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db deutsche bauzeitung 05|2010
Umnutzung
db deutsche bauzeitung 05|2010

Transparent Tagen

Berlin: Café wird Tagungszentrum

Das Café Moskau, ein herausragendes Beispiel der DDR-Moderne, wurde zum Veranstaltungszentrum umgebaut. Dabei stellten die Architekten die ursprünglichen Sichtbeziehungen und die Materialästhetik des Gebäudes wieder her. Mit einer Strategie des behutsamen Weiterbauens fanden sie vielfach, aber nicht überall überzeugende Lösungen für die neuen Anforderungen.

11. Mai 2010 - Carsten Sauerbrei
Laut tost der Verkehr auf der vielbefahrenen Berliner Karl-Marx-Allee am sanierten Café Moskau vorbei. Der Architekt Josef Kaiser errichtete es 1960–64 an der Vorzeige- und Paradestraße der DDR. Es bildet zusammen mit den gegenüberliegenden Gebäuden des Kino International, der einstigen Mokka-Milch-Eisbar und dem Neubau des Rathauses Berlin-Mitte – einer Referenz an das Hotel Berolina von 1963 – ein spannungsreiches städtebauliches Ensemble. Dies ist das Kernstück des zweiten Bauabschnitts der Straße, die als Stalinallee eher mit dem DDR-Neoklassizismus der 50er Jahre in Verbindung gebracht wird.

Die Kultur sollte hier zeigen, wie gut es sich im Sozialismus leben lässt: Filmpremieren im Kino International, sowjetische Kochkunst im Café Moskau. Im Gebäude befanden sich neben dem großen Restaurant eine Wein- und Teestube sowie ein Konzertcafé und eine Nachtbar. Letztere blieb auch in Betrieb, als das Haus in den 90er Jahren zum Technoclub und Ziel der Berliner Musikszene wurde. Das neue Nutzungskonzept sieht vor, die Räume in Zukunft für Veranstaltungen zu vermieten – Tanzen und Speisen nicht ausgeschlossen.

Zurück zu den Sechzigern

Das zweigeschossige Café Moskau wirkt transparent mit der umlaufenden Glasfassade im OG. Das EG allerdings präsentiert sich von außen eher verschlossen, wenngleich große Glasfenster die Wandfelder regelmäßig durchbrechen. Nach dem Betreten des Gebäudes hingegen eröffnet sich dem Besucher ein weites Blickfeld vom Eingangsfoyer über das zentrale Atrium bis hin zum rückwärtigen Außenbereich, dem Rosengarten. Diese vielfältigen Sichtbeziehungen und die durchdachte Materialästhetik von 1964 – ein Zusammenspiel von hellen Holzdecken, rotem Marmor, grauem Schiefer, Buntsteinputz und matt schimmernden Aluminiumprofilen – wiederherzustellen, war eines der Ziele des Umbaus durch das Berliner Büro Hoyer Schindele Hirschmüller (HSH). Wurden doch beim letzten Umbau 1981-83 Glaswände mit dunklem Holz verkleidet, großzügige Räume durch eine Vielzahl von Einbauten geteilt und die Leichtigkeit der 60er Jahre durch eine schwere, dunkle Innenausstattung aufgehoben. Dennoch stellten die Denkmalpfleger das Gebäude mitsamt den Einbauten nach 1989 unter Schutz. Sie stimmten der Entscheidung, diese Schicht des Gebäudes bis auf wenige Reste aufzugeben, nur unter der Bedingung zu, dass dafür die ursprüngliche Architektursprache soweit wie möglich wiederhergestellt würde. Die Architekten entfernten dazu zunächst diverse Einbauten und befreiten die Oberflächen von Übermalungen. Die ursprünglichen Materialien lassen sich heute wieder erleben. Einzelne Wandverkleidungen und Motive der 80er Jahre wurden an Ort und Stelle erhalten oder an anderer Stelle in neue Räume eingebaut. Mit dem Umbau konnten die Architekten das Raumerlebnis z. T. sogar noch steigern: Die Heizkörper, die ehemals vor der raumhohen Verglasung den Blick störten, ersetzten sie durch Bodenkonvektoren. Flexibel veranstalten

Das zweite, wichtige Ziel des Umbaus war es, möglichst viele, flexibel nutzbare Veranstaltungsflächen zu erhalten. Dafür reduzierten die Architekten den Anteil der Nebenräume entscheidend – für die zukünftige, temporäre Nutzung reicht z. B. eine Vorbereitungsküche aus. Mit neuem, zusätzlichem Eingang und Foyer an der Westseite bekam das Gebäude außerdem eine zweite, unabhängige Erschließung. Der Betreiber erhält mit dieser Maßnahme, den zusätzlichen Sanitärräumen und mehrfach teilbaren Veranstaltungsflächen, große Flexibilität in der Nutzung des Gebäudes. Durch eine der Umbaumaßnahmen ist jedoch der große Saal im EG in seiner Raumqualität deutlich gemindert worden. Um einen größeren, ungeteilten Innenraum zu erhalten, wurde die ursprüngliche, mittlere Stützenreihe entfernt. Zwei neue Reihen entlang der Längsseiten des Raums nehmen jetzt die Deckenlast auf. Der Blick durch die großen Glasfenster wird dadurch beeinträchtigt; der Raum vor den Fenstern wirkt beengt.

An vielen anderen Stellen gelang dagegen die Verbindung von Alt und Neu. So reflektiert die anthrazitfarbene Glaswand, die den neuen Eingang markiert, die historische Fassade des Café Moskau und setzt damit das schon 1964 angelegte Verwirrspiel mit Durchsichten und Spiegelungen fort. Ihre minimalistische Ästhetik – Profile fehlen außen völlig, lediglich Türgriffe unterbrechen die Glasfläche – zeigt außerdem deutlich die eigene, zeitgenössische Handschrift der Architekten. Tagsüber tritt die Wand zurück, nachts wird sie zum Leuchtzeichen und in Zukunft mit Hilfe einer LED-Wand zur bewegten Antwort auf das realsozialistische Mosaik an der Ostseite. Hinter der Glaswand weitet sich der Raum. Dort befindet sich das neue Treppenhaus. Die Architekten nehmen auch hier Motive des alten Gebäudes auf – die Oberlichter als Referenz an den ehemaligen Wirtschaftshof zum Beispiel – und finden ihren eigenen Materialausdruck: Helles Parkett für die Treppen, ein dunkler Magnesitestrich für die anderen Laufflächen, Glas und Edelstahl für Geländer und Brüstungen. Die Suche nach der zurückgenommenen Ästhetik des Eingangs bleibt an dieser Stelle jedoch vergebens.

Alte Fassung, neue Technik

Subtiler und gelungener ergänzen HSH Architekten die alte Fassade durch notwendige neue Öffnungen wie Lüftungsflügel oder Fluchttüren. Als Fassung dieser Elemente wählten sie schwarze Profile, ähnlich denen, die bereits 1964 verwendet worden waren, um die großen Glasflächen zu teilen. Damit fügen sich die neuen Bauteile wie selbstverständlich in die alte Fassade ein und beleben sie zusätzlich. Auch der neue Windfang am alten Eingang ist dafür ein überzeugendes Beispiel. Um eine bessere Wärmedämmung und einen besseren Sonnenschutz zu erreichen, wurde außerdem Isolier- und Sonnenschutzglas in die alten Profile eingesetzt. Da deren Anteil an der Fassadenfläche nur rund zehn Prozent beträgt, konnten gute Wärmewerte erreicht werden.

Die Architekten überzeugen mit ihrer Strategie des Weiterbauens jedoch nicht überall. Die neuen Decken in den großen Veranstaltungsräumen wurden als Referenz an die ursprüngliche Gestaltung als Holzdecken aus Esche entworfen. Damit sollte der alte Raumeindruck wiederentstehen. Im Gegensatz zur homogenen Oberfläche von 1964 ist die Decke heute aber durch eine Vielzahl von Technikelementen perforiert. Der historische Raumeindruck kann sich so nicht einstellen, ein neuer, eigenständiger nur schwer. In diesem Punkt verharrt die Architektursprache in einer unentschiedenen Haltung dem Bestand gegenüber. Das zeigt auch die Verwendung der gleichen Decke im 1964 noch nicht bestehenden, neuen Veranstaltungsraum. Von diesem fällt der Blick auf den Rosengarten, dem im Vergleich zum Atrium kleineren der beiden Freiräume. Die Rosen werden sich sicher noch entwickeln; derzeit lockert lediglich eine ebenerdige Wasserfläche den Bereich auf. Hier, wie auch beim Atrium und den Flächen um das Gebäude herum, lassen sich kaum Gestaltungsabsichten erkennen. Dennoch wird beim Blick auf die andere Seite der Karl-Marx-Allee deutlich, dass es das Café Moskau mit seiner behutsamen Sanierung und der ganz überwiegend gelungenen Neugestaltung gegenüber seiner Nachbarn wirklich sehr gut getroffen hat.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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