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db deutsche bauzeitung 01|2011
Fliesen
db deutsche bauzeitung 01|2011

Geflieste Stadtlandschaft

Sporthalle mit Stadtteilzentrum in Rijeka

Große Baukomplexe mit homogenen Oberflächen zu überziehen, ist seit einigen Jahren »en vogue«. Avancierte Darstellungs- und Fertigungstechniken haben »Blobs« und »Faltungen« entstehen lassen, die Analogien zur Natur herstellen, im Stadtraum aber oft recht fremd wirken. Auch das Zamet Centar in der kroatischen Hafenstadt Rijeka, ganz in Keramik gekleidet, will mehr Landschaft sein als Gebäude. Hier ist es den jungen Architekten allerdings weitgehend gelungen, ein umfangreiches Bauprogramm in die disparate Vorstadt einzufügen und eine neue, signifikante Mitte zu schaffen.

17. Januar 2011 - Christoph Gunßer
»Gromaca« heißen die Mauern aus aufgeschichteten Felsbrocken, welche die Kulturlandschaft der Kvarner Bucht durchziehen. Früher trocken aufgeschichtet, heute meist verfugt und als Verblender vor Stahlbeton verwendet, prägen sie selbst in der Großstadt Rijeka noch das Bild vieler Hanglagen – als Stützmauern einer Bandstadt zwischen Gebirge und Meer. Wo der gewachsene Fels zutage tritt, wird die erstaunliche Analogie von geologischer Struktur und Menschenwerk deutlich. Als die Zagreber Architekten 3LHD gebeten wurden, ein multifunktionales Zentrum in einen jener weitläufig wuchernden Vororte der Stadt zu integrieren, griffen sie darum das Motiv der Gromaca auf: nicht nur als konstruktive Notwendigkeit, sondern als inhärente Logik des Orts. Entstanden ist auf diese Weise eine »topologische« Architektur, die komplexe Funktionen einem gestalterischen Gesetz unterwirft, das gleichsam aus der Landschaft erwächst. Das städtebauliche Gemenge aus Wohnhochhäusern, niedrigen Zeilenbauten, einer Schule und einem kleinen Ladenzentrum verlangte nach einer durchlässigen (die Architekten nennen es »porösen«) Anlage: Hangauf, hangab sollte man möglichst rasch überall hingelangen können. So gliedert eine der Felsstruktur analoge Streifenstruktur das Gelände und trägt dieser Durchlässigkeit Rechnung. Der langgestreckte Hang wird quer zum Gefälle in 22 Portionen geteilt, die mal als Gebäude, mal als Treppenweg Gestalt annehmen: »Faltungen«, funktional interpretiert.

Poröse Landschaft

Es war ein kluger Entschluss des Bauherrn, den Hauptprogrammpunkt einer für internationale Wettbewerbe tauglichen Sporthalle (Handball, Basketball) mit einer Reihe kleinteiliger Funktionen für den Stadtteil zu kombinieren: Ortsverwaltung, Bibliothek sowie insgesamt 13 flexibel als Laden, Bar oder Büro zu nutzende Lokale füllen nun auf zwei Etagen die kammartige Struktur zwischen den großzügigen Treppen, die in einen geräumigen Platz münden. Erst in der östlichen Hälfte, vis-à-vis der Wohnhochhäuser, türmt sich die Formation zur Sporthalle auf. Dieselben »tektonischen« Streifen rücken hier bis nah an die Quartiersstraße heran. Ihre »Verwerfungen« oder Fugen dienen dazu, Licht in die Halle zu holen, denn – das ist ein weiteres formales Prinzip der Anlage – die senkrechten Flächen zwischen den Streifen sind verglast. Es wirkt, als habe der Mensch seine Funktionen der Landschaft untergeschoben. Das »glaubt« man indes nur der niedrigeren Hälfte der Anlage mit ihren kleinteiligen Nischen und sanft abfallenden Schrägen, die übrigens gern von Kindern zum Rutschen benutzt werden. Die Sporthalle, zusätzlich von einer Tiefgarage unterbaut, ist dafür schlicht zu groß. Wer von Osten, vom Stadtzentrum Rijekas heranfährt, erfasst zunächst nicht die Landschaftslogik, denn er sieht nur wuchtige, sich ausbauchende Baumasse. Die beiden ungleichen Hälften des Projekts halbwegs zusammenzuhalten, gelingt nur über die einheitlichen Oberflächen: Fliesen und Glas.

Fliesen als Ersatz für Fels

Ein früheres Projekt, die Sport- und Stadthalle im ländlichen Bale/Istrien (s. db 1/2008), hatten die Architekten tatsächlich mit trocken aufgeschichteten Steinen nach Art der Gromaca bekleidet. Bei ihrem Projekt in Rijeka griffen sie erstmals auf keramischen »Ersatz« zurück: handelsübliche Steinzeug-Fliesen in Grau- und Beigetönen, geliefert aus dem italienischen Modena. Zu Fünfecken zugeschnitten, wurden die 11 mm dicken Fliesen zu sechseckigen Mustern zusammengesetzt. In dieser Textur überziehen 51 000 Fliesen den gesamten Komplex, nur kontrastiert von der kühl blaugrünen Industrieverglasung an den Vertikalen. Was Puristen irritiert: Die Fliesen sind mal konventionell im Mörtelbett verlegt (auf den Ortbeton-Konstruktionen am Platz), mal hinterlüftet auf eine Alu-Unterkonstruktion geklebt (an der Stahlkonstruktion der Halle). Sonderlich solide wirkt letzteres nicht, und erste Schäden durch Rempeleien und Steinwürfe sind erkennbar. Da man zugunsten der großen Linien auf Sockel oder Schutzleisten verzichtete, hat auch die Verglasung mancherorts schon gelitten. Im Hintergrund waltet Bauchemie, wohin man blickt. Von den Gromaca -Mauern ist hier nur noch ein vages Bild geblieben, eine Oberfläche, die ebenso auf die Nahtstruktur von Bällen wie auf die Haut von Reptilien anspielt. In der Praxis des nassen ersten Sommers hat sich die Oberfläche jedoch als pflegeleicht erwiesen. Besonders rutschig wurde es nicht, nur Pfützen gab es stellenweise, und es kam im Platzbereich zu unansehnlichem Algenwuchs. Dem will der Bauherr nun mit einer chemischen Beschichtung entgegenwirken, denn eine Reinigung, etwa mit Dampfdruck, könnte Schäden insbesondere an den hinterlüfteten und den silikonverfugten Konstruktionen anrichten.

Weiterer Kritikpunkt: In den kleinen Räumen am Platz wird es stellenweise zu heiß – das gewünschte Bild der abstrakten »Faltungen« ließ die Planer hier mit Öffnungen geizen. So hält man es in der sinnvoll eingerichteten, aber fensterlosen Bibliothek unter schwarzer Decke sommers nur mit Klimaanlage aus. Der »Anker« der Anlage, die Sporthalle, ist eine Welt für sich. Den internationalen Standards folgend, wendet sich die Arena mit ihren 2 380 Sitzplätzen vom Außenraum ab. Rijeka hat derzeit kein Spitzenteam zu bieten, so kooperiert man im Alltagsbetrieb mit der benachbarten Schule, die den Hallenraum – bei eingefahrener Tribüne – zweigeteilt nutzen kann. Auch als Konzertsaal oder für Konferenzen taugt der Raum. Holzfaserplatten an den Decken dämmen und dämpfen, Holzparkett sorgt im Kontrast zur kühlen Keramik draußen für eine warme Atmosphäre. Das im Hallensport gar nicht so erwünschte Tageslicht dringt nur indirekt über die Tribünen und einige Oberlichter in der gewaltigen Stahlstruktur herein (Spannweite 55 m). Die nach außen hin komplett verglaste Ostfassade ist innen völlig geschlossen – Landschaftslogik. Auch zum Platz hin im Westen mit seinem tagsüber recht regen Treiben gibt es erstaunlicherweise kaum Sichtkontakt, nur eine Lounge im Obergeschoss blickt hinaus Richtung Meer. Hätte hier, bei weniger kohärenter Gestaltung, ein offeneres Foyer nicht eine reizvolle »Bühne« im Stadtraum abgegeben, die auch die Funktion des »Gebirges« im Wortsinn durchschaubarer gemacht hätte?

Sportstätten sind inzwischen ein Schwerpunkt des Architekturbüros 3LHD. Unlängst erhielt es sogar den Auftrag für einige Hallen in Kanada. Das 1994, mitten im Balkan-Krieg, von Noch-Studenten in Zagreb gegründete Büro (3LHD bedeutet: drei Linkshänder) ist längst auch international erfolgreich. Tatsächlich war die Globalisierung im zunächst desolaten Land anfangs ihre einzige Chance zu überleben. Doch der Erfolg stellte sich dann auch daheim rasch ein: Zweimal haben sie ihr Land bereits mit originellen Expo-Pavillons repräsentiert. Für Rijeka entwarfen sie den symbolträchtigen Steg zur Erinnerung an den Jugoslawien-Krieg (wie beim Zamet Centar mit einer industriellen Oberfläche, die von weitem wie Stein wirkt), derzeit planen sie den neuen Busbahnhof, übrigens, wie das 20 Mio. Euro Projekt Zamet Centar ohne ein reguläres Wettbewerbsverfahren, wie es in der EU bei öffentlichen Aufträgen vorgeschrieben ist. Der Bauherr des Zamet Centar, Rijekasport Ltd., ist formell eine private Gesellschaft, jedoch eine hundertprozentige Tochter der Stadt. Die traditionsreiche Hafenstadt leidet sichtbar unter dem Niedergang ihrer maritimen Lebensgrundlagen und versucht, mit Investitionen in große Sportanlagen ein neues Image aufzubauen. Mit niveauvoller, innovativer Architektur hofft man selbstverständlich auch hier auf eine Art »Bilbao-Effekt«. Die Bewerbung um die Mittelmeerspiele blieb indes schon mehrfach erfolglos. Wie ambivalent sich die Globalisierung auswirkt, wird auch im Œuvre des Büros deutlich: Offensichtlich folgen die vier Architekten mit ihren inzwischen 30 Mitarbeitern internationalen Trends – im Fall des Zamet Centar gibt es etwa eine formale Verwandtschaft mit Peter Eisenmans City of Culture in Galicia. Konzeptionell stark und reflektiert bringen sie damit frischen Wind in die lange Zeit ziemlich abgeschottete Architekturszene ihrer Heimat, sie riskieren aber auch, den Blick für das beträchtliche kulturelle »Kapital« ihrer Region aus den Augen zu verlieren. Wie das Zamet Centar zeigt, kann diese Gratwanderung allerdings durchaus gelingen. Trotz der genannten Schwächen ist ihnen ein zeitgeistiger, doch eigenständiger Beitrag gelungen, der bereits rund um den Globus Beachtung fand. Nicht zuletzt aber ist das lebendige kleine Zentrum ein Gewinn für die unmittelbare Nachbarschaft.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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