Zeitschrift

TEC21 2011|05-06
Energien bilanzieren
TEC21 2011|05-06
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Mehrkosten von Minergie-P

Zu den Mehrkosten von Minergie-P-Häusern gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz quantifiziert nun diese zusätzlichen – stark schwankenden – Kosten: Zwischen 11 % und 14 % kostet ein Minergie-P-Haus demnach mehr als ein nach den geltenden Vorschriften realisiertes Haus.

28. Januar 2011 - Armin Binz
Mehr als 500 Gebäude tragen mittlerweile das Label Minergie-P. Mit der wachsenden Erfahrung mit dieser Bauweise werden die Angaben zu den Mehrkosten verlässlicher und klarer. Bisher reichten sie von doppelten Kosten bis zu Minderkosten, weil auf eine konventionelle Heizung verzichtet werden kann. Eine neue Studie1 quantifiziert die Mehrkosten. Als Basis dient ein klassisches Verfahren: Die Baukostenabrechnungen von zwei bestehenden Minergie-P-Gebäuden wurden analysiert. Daraufhin wurden sie fiktiv zu knapp energiegesetzkonformen Gebäuden «zurückentwickelt» und dann die Kosten erneut kalkuliert. Dieser Ansatz liefert eindeutige Zahlen.

Kostenunterschiede: EFH und MFH im Vergleich

Es wurden ein Mehrfamilienhaus und ein Einfamilienhaus untersucht. Der Heizwärmebedarf liegt beim MFH bei rund 10 kWh/m2a und beim EFH bei rund 14 kWh/m2a. Es wurden bewusst zwei bezüglich Kostenvoraussetzungen weit auseinanderliegende Gebäude gewählt: einerseits ein kompaktes, einfaches Mehrfamilienhaus und andererseits ein Einfamilienhaus an schwieriger Hanglage. Die Untersuchungen zeigen, dass die Kostenunterschiede infolge Minergie-P-Standard viel kleiner sind als die Kostenunterschiede, die durch andere Faktoren bestimmt sind.

Das Mehrfamilienhaus (Abb. 4) steht in Münchwilen AG und umfasst 16 Wohnungen mit einer gesamten Energiebezugsfläche von 2062 m². Es wurde in Massivbauweise (Backstein respektive Beton) errichtet und mit einer verputzten Aussendämmung versehen. Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt durch eine zentrale Holzpelletfeuerung. Sonnenkollektoren ergänzen die Warmwassererwärmung. Das Einfamilienhaus (Abb. 3) hingegen steht an relativ steiler Hanglage in Gelterkinden BL. Das Gebäude wurde in gemischter Bauweise erstellt: Tragkonstruktion und aussteifende Treppen aus Ortbeton (innen zumeist als Sichtbeton), Gebäudehülle aus vorfabrizierten, hochwärmegedämmten Holzelementen. Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt über eine Luft-Luft- Wärmepumpe, unterstützt durch eine Holzfeuerung, thermische Solarenergie für das Warmwasser und in geringem Ausmass elektrische Direktwärme. Die Erhöhung der Baukosten bzw. die Mehrkosten in Prozent der Basiskosten und in Franken pro Quadratmeter Energiebezugsfläche (EBF) sind gemäss Elementkostengliederung (EKG/CRB) ermittelt. Bei beiden Gebäuden wurde dabei für die Wärmeerzeugung eine Ölheizung inklusive Öltank und Kamin eingerechnet.

Methodische Knacknüsse

Die beiden Gebäudevarianten sind eigentlich nur noch bedingt miteinander vergleichbar, weil durch die fiktive Rückentwicklung aus einem Qualitätsprodukt ein Billighaus gemacht wird: So fehlen die Komfortlüftung mit Feinstaub- und Pollenfilter, die Motorisierung der Storen – die beim Minergie-P-Gebäude die Wärmebrücken der Kurbeldurchstiche verhindert – und auch die Hochleistungsverglasungen, die bei den heute üblichen grossen Fensterformaten im Wohnbereich von Minergie-P-Gebäuden ein behagliches Sitzen in Fensternähe ermöglichen. So betrachtet ist die Frage der Rentabilität der Minergie-P-Bauweise ein Kuriosum. Bei anderen Qualitätsunterschieden, wie bei Einbauten oder den gewählten Materialien, entsteht dieser Anspruch gar nie. Erst die Tatsache, dass die Minergie-P-Bauweise nicht nur eine höhere Wohn- und Bauqualität liefert, sondern auch noch Energie spart (und der Entscheid oft deswegen gefällt wird), lässt die Berechnung von betriebswirtschaftlichen Grössen überhaupt zu, und entsprechende Ansprüche an die «Rentabilität» entstehen.

Im Rahmen einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung müssen neben den reinen Investitionsmehrkosten noch zwei weitere Effekte berücksichtigt werden: die Heizenergiekosten und die Ausnützungsziffer und Nutzfläche. Für die Berechnungen wurden bezüglich der Heizenergiekosten konservative Annahmen getroffen (Heizöl 10 Rp/kWh, Holzpellets 7.2 Rp/kWh, Elektrizität 20 Rp/kWh, ohne weitere Teuerung) und der Barwert der Energiekosteneinsparung über 25 Jahre berechnet.

Bei der Betrachtung des Einflusses der dickeren Aussenwände von Minergie-P-Gebäuden auf die Nutzfläche bzw. den Mietertrag sind zwei Fälle zu unterscheiden: Es gibt Bauordnungen, bei denen die Ausnützungs- oder Bauziffer unabhängig von der Wandstärke aufgrund der Gebäudeaussenmasse berechnet wird. In diesen Fällen geht die zusätzliche Wandstärke der Minergie-P-Gebäude voll zulasten der Nutzfläche (nachfolgend AZ1 genannt). Um diesen Verlust an Mietertrag aufgrund der besseren Wärmedämmung zu kompensieren, rechnen viele Gemeinden die zusätzliche Wärmedämmung nicht mehr zur Ausnützungsziffer (nachfolgend AZ2 genannt). In diesen Fällen bleiben die Nutzfläche bzw. der Mietertrag auch bei der Minergie-P-Bauweise unverändert, während die Aussenmasse etwas grösser werden.

Definition der Ausnützungsziffer bestimmt Resultate mit

Bei der Mehrkostenanalyse zum MFH fällt auf, dass für den Fall AZ1 (äusserer Gebäudegrundriss bleibt erhalten, Nutzflächenverlust) die Konstruktion des Minergie-P-Gebäudes geringfügig billiger ist (Elemente D, siehe Tabelle 1). Da die zusätzliche Wärmedämmung voll zulasten der Nutzfläche geht, muss effektiv weniger umbauter Raum erstellt werden als beim Gebäude nach SIA 380/1:2009. Die Einsparungen durch weniger umbauten Raum sind für D um 0.1 % grösser als die Mehrkosten durch Minergie-P-Tauglichkeit.

Obwohl auch beim EFH in Gelterkinden im Fall AZ1 das Gleiche zutrifft wie beim MFH in Münchwilen, gibt es keine Einsparungen. Die Konstruktion der Bodenplatte muss aufgrund der Topografie und der Minergie-P-Vorgaben angepasst werden und generiert netto Mehrkosten von 1.3 % (Verbesserung einer SIA 380/1:2009-konformen Wärmebrücke). Allerdings wird beim Objekt in Gelterkinden die Konstruktion des Minergie-P-Gebäudes etwas billiger (Element M). Hier liegen die Einsparungen bei 0.2 % aufgrund der für den Fall AZ1 angenommenen kleineren Nutzfläche.

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Berechnung der Ausnützungsziffer sind in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt. Abbildung 5 zeigt die prozentualen Mehrkosten der Minergie- P-Bauweise, Abbildung 6 die absoluten Kostenbeträge pro Quadratmeter EBF. Die prozentualen Unterschiede sind natürlich abhängig von den Gesamtkosten. Das bedeutet, dass die prozentualen Mehrkosten umso geringer ausfallen, je höher der Standard des konventionellen Gebäudes nach SIA 380/1 ist. Die Mehrkostenaussage pro m2 EBF ist deshalb realer.

Die Analyse zeigt, dass die zwei untersuchten Gebäude in Minergie-P-Bauweise zwischen 10.7 % und 13.8 % teurer sind (blaue Balken). Beim MFH in Münchwilen amortisieren die tieferen Energiekosten der Minergie-P-Bauweise (rot) über 25 Jahre betrachtet die höheren Baukosten (blau) um ca. einen Drittel (Fall AZ1) bzw. um ca. einen Viertel (Fall AZ2). Falls das Minergie-P-Gebäude ohne Wärmedämm-Bonus bei der Berechnung der Ausnützungsziffer (AZ1) erstellt werden muss, sinken die Mieterträge (als Barwert über 25 Jahre betrachtet) aufgrund der geringeren Nutzfläche. Konkret fielen die Mieterträge beim MFH Münchwilen um 4.7 % der Baukosten tiefer aus. Allerdings ist die Beurteilung des Ertragsausfalls nur aufgrund der Nutzflächendifferenz erst die halbe Wahrheit, denn im Fall AZ2 (konstante Nutzfläche) durch den Wärmedämm-Bonus wird das besser gedämmte Gebäude äusserlich grösser und damit auch teurer. So ist das äusserlich grössere Minergie-P-Gebäude mit konstanter Nutzfläche (AZ2) in Münchwilen 2.9 % teurer als das Minergie-P-Gebäude mit unverändertem Aussenvolumen (AZ1). Das heisst mit anderen Worten, dass das MFH Münchwilen nach AZ1 bei Berücksichtigung der Mietausfälle effektiv nur 1.8 % teurer ist als im Fall AZ2, da rund zwei Drittel des Mietzinsverlusts im Fall AZ1 durch die geringeren Baukosten kompensiert werden.

Hohe Planungskompetenz reduziert Mehrkosten

Ein Minergie-P-Gebäude braucht nicht unbedingt einen höheren Planungsaufwand, jedoch eine höhere Planungskompetenz. Fest steht, dass Mehrkosten und Planungskompetenz indirekt proportional sind: je höher die Planungskompetenz, desto niedriger die (Minergie-Pbedingten) Mehrkosten. In der Umkehrung führt das dazu, dass Minergie-P-Anforderungen gerne als Sündenbock für mangelnde Kompetenz herbeigezogen werden. Die Studie unterzieht die Minergie-P-Bauweise einem Härtetest. Die Zahlen zeigen, dass der Anspruch, längerfristig Minergie-P-Qualität mit den Energiekosteneinsparungen zu finanzieren, keine Utopie ist – zumindest dann, wenn die (bei dichten Gebäuden ohnehin notwendige) Komfortlüftung als selbstverständlich betrachtet wird.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: