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TEC21 2011|13
Kraftwerk Rheinfelden
TEC21 2011|13
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Potenzial besser nutzen

Das neue Wasserkraftwerk in Rheinfelden wird im September 2011 offiziell eingeweiht. Es besteht im Wesentlichen aus einem Maschinenhaus am linken Ufer und einem quer zum Fluss errichteten Stauwehr auf der gleichen Achse. Die Anlage erzeugt bei Vollauslastung dreimal so viel Energie wie das alte Kraftwerk. Technische, logistische und ökologische Herausforderungen begleiteten die Planung und den Bau des deutsch-schweizerischen Projekts.

25. März 2011 - Daniela Dietsche
Das Wasserkraftwerk Rheinfelden liegt am Hochrhein an der Grenze zwischen dem Kanton Aargau und Baden-Württemberg. Im Jahr 1988 lief die Konzession für das erste Kraftwerk am Rhein ab (vgl. «Das erste Werk am Rhein», S. 18). Daraufhin erteilten der schweizerische Bundesrat und das Regierungspräsidium Freiburg eine Konzession für weitere 80 Jahre. Diese erlaubte, das alte Kraftwerk zunächst weiterzubetreiben. Parallel dazu sollte jedoch eine neue Anlage gebaut werden, um die Nutzung der regenerativen Energien zu intensivieren und die Energieproduktion zu erhöhen. In der Konzession wurde festgelegt, dass die turbinierte Wassermenge von 600 m³/s auf 1500 m³/s vergrössert und die Jahresproduktion von 185 Mio. kWh auf 600 Mio. kWh erhöht wird. Dafür wurde die Vergrösserung des nutzbaren Gefälles durch einen Höherstau im Oberwasser und eine Eintiefung im Unterwasser gestattet.

Verändertes Landschaftsbild in der Rheinsohle

Da sich ein Neubau unweigerlich auf Natur und Landschaft auswirkt, wurde für das Neubauprojekt in Rheinfelden eine zweistufige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach Schweizer Gesetz angewendet. In Deutschland gab es 1985 dazu noch keine Gesetzgebung. Im Rahmen dieser UVP wurden Auswirkungen des Vorhabens im Detail untersucht, und als wichtigste ökologische Auflage wurde festgelegt, dass mindestens die Hälfte der Gwildfläche biologisch funktionsfähig erhalten bleiben muss. Das sogenannte Gwild ist eine der charakteristischen felsigen Stromschnellen des Hochrheins. Bei Niedrigwasser nutzten unter anderem Zugvögel dieses Gebiet zum Übernachten. Durch die Ausbaggerung der Rheinsohle für die Eintiefungsrinne im Unterwasser gingen rund 46 % des landschaftsprägenden Gwilds verloren. Um diesen Eingriff zu kompensieren, wurden 65 Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen erarbeitet. Die zentrale Massnahme ist das Aufstiegs- und Laichgewässer, das derzeit im ehemaligen Oberwasserkanal erstellt wird (vgl. «Raum für Nase und Co.», S. 28). Das Umgehungsgewässer wurde mithilfe von Modellversuchen gestaltet. Dabei wurde festgestellt, dass aufgrund des benötigten Gefälles das alte Maschinenhaus weichen muss. Beim Planfeststellungsverfahren in den 1990er-Jahren musste man daher zwischen Denkmalschutz und Ökologie abwägen. Überlegungen, das bestehende Gebäude zu erhalten und beispielsweise den Fluss durch die ehemaligen Turbinenkammern zu führen, wurden aufgrund der schlechten Bausubstanz und der hohen Kosten nicht weiterverfolgt. Die Abbrucharbeiten haben inzwischen begonnen. Die alte Anlage wird bis Juni 2011 rückgebaut.

Hydraulik als zentrales Planungsinstrument

Um das geplante Kraftwerk hydraulisch zu prüfen und zu optimieren, wurden von 1992 bis 1994 an der Universität Karlsruhe Modellversuche durchgeführt. Wichtige Randbedingung war, dass die bestehende Anlage so lange Strom liefert, bis zwei der neuen Turbinen in Betrieb sind. Das bestehende Kraftwerk wurde daher in das Modell eingebaut. Vorgängige langjährige Wasserspiegelmessungen halfen, das Modell zu eichen. Die Versuche bestätigten, dass der Standort für die neue Kraftwerksanlage in Bezug auf die Hydraulik optimal gelegt wurde (Abb. 2). Gemäss Konzession musste das Oberwasser um 1.40 m erhöht werden.

Diese Stauerhöhung erfolgte im Oktober 2010, womit ein maximales Gefälle von 9 m erreicht wurde. Viele Optimierungsuntersuchungen mussten für die Anströmung des Maschinenhauses, die Strömungsverhältnisse in den Turbinenkammern und deren Geometrie durchgeführt werden.

Eine weitere Untersuchung im Modell war der Nachweis der Stauwehrkapazität auf der Grundlage, dass ein Hochwasser von 5400 m³/s abgeführt werden kann. Es zeigte sich, dass ein Stauwehr mit sieben Stauwehrfeldern und einer Breite von 200 m diese Anforderung erfüllen kann. Das Stauwehr liegt auf der gleichen Achse wie das Maschinenhaus und wurde quer zum Fluss errichtet. Drei der Wehrschütze wurden zur Feinregulierung mit Klappen versehen. Im Anschluss an das Maschinenhaus beginnt im Unterwasser eine 100 m breite und 1800 m lange Abflussrinne, in der das turbinierte Wasser abgeführt wird. Sie ist zu Beginn rund 10 m tief und geht dann zurück auf 3 bis 4 m. Die optimale Abströmung und die Dimensionierung der Eintiefung ergaben sich ebenfalls aus Modellversuchen. Durch diese Eintiefung wird der mittlere Wasserspiegel unterhalb des Kraftwerks, im Bereich des Gwilds, um etwa 50 cm gegenüber dem ursprünglichen Mittelwasserstand abgesenkt. Dies führt dazu, dass Teile des heutigen Flussgrunds sichtbar werden und die Funktion der Stromschnellen übernehmen. Ein Dotierablass (mit Turbine) im Trennpfeiler zwischen Maschinenhaus und Wehr hat die Aufgabe, die verbleibende Gwildfläche mit der in der Konzession vorgeschriebenen Restwassermenge von 30 m³/s zu bewässern.

Etappierte Bauweise

Da für den Bau der Anlage die Ableitbarkeit eines Bauhochwassers von 4000 m³/s nachgewiesen werden musste, war eine etappierte Bauweise nötig. Man untersuchte am Modell verschiedene Varianten, um Grösse, Form und Anzahl der Baugruben festzulegen. Als beste Lösung stellte sich eine Ausführung in drei Abschnitten heraus (Abb. 3). Sie engte den Flussquerschnitt so wenig wie möglich ein. Zunächst wurden die Stauwehrfelder 5 bis 7 und im Anschluss die Stauwehrfelder 2 bis 4 erstellt, in einer dritten Phase das Maschinenhaus, das Stauwehrfeld 1 und die Eintiefung. Um die Baumassnahmen in einem trockenen Zustand ausführen zu können, musste jeweils eine Baugrubenumschliessung im Rheinbett erstellt werden. Des Weiteren musste rund um die Baugrube ein Dichtungsschleier im Flussbett hergestellt werden, sodass möglichst kein Wasser eindringen konnte. Der Aushub erfolgte mittels Lockerungssprengungen. Das Fundament für die Baugrubenumschliessung bildete eine überschnittene Bohrpfahlwand mit einem Durchmesser von 900 mm, die 10 m tief in die Felssohle eingebracht wurde. Auf dem Fundament wurden die Stahlwände der Spundwand aufgestellt und verankert. Anschliessend wurden die Baugruben trockengelegt und nach den Arbeiten wieder geflutet.

Der Untergrund am Projektstandort besteht aus Muschelkalk, gefolgt von Dolomitfels mit anschliessendem Anhydritbereich. Trotz vielen geologischen Erkundungen stiess man in der zweiten Baugrube auf einen 8 m tiefen Hohlraum, der eine Breite von 23 m aufwies. Um einen Grundbruch zu verhindern, wurde er mit einer bewehrten überschnittenen Bohrpfahlwand gesichert.

Überflutete Keller

Aufgrund der geologischen Eigenschaften des Muschelkalkfelses kommuniziert das Grundwasser direkt mit dem Rheinwasserspiegel, was mit Grundwassermodellrechnungen nachgewiesen wurde (vgl. Kasten S. 25). Von der veränderten Grundwassersituation und dem Höherstau war vor allem das dicht am Rhein stehende Schloss Beuggen auf der deutschen Seite betroffen, was aufwendige Sicherungsmassnahmen erforderte. So wurden die gefährdeten Gebäude mit einem Horizontaldichtungsschleier im Mauerwerk gesichert, eine äussere und innere Abdichtung aufgebracht und die Keller aufgefüllt. Das gleiche Verfahren wurde bei einzelnen Gebäuden der flussabwärts stehenden Industrieanlagen angewandt. Des Weiteren mussten Fischereianlagen wie Galgenbären, Buhnen und Fischerhütten dem neuen Stauspiegel angepasst werden.

Technik unter Wass er

Damit die Sicht auf den Rhein nicht gestört wird, wurde in der Baugenehmigung eine flache Bauweise der Kraftwerksanlage verlangt. Das Maschinenhaus ragt daher nur 2 m über die Wasseroberfläche. Lediglich das Empfangsgebäude steht sichtbar in der Landschaft. Für die Betonarbeiten des Maschinenhauses war eine präzise Vermessung wichtig. Die Abweichung der Parallelität der Wände in den Turbinenschächten darf lediglich 2 mm betragen, damit die Turbinen präzise eingebaut werden und arbeiten können.

Von der Leitzentrale aus wird das Kraftwerk elektronisch überwacht und gesteuert. Personal wird nur noch für Inspektion und Wartung eingesetzt. Treten Netzteilstörungen auf oder fehlt Wasser, reagieren die technischen Anlagen selbstständig. An beiden Ufern liefern Pegelmessungen Informationen, um die Turbinen und das Stauwehr zu steuern. Seit Beginn des Jahres arbeiten die vier Rohrturbinen, auch Horizontalturbinen genannt, unter der Wasseroberfläche, von aussen unsichtbar. Sie leisten bei Vollauslastung 100 MW. Dies wird nach statistischen Auswertungen an etwa 50 Tagen des Jahres der Fall sein. Reicht das Wasser im Rhein nicht aus, wird die Leistung der Turbinen gedrosselt oder werden einzelne zeitweise abgeschaltet. In einem Störfall können die Turbinen (drehende Teile, ca. 230 t) innerhalb von 9.4 Sekunden abgeschaltet werden. Der produzierte Strom wird je zur Hälfte in das Schweizer bzw. das deutsche Netz eingespeist.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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