Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 03|2011
Bauen für Tiere
db deutsche bauzeitung 03|2011

Tierheim in Amsterdam

Tierchen sucht Herrchen

Das größte Tierheim der Niederlande steht knallgrün und kurvig am Stadtrand von Amsterdam. Von außen betrachtet wirft es die Frage auf, ob ein derartiges Gebäude zu schön für seine Funktion sein kann. Von innen ist es nüchtern und funktional und überrascht mit einer ungewöhnlichen, doch gelungenen Grundrissorganisation.

2. März 2011 - Anneke Bokern
Tierheime sind Stiefkinder der Architektur. Bei ihrer Gestaltung stehen meist finanzielle und funktionale Erwägungen im Vordergrund. Obendrein scheint das ungeschriebene Gesetz zu gelten, dass ihr Erscheinungsbild, entsprechend der etwas unerquicklichen Funktion, möglichst zurückhaltend sein sollte. Eine der wenigen Ausnahmen auf weiter Flur war lange die 2001 fertiggestellte »Stadt der Tiere« in Berlin von Dietrich Bangert, die aufgrund ihrer Sichtbeton-Coolness sogar als Filmset gefragt ist. So weit hat es das 2008 eröffnete Tierheim in Amsterdam von den Architekten Arons & Gelauff zwar noch nicht gebracht, aber auch dieser Bau sprengt die Konventionen seiner Gattung. Elegant schmiegt sich das Gebäude mit grün schimmernder Pixel- fassade an eine Durchgangsstraße im äußersten Westen Amsterdams.

Mit Raum für 180 Hunde und 480 Katzen ist das als private Stiftung geführte »Dierenopvangcentrum Amsterdam« das größte Tierheim der Niederlande. Daneben beherbergt der Neubau auch eine Tierpension mit dem klangvollen Namen »Pet & Breakfast«, einen Hundefriseursalon und eine Tierarztpraxis. Hervorgegangen ist das Tierheim aus der Fusion zweier kleinerer Tierasyle, von denen eins bis 2004 in einem zu kleinen und veralteten Vorgängerbau am heutigen Standort untergebracht war. Wie leider oft bei Tierheimen, handelte es sich bei diesem Standort um ein eher unglücklich zugeschnittenes Restgrundstück an der Peripherie: In einem Gewerbegebiet nahe der westlichen Stadtgrenze von Amsterdam gelegen, hat es die Form eines langgestreckten unregelmäßigen Dreiecks, das von einem kleinen Kanal und einem Deich begrenzt wird. Für ein Tierheim nach dem gängigen Kammmodell – mit einem langen Gang, an den auf beiden Seiten Zwinger und Käfige anschließen –, eignete es sich deshalb nicht.

Weniger Gefängnisatmosphäre

Aber genau dieses Modell wollten die Architekten, die vom Bauherrn direkt beauftragt wurden und bislang keine Erfahrungen mit Bauten für Tiere hatten, ohnehin umgehen, da es ihrer Meinung nach zuviel Gefängnisatmosphäre ausstrahlt. Sie drapierten das Gebäude als langes, schmales Band auf dem Grundstück; der Bau ist an manchen Stellen nur 6 m tief. Das neue Tierheim zeichnet die Grundstücksgrenze nach und umschließt zwei Innenhöfe, die als Spielflächen für die Hunde dienen. Durch das Verlegen der Baumasse an den Grundstücksrand entstanden 2 700 m² Spielfläche, umgeben von ausschließlich nach innen orientierten Zwinger- und Käfigtrakten, die gleichzeitig als Lärmschutzwand dienen. Denn obwohl die nächsten Wohnbauten in mehr als 200 m Entfernung liegen, stand Lärmschutz bei der Planung ganz oben auf der Prioritätenliste. Auf das EG mit den Hundezwingern wurde deshalb zusätzlich als Puffer ein OG gesetzt, in dem die Katzen untergebracht sind – womit die Tiere trotz ihrer räumlichen Nähe zueinander laut Aussage der Mitarbeiter erstaunlicherweise keinerlei Probleme haben.

Zwischen den beiden Höfen befindet sich an einem kleinen Platz das Eingangsgebäude mit einem lichten, doppelgeschossigen Foyer, an das im EG Rezeption, Tierarztpraxis, Lager- und Technikräume und im OG Vortragssaal, Konferenzraum, Büros, Personalraum und eine Dienstwohnung grenzen.

Aussen hui, innen anders

Nach außen präsentiert sich das Gebäude als weitgehend geschlossenes, mäanderndes grünes Band, das wie eine Burg von einem kleinen Wassergraben umgeben ist. Als Fassadenmaterial dienen verzinkte Stahlpaneele mit einer Pulverbeschichtung in zwölf verschiedenen Grüntönen. Damit wurde einerseits der Wunsch der Gemeinde nach einem Gebäude »mit grünem Charakter« mehr als wörtlich erfüllt und andererseits ein Bezug zum Gras auf dem Deich hinter dem Tierheim hergestellt. Wichtiger scheint jedoch, dass das Aussehen des Baus dank der farbenfrohen Fassade von der gängigen Vorstellung vom Tierheim als deprimierendem »Tierknast« meilenweit entfernt ist. Allzu lang müssen die meisten Tiere sowieso nicht im Tierheim ausharren, da die Durchlaufzeiten in Amsterdam recht kurz sind. Im Schnitt halten Hunde sich nur etwa einen Monat und Katzen eineinhalb Monate im Dierenopvangcentrum auf, ehe sie ein neues Herrchen oder Frauchen finden. Neuartig für die Niederlande ist, dass auch die Katzen, deren Käfige nur 60 x 60 cm groß sind, freien Zugang zu einem Gruppenzwinger für je 20 Artgenossen haben. Die Hunde sind in 3,60 m² großen Zwingern untergebracht. Das ist sogar etwas größer, als es das Gesetz verlangt, denn die minimalen Zwingergrößen liegen in den Niederlanden je nach Schulterhöhe des Hundes (bis zu 30 cm, 30-50 cm oder größer 50 cm), zwischen 2 und 3 m².

Das Gebäude wurde als Mischkonstruktion aus Betonfertigteilen und Kalksandstein-Mauerwerk errichtet. Da die Hundekäfige täglich mit einer Hochdruckspritze gereinigt werden, musste das EG aus Beton bestehen. Der darüber gelegene Katzenbereich wird dagegen nur konventionell mit Wasser gesäubert und konnte aus Kalksandstein mit einer schmutzabweisenden Epoxidharz-Dispersion errichtet werden.

Allerdings hält das Tierheim im Innern nicht ganz, was seine saftig grüne Fassade außen verspricht. Aufgrund von Budgetkürzungen sind die Innenhöfe mit den 17 Hundespielplätzen, trotz lustiger Hundeknochen-Bänke, recht karg geraten. Das finden auch die Architekten, die die Atmosphäre in den Höfen als »klinisch« bezeichnen. Ursprünglich hatten sie andere Pläne: Während nun schlichte weiße Faser- zementplatten als Bekleidung der Innenfassaden dienen, sollten dort eigentlich vertikale Paneele in verschiedenen Rosé-, Rot- und Brauntönen angebracht werden, die es hinsichtlich Farbwirkung und Knalleffekt mit der Außenfassade hätten aufnehmen können. Stattdessen wirken die blasse Innen- und die saftige Außenseite des Tierheims nun merkwürdig inkongruent. Dass obendrein die Maschendrahtzäune zwischen den Spielplätzen im Nachhinein mit grau- weißen Sichtschutzschirmen aus Kunststoff geschlossen werden mussten, weil die Hunde sich in Kläffkonzerte steigerten, wenn sie Artgenossen auf den benachbarten Spielplätzen sahen, trägt auch nicht gerade zur Raumwirkung bei.

Ein Hilton für Hunde?

Dafür ist es den Architekten gelungen, die aufwendigen Klimainstallationen, die ein Tierheim erfordert, zu verbergen. Hunde- und Katzenkäfige haben eine Fußbodenheizung und werden mechanisch ventiliert. Um die Ausbreitung von Krankheitskeimen über das Belüftungssystem zu verhindern, gibt es für je zehn Käfige eine separate Ventilationsanlage, so dass auf dem Dach des Tierheims eine ganze Batterie dieser Installationen steht, zu der sich auch noch die Klima-anlage für die restlichen Bereiche des Tierheims gesellt. Von außen sieht man das jedoch nicht, weil die Fassade ein Stück über das Dach hinausragt.

Was den Bau, den Arons & Gelauff gerne als »Hilton für Hunde« bezeichnen, zu einer Ausnahmeerscheinung unter den Tierheimen macht, ist neben seiner ungewöhnlichen räumlichen Organisation v. a. der Mut zur Auffälligkeit. Eine Mitarbeiterin findet ihn sogar zu schön für seinen bescheidenen Zweck: Sie berichtet, dass manch ein Lieferant seine Preise erhöht, wenn er den schicken Neubau sieht.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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