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TEC21 2010|49-50
Schutz im Untergrund
TEC21 2010|49-50
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Schutzpatronin

Die Heilige Barbara wird als Schutzpatronin von Bergleuten und Tunnelbauern verehrt. Nach der Überlieferung ist sie eine frühchristliche Frauenfigur, die für ihre Überzeugung in der Römerzeit den Märtyrertod erlitten hat. Zahlreiche Kirchen und Reliquien weltweit deuten auf ihre Verehrung als Heilige hin. Jedes Jahr am 4. Dezember gedenken Mineure und Bergleute ihrer Schutzpatronin.

3. Dezember 2010 - Daniela Dietsche
Die aufwendige Inszenierung des Gotthard-Durchschlags und die Rettung der Bergleute in Chile haben die Heilige Barbara in den letzten Monaten in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Schutzpatronin der Tunnelbauer und Bergleute wird weltweit in der römischkatholischen, der griechisch-orthodoxen, der russisch-orthodoxen und der koptischen Kirche verehrt. Sie ist auch Patronin der Geologen, Hüttenleute und Artilleristen. Ihnen haben sich unter anderem Sprengmeister, Feuerwehrleute, Glockengiesser, Ärzte und Apotheker angeschlossen. Wissenschaftliche historische Zeugnisse zur Person der Heiligen Barbara jedoch fehlen: Authentische Quellen kennen ihren Namen nicht, sodass sie historisch eigentlich nicht existiert. Ihre weit verbreitete Verehrung ist dennoch sicher älter als die Legende, die sich erst im 7. Jahrhundert gebildet hat.[1]

Ein drittes Fenster als Zeichen der Dreieinigkeit

Es existieren unzählige Versionen der Legende der Heiligen Barbara, die sich auch teilweise widersprechen. Entstanden ist diese Vielzahl vermutlich durch Hinzufügen oder Weglassen von einzelnen Punkten bei den Abschriften. Die «Legenda aurea» (ca. 1250) gilt als die berühmteste, ausführlichste und am weitesten verbreitete Heiligengeschichte. Sie besagt, dass Barbaras Vater, der mächtige und heidnische Dioskorus, im 3. Jahrhundert zur Zeit des Kaisers Maximianus in Nikomedia[2] lebte. Er liebte seine Tochter über alles und versuchte, sie vor jeglicher Berührung mit der Welt zu bewahren, nicht zuletzt, um sie den Einflüssen der Christenlehre zu entziehen. Dioskorus liess einen Turm bauen, in den er Barbara während seiner Abwesenheit einschloss. In dieser Abgeschiedenheit begann sie, über die Welt und ihren Schöpfer nachzudenken, und richtete einen Brief mit ihren Fragen zum Christentum an den Gelehrten Origines[3], der in dieser Zeit in Alexandria lebte. Priester Valentinus überbrachte ihr seine Antwort persönlich, belehrte und taufte sie; ihrem Vater sagte sie, Valentinus sei ein in der Heilkunst erfahrener Alexandriner.

Als Dioskorus beabsichtigte, Barbara zu verheiraten, erwiderte sie nur zornig: «Zwinge mich nicht, dies zu tun, Vater.» In der Legende heisst es weiter: Daraufhin verliess er sie und stellte eine Menge Künstler an, um ein Badehaus zu bauen. Ob er dies tat, um seine Tochter zu besänftigen, ist aus der «Legenda aurea» nicht ersichtlich. Bevor er für längere Zeit verreiste, bestimmte er, wie das Bad aussehen sollte, und bezahlte die Handwerker, doch während seiner Abwesenheit bat Barbara diese, ein drittes Fenster als Zeichen der Dreieinigkeit einzubauen. Als Dioskorus zurückkehrte, offenbarte sie sich ihm als Christin. Er ermahnte sie, sich den alten Göttern wieder zuzuwenden, aber alle Vorhaltungen blieben erfolglos: Die Götterbilder im Turm waren bereits durch Kreuze ersetzt. Der wütende Dioskorus wollte seine Tochter auf der Stelle mit dem Schwert töten. Barbara betete, ein Fels spaltete sich, nahm sie auf und versetzte sie auf einen Berg, doch der Vater fand sie, und Barbara sollte vor dem Präfekten Marcianus dem neuen Glauben abschwören. Die Folter konnte sie jedoch nicht im Glauben erschüttern. In der Nacht erschien ihr im Verlies Christus, für den sie gelit- ten hatte, und befreite sie von ihren Wunden. Den Folterqualen sollte die Hinrichtung folgen. Schliesslich tötete sie ihr Vater mit dem Schwert. Dioskorus musste diese Tat direkt büssen: Er wurde vom Blitz getötet. Barbara wurde wohl nicht älter als 20 Jahre.

Verehrung folgte der Ausbreitung des Christentums

Nach ihrem Leben und Martyrium in der Übergangszeit vom 3. zum 4. Jahrhundert[4] traten im Orient bald erste Zeugnisse für ihre Verehrung als Bekennerin des Glaubens auf. So sollen ihre Gebeine schon 565 nach Konstantinopel geholt und dort um 900 eine St.-Barbara- Kirche erbaut worden sein.1 Von Kleinasien aus gelangte die Geschichte der Barbara auf das europäische Festland. Die abendländischen Kreuzzüge zur Eroberung des Heiligen Landes (12. und 13. Jahrhundert) spielten dabei eine wichtige Rolle, da die zurückkehrenden Kreuzritter die Barbaralegende mit nach Mitteleuropa brachten. Über Spanien und Portugal kam sie zur Zeit der Konquistadoren nach Süd- und Nordamerika.

In der koptischen Kirche wurde sie schon früh als Heilige gewürdigt. Ihre Anhänger verehren sie noch heute in der Barbarakirche zu Kairo aus dem 5. Jahrhundert. Als das älteste Bild der Heiligen gilt ein Fresko von 705 in der frühchristlichen Kirche Sankt Maria Antiqua auf dem Palatin in Rom, und in Trier ist 1161 ein Barbara-Kloster urkundlich nachweisbar. Von etwa 800 an tauchen Reliquien in Italien, Griechenland, in den Niederlanden, Polen und Russland auf.

Schutz für Kumpel und Mineure

Schon um 1300 wählten die Bergleute Santa Barbara als ihre Schutzpatronin. Der Hinweis in verschiedenen Fassungen der Legende, dass der Berg oder der Fels sich vor ihr öffnete und sie vor dem Vater verbarg, könnte dazu beigetragen haben. Während in der Frühzeit ihre Verehrung in Mitteleuropa nur regional und eingeschränkt nachweisbar ist, gehörte sie vom 14. Jahrhundert an zu den bedeutendsten Heiligen.[1]

Je nach Gefahrenlage durch Seuchen, Kriege oder Naturgewalten hat sich die Bedeutung der Heiligen Barbara gewandelt. Zum Beispiel soll Barbara, als die Weisende, die Bewohner der Gegend um das Bergwerk Gonzen im sankt-gallischen Rheintal, das jahrhundertelang stillgelegt war, erneut auf die Erzgrube hingewiesen haben (vgl. S. 24). Ihre Rolle als Retterin aus Gefahren erzählen unzählige Geschichten über die Rettung von Bergleuten. Von Barbara als der Bestrafenden von frevelhaftem Verhalten wird in Sagen erzählt, in denen zum Beispiel Bergleute an ihrem Gedenktag, dem 4. Dezember, arbeiteten.[5]

Mehr gesellschaftliche als religiöse Bedeutung

Die Verehrung der Barbara als Schutzpatronin und Nothelferin[6] hat sich bis in die Gegenwart hinein wenig verändert. Der Berufsstand der Bergleute und Tunnelbauer zeigt heute noch ein ausgeprägtes Bewusstsein für ihr Patronat. In vielen Bergwerken sind Schreine eingerichtet, in denen die Heilige Barbara dargestellt ist, ebenso wie an den Tunnelportalen. Trotz den technischen Erleichterungen und den fortschrittlichen Gesundheits- und Arbeitsschutzmassnahmen wird die Heilige Barbara zum Schutz vor dem plötzlichen Tod angerufen. Ihre Ausstrahlungskraft überdauerte Jahrhunderte und ist dem Zeitgeist nicht gewichen. Ihre zahlreichen Standorte und von ihr ausgehenden Volksbräuche belegen ihre Wichtigkeit. Ein Heiligenfest wird in der Regel am Todestag des Heiligen gefeiert, da er als der Tag der Geburt für ein himmlisches Leben gilt. Der Barbaratag wird in allen Bergwerken, Stollen und Tunneln des Abendlandes als Feiertag begangen. So ruht auch auf allen Tunnelbaustellen der Schweiz am 4. Dezember die Arbeit. Ungeachtet der Religionszugehörigkeit wird zu Ehren der Heiligen Barbara eine Messe gefeiert. Sie erhält Blumen, man spricht ein Gebet und gedenkt der verunglückten Arbeitskollegen. Anschliessend wird ausgiebig gefeiert.
Anmerkungen
[1] Rolfroderich Nemitz, Dieter Thierse: St. Barbara, Weg einer Heiligen durch die Zeit. Edition Glückauf, GmbH, Essen, 1995
[2] Hauptstadt der Landschaft Bithynien im nördlichen Kleinasien (heute Izmit, Türkei) zwischen dem Marmara- und dem Schwarzen Meer
[3] Der Hinweis, Santa Barbara habe mit Origenes Verbindung aufgenommen, ist mit der Regierungszeit Maximians nicht in Einklang zu bringen: Das meistgenannte Todesjahr 306 der Heiligen Barbara steht im Widerspruch zur Lebzeit von Origines (185 bis 254)
[4] Als die wahrscheinlichste Lebzeit Barbaras gilt die Zeit zwischen 250 und 310
[5] Rainer Sigrist: Die Heilige Barbara – Eine Laudatio, in Ferrum (80), Tunnelbau – Unterirdische Perspektiven. Eisenbibliothek, Schlatt, 2008
[6] Die Heilige Barbara zählt auch zu den 14 Nothelfern

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

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