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db deutsche bauzeitung 04|2010
Nachhaltigkeit gestalten
db deutsche bauzeitung 04|2010

Axpo-Verwaltungsgebäude in Baden (CH)

Ruhm und Glamour

Der jüngste energieeffiziente Vorzeigebau der Schweiz ist nicht nur vom äußeren Erscheinungsbild her glamourös und rühmlich. Hinter der kompakten, überaus ansprechenden Hülle und den ornamentartigen Oberflächen demonstrieren auch seine energetischen Werte, dass ökologisches Bauen, Energieeffizienz und hohe architektonische Ansprüche zusammenpassen.

31. März 2010 - Paul Knüsel
Moderne Geschäftswelten glänzen häufig mit dem Baustoff Glas. Nicht wesentlich anders weiß sich das neue Verwaltungsgebäude des Schweizer Energiekonzerns Axpo in Szene zu setzen. Wo bisher klassizistische Großbauten aus Stein und profane Metallkästen die Potenz der Firma markieren, darf nun ein gläsernes, mattschimmerndes Bauwerk den traditionellen Firmensitz in Baden ergänzen. Das in der Höhe einmal abgestufte, vier- bzw. fünfstöckige Bürogebäude wirkt dabei hell und leicht. Glasplatten aus ESG, auf denen sich glänzende und sandgestrahlte Partien abwechseln und so ein zusammen mit einem Künstler entwickeltes Muster ergeben, überdecken einheitlich den konventionellen, massiven Betonbau; versetzte, dreifachverglaste Fenster in nur zwei unterschiedlichen Formaten beleben das Erscheinungsbild. Auf diese Weise vermag die Erweiterung die heterogene Umgebung nicht nur zu verdichten, sondern v.a. auch zu beruhigen. Das Werk von Meier Leder ist somit städtebaulich wie gestalterisch gelungen. Dem Bau ging vor sechs Jahren ein Architekturwettbewerb voraus, den das noch recht junge, ortsansässige Architekturbüro für sich entschied.

Die Qualitäten des im vergangenen Herbst bezogenen Neubaus, der durch einen zweistöckigen Verbindungstrakt mit dem Bestand verbunden ist, zeigen sich aber auch hinter seiner Fassade: Großzügige Fensteröffnungen, Innenhöfe und Rundläufe schaffen eine Licht durchflutete, offene und kommunikative Atmosphäre. Die Sitzungs- und Konferenzräume bilden die einzigen abtrennbaren Inseln auf den überwiegend als Großraumbüro konzipierten Flächen. Und ohne allzu großen Energieverbrauch bleibt die thermische Behaglichkeit an den Arbeitsplätzen über das ganze Jahr gewahrt: Der Heizwärmebedarf konnte auf ein Drittel des gesetzlichen Grenzwerts von 38 kWh/m2a gesenkt werden; auch der Primärenergieaufwand ist optimiert. Dagegen sorgt die innerstädtische Lage praktisch von selbst dafür, dass sich der Mobilitätsaufwand für die Benutzer minimieren lässt. Nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt, sei »die Zahl der Parkplätze in der neuen Tiefgarage bewusst klein gehalten worden«, bestätigt Manfred Thumann, CEO der Axpo AG. Noch besser wäre es für eine positive Nachhaltigkeitsbilanz gewesen, komplett auf sie zu verzichten.

Global verträglich

Das Energiesparkonzept der Erweiterung orientiert sich trotzdem an den Anforderungen der 2 000-Watt-Gesellschaft (siehe dazu auch S. 46). Der Ressourcenverschleiß und der CO2-Ausstoß, die bei der Nutzung von Gebäuden verursacht werden, sind danach auf ein global verträgliches Nachhaltigkeitsmaß zu reduzieren. Für die Umsetzung dieser Ziele hat der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) mit dem Effizienzpfad Energie ein eigenes Planungsinstrument geschaffen. Nutzflächenbezogene Zielwerte bestimmen nicht nur den Energiebedarf für Raumklima, Warmwasser und Beleuchtung, sondern neuerdings auch den Rohstoffaufwand beim Bauen sowie die »induzierte Mobilität«. Die ersten, umfassend bilanzierten Leuchtturm-Projekte dieser 2 000-Watt-Gesellschaft stehen bereits im Großraum Zürich: Wohnbauten im innerstädtischen Bereich, ein Schulhaus und nun das Verwaltungsgebäude des Axpo-Energiekonzerns.

Uneingeschränkt

Obwohl mit zunehmenden Auflagen das Leben eines Architekten schwieriger wird, fühlte sich Martin Leder beim Entwurf des Projekts kaum eingeschränkt: »Die Architektur erhält sogar Freiräume zurück, wenn anstelle eines fixen Gebäudestandards die umfassende Energiebilanzierung angestrebt wird.« Zwei wesentliche, gestalterische Ansätze scheinen sich bei energieeffizienten Büro- und Zweckbauten dennoch durchzusetzen: Zum einen besitzt die Außenhülle eine kompakte Form, was der internen Wärmeverteilung zu Gute kommt. Zum andern wird das Innenleben offen und flexibel – und somit fast ohne Stützen in den Räumen – organisiert. Als Reaktion auf die tiefen Grundrisse brauchen diese jedoch einen zusätzlichen Tageslichteintrag über das Dach. Im Axpo-Gebäude sorgen daher zwei nach oben verglaste Innenhöfe für die natürliche Beleuchtung. Gegenüber den Büroetagen sind sie teilweise mit großen, fensterartigen Öffnungen abgeschlossen und beherbergen kleinere Erholungs- und Kaffeezonen. Die Arbeitsplätze, um die Lichthöfe herum angeordnet, sind somit quer durch das Gebäude hindurch einsehbar. Das Offenhalten von Durchgängen und Einsichten hat System, der Bauherr will seinen Angestellten so den unkomplizierten Austausch ermöglichen. Am Arbeitsplatz selbst erfolgt die Beleuchtung über Stehleuchten, die über einen Präsenzmelder und Lichtsensor gesteuert werden.

Mit Blitz und Donner

Auch das Personalrestaurant ist mit Blickbezügen organisiert, es befindet sich im Verbindungstrakt der Erweiterung. Dort haben die Architekten zusammen mit der Grafikerin Fabia Zindel die Gestaltung und insbesondere den Schallschutz originell gelöst. Inspiriert von der Haupttätigkeit des Bauherrn und dem Erfindungsgeist des kroatischen Elektrophysikers Nikola Tesla, wurden Stromblitze zur vielseitig verwendbaren Ornamentvorlage erkoren: Sie überziehen sowohl die gelochten Akustikplatten aus Holz, dienen aber auch als grafisches Grundmuster zur Dekoration der Wand- und Deckenbekleidung.

Innere Werte hinter Glanz und Glamour

Weniger dekorativ als die Glasfassade oder das Restaurant, aber mindestens so vorzeigbar sind die inneren Werte des neuen Gebäudes: Der Heizwärmebedarf beträgt 13 kWh/m2a und übertrifft somit die Vorgaben des Schweizer Niedrigenergiestandards Minergie deutlich. Zum Erreichen des Minergie-P-Werts reichte es hingegen nicht ganz: Die Gebäudehülle hätte dafür noch stärker gedämmt oder aber Solarenergie anstelle fossil erzeugter Fernwärme für die Warmwassererzeugung berücksichtigt werden müssen. Demgegenüber hat das mit der Optimierung der Gesamtenergie beauftragte Architekturbüro H.R. Preisig berechnet, dass der Primärenergiebedarf für die Herstellung nur bei rund 30 kWh/m2a liegt.

Zur maßgeblichen Reduktion des Material- und Primärenergieaufwands beigetragen haben – trotz viel Beton und Glas – die kompakte Gebäudeform sowie die einfache Tragstruktur. Für die massiven Bauteile an Fassade und im Kern wurde ausschließlich Recyclingbeton verwendet.

Primär- und Sekundärstruktur sind fein säuberlich getrennt, um den künftigen Betriebsunterhalt respektive den Ersatz oder die spätere Entsorgung technischer Installationen zu vereinfachen. Dadurch und aufgrund weiterer, ressourcenschonender, gesundheitsfördernder oder nutzerrelevanter Kriterien – darunter die optimierte Tageslichtnutzung, geringe Lärmimmission und die geringe Schadstoffbelastung der Raumluft – hat der Bürobau zusätzlich das Minergie-Eco-Zertifikat bekommen.

Das Raumklima regelt ein träge reagierendes, kombiniertes Heiz- und Kühlsystem. Die Energie wird dafür aus rund 40 m Tiefe bezogen, aus einem permanent 14 8 C warmen Grundwassersee. An kalten Tagen erzeugt die Wärmepumpe daraus Heizwärme und Innentemperaturen von mindestens 22 8 ; im Sommer wird damit gekühlt, sobald die Raumtemperatur 28 8 überschreitet. In beiden Fällen wird die Wärme bzw. die Kälte in den offenen Büroräumen über eine abgehängte Heiz- und Kühldecke verteilt. Der Beitrag der kontrollierten Lüftung zur Nachtauskühlung ist folglich nur bedingt notwendig.

Die Lüftungsanlage ist ihrerseits mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet und auf geringe Strömungsgeschwindigkeiten ausgelegt, um die hygienisch notwendigen Luftwechselraten zu erreichen. Einzig in den Sitzungszimmern lässt sie sich individuell regulieren, um sich der temporären Belegungsdichte anzupassen.

Eine wichtige Aufgabe besteht nun aber darin, Erfahrungswerte zu sammeln. Gemäß Reto Bühler, dem Leiter der Bauökonomie bei den Axpo-Immobilien, wird es in den Übergangszeiten und auch im Sommer anspruchsvoll, jederzeit die optimale Einstellung der Haustechnik zu finden. Denn den schnell schwankenden Außentemperaturen steht etwa die Trägheit solcher Bauteilaktivierungssysteme gegenüber und im Sommer treibt v. a. die hohe Belegungsdichte sowie die Abwärme der Computer den Kühlbedarf der Büros nach oben. Die internen Energielasten ebenfalls in das Versorgungskonzept einzubeziehen, war allerdings kein Thema. In einem umfassenderen Sinne ist die Einbindung und die Akzeptanz der Benutzer für den Betrieb derart energieeffizient betriebener Gebäude dennoch äußerst wichtig: Gemäß Bühler wird in Kürze eine Umfrage über die Arbeitsplatzqualität stattfinden. Und ein automatisches Mess- und Überwachungsprogramm soll demnächst allen Angestellten den Energieverbrauch im Gebäude – für die Beleuchtung, den Lift und alle anderen technischen Hilfsmittel – sichtbar machen. Für das Gebäude ist dies eine »wichtige Maßnahme, um die Kosten für den Betriebs- und Energieaufwand gering zu halten«, erklärt Manfred Thumann. Für den Energiekonzern Axpo als Produzent von Atomstrom ist dies aber auch gut fürs Image. Insofern steckt hinter den Investitionen in einem solch nachhaltigen Vorzeigebau womöglich auch ein bewusstes Kalkül.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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