplatz hinter dem Haus. In den zwei Gruppenräumen öffnen flächig gesetzte Fenster akzentuierte Ausblicke in alle Himmelsrichtungen und lassen die Umgebung ins Gebäude fließen. Alles hier ist in Weißtanne ausgeführt: Konstruktion, Boden, Wände, Decken, Möbel, sogar die Tische und Stühle. Was für die Architekten „zu großer Klarheit bei Details und Konstruktion führte“, war für die Kindergärtnerin gewöhnungsbedürftig. Dennoch, die Kinder spielen gern auf dem unbehandelten Boden mit seiner haptisch ansprechenden Oberfläche. Und er ist extrem pflegeleicht, schwärmt die Leiterin, die für die Raumpflege zuständig ist. Der Einsatz von Weißtanne für die dreißig Kinderstühle scheint allerdings fragwürdig. Sie müssen wie früher zwei Mal im Jahr mit Bürste und Seifenlauge gescheuert werden und kippen durch ihr geringes Gewicht leicht um.

Die Kinder drücken ihre Raumempfindungen nicht mit Worten aus, sie äußern sich durch ihr Benutzerverhalten. So halten sie instinktiv einen Respektabstand zu den bis zum Boden reichenden Glasfronten im ersten Stock, immerhin geht es draußen vier Meter in die Tiefe und im Gegensatz zu der Detaillösung beim Kindergarten in St. Gerold gibt es hier keinen umlaufenden Fensterrahmen, der Sicherheit vermitteln könnte. Die Puppenecke vor einem der Fenster bleibt dadurch eher verwaist. In der Bauecke, die an der geschlossenen Außenwand liegt, und in der Lesenische mit niedriger Decke und ganz ohne Fenster herrscht hingegen reges Treiben. Wer im Spiel versunken ist, braucht anscheinend keine Aussicht.

Bauwerk