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TEC21 2010|24 2010|24
Recycling-Beton
TEC21 2010|24 2010|24
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Verkannte Ressource

Das Wiederverwerten mineralischer Bauabfälle ist ein wichtiger Pfeiler für die nachhaltige Entwicklung des Bauens, zumal die anfallenden Mengen in Zukunft noch steigen werden. Gleichzeitig wird sich die Nachfrage nach Rückbaustoffen vom Tief- zum Hochbau verlagern. Doch obwohl Rückbaustoffe dem natürlichen Rohstoff Kies qualitativ ebenbürtig sind, haftet ihnen das negative Image von Abfallprodukten an.

11. Juni 2010 - Rolf Wagner
Die Festsetzung der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA) im Jahre 1990 war der Auslöser für eine drastische Veränderung der Materialströme aus dem Rückbau von Gebäuden und Infrastrukturanlagen. Eine Ablagerung von Bauabfällen ist seither nur noch auf bewilligten Inertstoffdeponien möglich. Gleichzeitig steckte vor 20 Jahren die Wiederverwertung von Rückbaustoffen noch in den Kinderschuhen. Die Anlagenkapazitäten und auch das Know-how fehlten. Daher türmten sich bald Berge von Misch-, Beton- und Asphaltgranulaten bei den Rückbauunternehmungen.

Aufgrund dieser langfristig nicht tragbaren Situation initiierte das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich 2003 eine Studie, in der die bestehenden Verwertungs- und Entsorgungswege untersucht und die Chancen und Risiken für die Zukunft ausgeleuchtet wurden. Sie lieferte Antworten zu Marktposition und Qualität der Rückbaustoffe sowie zur zukünftigen Entwicklung der Stoffströme.

In der Zwischenzeit hat die Bauwirtschaft gelernt, mit den Rückbaustoffen umzugehen. Heute werden bereits beachtliche Mengen des gesamten mineralischen Rückbaumaterials wiederverwertet, zum grössten Teil im Tiefbau. Der Rest landet aber immer noch in Deponien, und die Position der Rückbaustoffe auf dem Markt ist fragil. Einen wesentlichen Einfluss haben Angebotsschwankungen bei den Rohstoffquellen für Kies (Rückbau, Kiesabbau, Tunnelausbruch und Altlastensanierungen) sowie die Deponiepreise (vgl. TEC21 10/2004).

Keine Qualitätsunterschiede

Rückbaumaterialien können bedenkenlos in den Baustoffkreislauf zurückfliessen. Verschiedene Untersuchungen[1,2,3] belegen die einwandfreie Qualität der Produkte aus Rückbaustoffen. In mehreren Studien wurde ausserdem abgeklärt, ob von Rückbaustoffen Risiken für Mensch und Umwelt ausgehen. Man stellte fest, dass bei der Beregnung von Bauschutt Schadstoffe ausgewaschen werden und somit bei Lagerung oder Einbau auf unversiegelten Plätzen eine Gefährdung des Grundwassers möglich ist.[1,2] Bei gesetzeskonformem Einsatz von Recyclingbaustoffen entsteht jedoch keine untolerierbare Grundwasserbelastung. Zusätzlich liess das AWEL eine Risikoanalyse[4] unter Worst-Case-Annahmen für die Schadstoffe Chromat, PCB, Phenole, PAK, Asbest sowie umweltrelevante Betonzusatzmittel durchführen. Die Resultate zeigen, dass bei normenkonformer Verwendung der Rückbaustoffe keine Gefährdung für Mensch und Umwelt besteht. Auch bei nicht normenkonformer Verwendung liegt das Risiko im tolerierbaren Bereich.

Verlagerung vom Tief- zum Hochbau

Die Bauerneuerung wird in den nächsten Jahrzehnten stark zunehmen. Treibende Kräfte dafür sind die energetische Verbesserung des Gebäudebestands, das Bedürfnis nach mehr Komfort, der Trend zur Verdichtung im Bestand und der nicht zu vernachlässigende Erdbebenschutz. Mit der zunehmenden Bauerneuerung fallen auch mehr Rückbaumaterialien an, die aufbereitet und in die Baustoffmärkte zurückgeführt werden müssen (Abb. 2). Die grösseren Stoffströme bieten der Bauwirtschaft Chancen: Sie kann mit Rückbaustoffen die Baustoff-Ressourcen sichern und sich an der Wertschöpfung beteiligen. Während die Erneuerungsraten im Hochbau ansteigen, verlangsamen sie sich bei den Infrastrukturanlagen im Tiefbau. Entsprechend steigt die Nachfrage für Baustoffe vor allem im Hochbau. Die Baustoffbranche wird daher vermehrt gebundene Rückbaustoffe, wie sie im Hochbau zum Einsatz kommen, anbieten müssen – zum Beispiel Beton. Aus diesem Grund müssen Rückbau- und Kiesmarkt vermehrt zusammenwirken. Das erfordert entsprechende Normen und Rahmenbedingungen. Zudem zieht auch die Wirtschaft aus innovativen Technologien zur Verarbeitung und Qualitätssicherung bei Rückbaustoffen ihren Nutzen. So wird beispielsweise an der Entwicklung neuer Verfahren für die Optimierung des Mischgranulates gearbeitet. Das Verwerten von Rückbaustoffen schont natürliche Rohstofflager und Deponievolumen. Und nicht zuletzt sind nicht abgebaute Alluvialkiese der beste Grundwasserschutz.

Das vom AWEL lancierte Projekt «Kies für Generationen»[5] (siehe Kasten S. 18) setzt sich daher dafür ein, dass Rückbaustoffe als wertvolles Baumaterial anerkannt werden. Ziel ist es, dass Kies- und Rückbaumarkt letzten Endes zu einem einzigen Rohstofflager verschmelzen, bei dem die Herkunft der Rohstoffe keine Rolle mehr spielt.


Anmerkungen:
[01] AGW (heute AWEL): Auswaschversuche mit aufbereitetem Bauschutt Juli 1990
[02] AWEL: Versuchsstrasse für Fundationsschichten aus Recyclingmaterialien (1992 – 1997)
[03] Bundesamt für Strassenbau/VSS: Stoffliche Zusammensetzung und Beurteilung der langfristigen Umweltverträglichkeit von Sekundärbaustoffen, Oktober 2002
[04] AWEL/Envico: Abschätzung der Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Asbest, Betonzusatzmittel, Chromat, PCB, Phenole, PAK, illegale Ablagerungen von Bauabfällen, 25. Juni 200
5[05] AWEL/Uebersax Consulting: Kies für Generationen, Kommunikation Oktober 2005

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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