Zeitschrift

TEC21 2011|33-34
Wankdorfplatz Bern
TEC21 2011|33-34
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Verkehr entflechten

Der Wankdorfplatz in Bern wird schon bald den verkehrlichen Anforderungen nicht mehr genügen, da sich das umliegende Stadtgebiet rasant entwickelt. In einem Wettbewerb setzte sich 2001 die Idee der Planergemeinschaft BE3 für einen unterirdischen Kreisel durch. Im August 2009 begannen die Arbeiten zur Umgestaltung des Platzes. Während der Bauzeit muss der Verkehr möglichst störungsfrei fliessen, ab 2012 soll er auf zwei Ebenen über den Wankdorfplatz geführt werden.

12. August 2011 - Franz Bamert, Alain Kuttner
Der Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf im Norden der Stadt Bern ist einer der dynamischsten Wirtschaftsstandorte im Kanton. Im Raum Wankdorf arbeiten heute ca. 20 000 Menschen, bis 2020 sollen weitere 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze hinzukommen. Die bestehende Infrastruktur wird der steigenden Nachfrage nicht mehr gewachsen sein. Der Wankdorfplatz wird in Zukunft also mehr Verkehr bewältigen müssen, gleichzeitig soll er auch als Identifikationspunkt für das Gebiet dienen. Beide Zielsetzungen sind grosse Herausforderungen für Verkehrsplanung und Städtebau. Die Zusammenarbeit dieser beiden Fachgebiete wurde deshalb schon im Programm zu einem Ideenwettbewerb 2001 gefordert. Eine Jury aus Vertreterinnen und Vertretern von Stadt und Kanton und eine international besetzte Fachjury wählte aus 23 eingereichten Vorschlägen vier verschiedene Projektansätze aus.

Diese wurden im Rahmen eines begleiteten Studienauftrags vertieft. Es zeigte sich, dass nur der Lösungsansatz der Planergemeinschaft BE3, bestehend aus Verkehrs- und Städteplanern Emch Berger Ingenieure, 3B Architekten und Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten, den Anforderungen von öffentlichem Verkehr, Langsam- und Autoverkehr genügte: Der Verkehr sollte auf zwei Ebenen abgewickelt werden.

Der Wankdorfplatz erhält ein neues Gesicht

Auf Stadtniveau werden künftig Fussgänger, Velofahrende, der öffentliche Verkehr und der Geradeausverkehr geführt. Die Abbiegebeziehungen des motorisierten Individualverkehrs sind im zweispurigen Kreisel 7 m unter der Erdoberfläche organisiert. Dadurch entstehen auf dem Wankdorfplatz die notwendigen Freiräume für den öffentlichen und den Langsamverkehr, sodass der Platz auf eine Strassenkreuzung mit innerstädtischen Abmessungen redimensioniert werden kann. Die Baumreihen der Papiermühleallee, die historisch keinen Unterbruch hatten, werden ergänzt, über den Platz hinweggeführt und somit wieder erlebbar. Auf der Stadtebene dominiert der quadratische Platz. In den Ecken wird er begrenzt durch mächtige Pylone, an denen ein Seiltragwerk aufgehängt ist, das ihn überspannt. Daran ist die indirekte Beleuchtung befestigt. Die Tramfahrleitungen, die ebenfalls über den Platz führen, werden allerdings auf einer eigenen Ebene montiert, da sie vertikale Bewegungen zulassen, die bei der Beleuchtung nicht gewünscht sind. Die Rampen und Lichteinfallöffnungen für den Kreisel sind als ausgeschnittene Formstücke in der Ebene wahrnehmbar. Drei Brüstungen je Seite begrenzen den Platz und schützen die Übergänge für die Fussgänger.

Zwischen den Alleebäumen senkt sich die Rampe ins Erdreich. Der Verkehrsraum unter dem Platz besteht aus einem Kreisel mit einem Durchmesser von 40 m. Die raue Struktur der Wände der Ein- und Ausfahrten soll an ausgehobenes Erdreich erinnern; sie wird mittels Matrizen mit Felsstruktur hergestellt, die in die Schalung eingelegt werden. Der darüberliegende Lampenschlitz beleuchtet die Wände blau. Im Zentrum steht ein schalungsglatter und weiss gestrichener Kegel aus Stahlbeton, der einen grossen Teil der Last aus der Konstruktion trägt (vgl. «Kegel, Kreuz und Druckring», S. 32). Er wird durch Aussparungen in der Decke natürlich beleuchtet. Die Grundhelligkeit im Kreisel stellt eine künstliche Beleuchtung sicher.

Der Verkehr fliesst weiter

Der Wankdorfplatz ist Teil eines grösseren Verkehrssystems. Zum Projekt gehören neben der Neugestaltung des Platzes mit dem unterirdischen Kreisel auch die Verlängerung der Tramlinie 9 vom Guisanplatz zur S-Bahn-Station Wankdorf sowie Brückenbauwerke in der Papiermühlestrasse Nord. Nachbarprojekte, die unter der Federführung des Astra gleichzeitig ausgeführt werden, sind der Umbau des Autobahnanschlusses Bern Wankdorf und die Gesamterneuerung der Stadttangente Bern.

Auf dem gesamten System soll während der Bauzeit der Verkehr weiter fliessen. Besonders die tägliche Verkehrsbelastung von über 65 000 Fahrzeugen auf dem Wankdorfplatz war eine herausfordernde Ausgangslage für die Planung und Abstimmung der Verkehrs- und Bauphasen. Zudem finden während des Baus diverse Grossanlässe mit Auswirkungen auf den Verkehr im Raum Wankdorfplatz statt, die es in die verkehrsplanerischen Überlegungen einzubeziehen galt. Die Verantwortlichen mussten die Verkehrs- und Bauphasen so planen, dass keine Umleitungsrouten durch Wohnquartiere entstehen und der anfallende Verkehr direkt vor Ort verarbeitet werden kann. Weiter forderte der Kanton Bern, die provisorischen Verkehrssituationen auf Kontinuität auszurichten – dies vor allem, um die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen. Wichtig war zudem, dass das Nordquartier direkt an das Basisverkehrsnetz angebunden ist und dass die Erschliessung der direkten Anstösser aufrechterhalten bleibt. Selbstverständlich sollen auch die Busse möglichst störungsfrei verkehren sowie Fussgänger und Velofahrende ihre Verbindungen sicher nutzen können.

In einem iterativen Prozess entwickelten die Fachplanenden aus den Bereichen Kunstbauten, Verkehrsplanung, Tiefbau und Gleisbau erste Skizzen von Verkehrs- und Bauphasen, die die Verkehrsplanenden anschliessend konkretisierten. Sie definierten vier Hauptverkehrsphasen (vgl. Kasten nebenan) mit drei Kernelementen der Verkehrsführung: die grossräumige Umleitung von Teilverkehren aus Richtung Bolligen und Ittigen sowie Worblaufen und Zollikofen in Richtung westliche Innenstadt auf den neuen Autobahnanschluss Neufeld; die lokale Umfahrung über die Wölflistrasse für den Ziel- und Durchgangsverkehr aus Richtung Nord; die Umfahrung der Baustelle und des Installationsplatzes im Kreisverkehr (Abb. 13).

Das Kernstück des Betriebskonzeptes für den Endzustand und die Bauphasen ist das Strassenviereck rund um die Grosse Allmend, in welchem die lokale Umfahrung und die Kernumfahrung aufgenommen werden. Hier muss der Verkehrsfluss jederzeit gewährleistet sein, denn wenn dieser im genannten Viereck gegeben ist, wird kein unerwünschter Ausweichverkehr in die Wohnquartiere entstehen (Abb. 1). Erreicht wird dies durch eine klare Strategie bezüglich der Zuflüsse beziehungsweise der Grünzeiten bei den Lichtsignalanlagen: Es soll nur so viel Verkehr in dieses System hineinfahren, wie dort verarbeitet werden kann. Die Autobahnausfahrten werden dabei priorisiert, damit kein Rückstau auf die Autobahnstammlinie entsteht. Anhand von Verkehrserhebungen wurde festgestellt, dass es während der Bauzeit bisher kaum Ausweichverkehr gab. Bereits vor dem Baubeginn entstand während der Grossanlässe wegen der Parkplatzsuchenden ein hoher Druck auf die Wohnquartiere.
Mit einer dynamischen Parkraumbewirtschaftung im Endzustand wird man dem entgegenwirken.

Betreiber und Nutzende informieren

Aufgrund der massiven Eingriffe in das Verkehrssystem im Gebiet Wankdorf wurden Betreiber und Nutzer der Infrastrukturen grundsätzlich vorab umfassend darüber informiert, was sie zu erwarten hatten. Beispielsweise informiert die Bauherrschaft jeweils schon parallel zu den Vorbereitungsarbeiten über die Verkehrsumstellungen. Durch diese Vorabinformation entschärften sich die Vorbehalte, und die für den Umbau erforderlichen Massnahmen wurden eher akzeptiert. Aufgrund der Komplexität des Projektes rief das Tiefbauamt des Kantons Bern eine «Task Force Verkehr» ins Leben, deren Aufgabe es ist, während der heiklen Zeitfenster für schnell zu treffende Entscheide bereitzustehen, dringende Massnahmen umzusetzen und den gesamten Arbeitsablauf fachlich zu begleiten. Grundlage für diese Massnahme war unter anderem die von den Verkehrsplanenden vor Beginn der ersten Phase durchgeführte Risikoanalyse für jede Hauptverkehrsphase.

Das künftige Betriebskonzept

Der Wankdorfplatz kann nicht räumlich oder fachlich isoliert betrachtet werden, sondern beinhaltet ein Gesamtpaket an Massnahmen, die verschiedenen Ansprüchen gerecht werden müssen und die Weiterentwicklung des Entwicklungsschwerpunktes Wankdorf erst ermöglichen. Es wird beispielsweise ein Modalsplit mit einem Anteil des motorisierten Verkehrs von nur 35 % am gesamten Verkehrsaufkommen anvisiert. Nur gemeinsam mit allen geplanten Ausbauvorhaben, wie dem Ausbau des Angebotes im öffentlichen Verkehr und des Langsamverkehrs, kann dies erreicht werden. So ermöglichen der Umbau des Autobahnanschlusses Bern Wankdorf und zusätzliche Busspuren, dass der öffentliche Verkehr künftig ohne grössere Behinderungen zirkulieren kann. Dadurch, dass nur der Geradeausverkehr auf dem Wankdorfplatz verkehrt, kann dieser mit einer 2- Phasen-Steuerung betrieben werden, was dank kurzen Wartezeiten an den Ampeln wiederum eine attraktive Ausgangslage für den Langsamverkehr sein wird.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: