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TEC21 2011|37
CO2 einlagern
TEC21 2011|37
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Geologische Speicherung von CO2 in der SChweiz

Will man in der Schweiz Gaskraftwerke mit «Carbon capture and storage»- Technologie bauen, um die Treibhausgasemissionen trotz Atomausstieg zu reduzieren, braucht es entsprechende Speichermöglichkeiten für CO2 im Untergrund. In einer Studie wurde daher untersucht, ob in der Schweiz geeignete geologische Strukturen zur sicheren Lagerung vorhanden sind. Parallel dazu werden sowohl in der Schweiz als auch international mögliche Risiken oder Nutzungskonflikte bei CO2-Lagern untersucht.

Bei der «Carbon capture and storage»-Technologie (CCS) wird das bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Erdöl oder Kohle produzierte Kohlendioxid (CO2) vom restlichen Abgas getrennt, bevor es in die Atmosphäre gelangt (vgl. Artikel S. 16). Das so gewonnene CO2 wird verflüssigt und kann unterirdisch in geeigneten geologischen Strukturen gelagert werden. Eine Herausforderung bildet hierbei vor allem die Menge, die bearbeitet werden muss. Ein einziges 400-MW-Gaskombikraftwerk stösst ungefähr 1 Mio. t CO2 pro Jahr aus, bei einem Kohlekraftwerk gleicher Kapazität ist es mehr als doppelt so viel.[1]

Welche geologischen Speicher gibt es?

Zur Speicherung bieten sich vor allem saline Aquifere an, also Gesteinsschichten mit mikroskopisch kleinen Poren, die mit Salzwasser gefüllt sind (Abb. 1). Um für die CO2-Speicherung infrage zu kommen, müssen sie über eine undurchlässige Deckschicht verfügen. In einer Tiefe ab 800 m ist der Umgebungsdruck des Gesteins hoch genug, damit das injizierte CO2 in flüssigem Zustand vorliegt und somit relativ wenig Volumen einnimmt. Der Injektionsdruck übersteigt denjenigen der Umgebung nur um wenige Bar, gerade so viel, dass das CO2 in den Porenraum der Gesteinsschicht eindringen kann, ohne diese zu beschädigen. Nach der Injektionsphase baut sich dieser Zusatzdruck mit der Zeit ab, indem er sich über den ganzen Aquifer verteilt. Dies funktioniert, da sich geeignete saline Aquifere im Normalfall über hunderte von Kilometern ausdehnen. Flüssiges CO2 ist leichter als Salzwasser und bewegt sich deshalb in Richtung der undurchlässigen Deckschicht, die das weitere Aufsteigen verhindert. Nebst dieser Deckschicht sorgen weitere physikalische und chemische Prozesse für die Dauerhaftigkeit der Speicherung:

1. Auf dem Weg Richtung Deckschicht bleiben winzige CO2-Tröpfchen unterhalb der engen Verbindungen einzelner Poren hängen und werden dadurch effektiv immobilisiert.

2. Sobald das eingeleitete CO2 mit dem Salzwasser in Kontakt kommt, löst es sich darin unter Bildung von Kohlensäure. Die Dichte dieser Lösung ist höher als diejenige des umliegenden, CO2-freien Salzwassers. Als Folge davon sinkt die Lösung zum Grund des salinen Aquifers, und die Gravitation sorgt nunmehr dafür, dass kein CO2 aufsteigen kann.

3. Die mineralogische Zusammensetzung der meisten infrage kommenden Speicherschichten ermöglicht ein Reagieren des kohlensäurehaltigen Salzwassers mit dem umgebenden Gestein zu Karbonaten (z. B. Kalk oder Dolomit). Die Bildung dieser Feststoffe geschieht nur sehr langsam, im Verlauf von Jahrhunderten, allerdings bleibt das CO2 in dieser Form über Jahrmillionen stabil gespeichert. Dank der Kombination der drei beschriebenen Speichermechanismen wird die Lagerung des Kohlendioxids mit der Zeit immer sicherer.

Alternativen zu salinen Aquiferen fi nden sich in Öl- und Gasfeldern, die ebenfalls über eine dichte Deckschicht verfügen, ohne die sich Öl oder Gas nicht hätten ansammeln können. Nach einiger Zeit der konventionellen Öl- oder Gasgewinnung sinkt der Druck in diesen Feldern, was zu einer verminderten Ausbeute führt. Durch gezielte Injektion von CO2 kann der Druck länger aufrechterhalten und die Ausbeute wieder erhöht werden. Dies wird als «Enhanced Oil Recovery» bzw. «Enhanced Gas Recovery» bezeichnet (Abb. 1). Auch in Kohlefl özen, die zu tief liegen, als dass sich der Abbau lohnen würde, kann CO2 gespeichert werden. Bei der Entstehung von Kohle wird auch Erdgas gebildet – im Kohlebergbau als Grubengas bekannt. Da Kohle eine poröse Struktur hat, wird dieses auf der grossen internen Oberfl äche angelagert. Die Förderung dieses Erdgases durch Bohrungen ist meist nicht besonders ergiebig, da der grösste Teil in den Poren adsorbiert bleibt. Durch die höhere Affi nität zur Kohlenoberfl äche kann injiziertes CO2 das Erdgas verdrängen, sodass es gefördert werden kann. Diese Technologie ist als «Enhanced Coal Bed Methane (ECBM) Recovery» bekannt (Abb. 1).

Internationales Potenzial von CCS

Die Internationale Energieagentur (IEA) legt in ihrem «Clean energy progress report» ein sogenanntes Blue Map Scenario vor[2], das zeigt, wie die weltweiten CO2-Emissio nen bis 2050 von heute ca. 30 Mrd. t pro Jahr auf 14 Mrd. t reduziert werden könnten (Abb. 2). Demnach hat CCS das Potenzial, bis 2050 mit bis zu 19 % zu den Emissionsreduktionen beizutragen, was ungefähr so viel ist wie der voraussichtliche Beitrag der erneuerbaren Energien bis zu diesem Zeitpunkt. Doch die Realisierung dieses Potenzials ist aufwendig und wird auch nach optimistischen Schätzungen Jahre dauern. In einigen Grossprojekten, die auf der ganzen Welt verteilt sind, wird die Machbarkeit dieser Technologie getestet. Die Pilotprojekte zur Abscheidung haben dabei grosse Fortschritte gemacht. Dies liegt unter anderem daran, dass bei vielen der dafür nötigen Technologien auf Erfahrungen aus anderen Anwendungsgebieten aufgebaut werden konnte. Daher sind jetzt grössere Demonstrationsprojekte in Planung (vgl. S. 19).

Untersuchung möglicher Risiken

Auch die unterirdische Speicherung von CO2 wird getestet. Dabei werden alle denkbaren Auswirkungen untersucht, insbesondere das Verhalten des injizierten fl üssigen CO2 in der Gesteinsformation und eventuell spürbare induzierte Seismizität. So zum Beispiel im Sleipner-Projekt in Norwegen, wo seit 1996 jährlich 1 Mio. t CO2, das bei der Reinigung des dort geförderten Erdgases anfällt, in einem Aquifer unter dem Meeresboden gespeichert wird. Dabei werden die Ausbreitung des Kohlendioxids sowie jegliche Erdbewegungen beobachtet. Bis heute wurden dort wie auch in allen anderen existierenden Speicherprojekten weder abnormale seismische Aktivität noch Anzeichen für ein Entweichen des eingelagerten CO2 durch die Deckschicht registriert. Spontane CO2-Ausbrüche oder -Explosionen, wie sie in CCS-kritischen Dokumenten beschrieben werden, sind geophysikalisch nicht möglich und ohne natürliche Vorbilder. Weder in Gegenden mit Erdgas- oder Ölvorkommen noch in solchen mit natürlichen CO2-Lagern sind solche Szenarien je dokumentiert oder rekonstruiert worden. Möglich hingegen ist ein langsames Emporsickern von CO2 entlang eines ungenügend verschlossenen Bohrlochs oder einer unerkannten geologischen Verwerfung. Eine akute Gefährdung an der Oberfläche ist aufgrund der Langsamkeit dieses Vorganges und der raschen Verdünnung an der Luft eher unwahrscheinlich. Das Problem dabei wäre jedoch, dass das teuer abgeschiedene CO2 doch noch in die Atmosphäre gelangen und zum Klimaproblem beitragen würde. Dies gilt es zu verhindern durch die sorgfältige Auswahl und Untersuchung der Tauglichkeit der Speicher- und Deckschicht und durch ein rigoroses Risikomanagement, das die Überwachung der Injektion und die langfristige Beobachtung des CO2 im Untergrund vorsieht sowie für alle Fälle die richtigen Gegenmassnahmen bereithält (z. B. das Wiederhochpumpen und Einspeichern an einem anderen Ort oder das Abdichten einer defekten Bohrlochfüllung).

Offene Kommunikation erforderlich

Obwohl man von Offshoreprojekten wie in Sleipner viel lernen kann, müssen bei einer eventuellen Injektion an Land noch andere Aspekte betrachtet werden. Ein erfolgreiches Forschungsprojekt, das einem möglichen Schweizer Pilotprojekt am nächsten käme, läuft in Ketzin in Brandenburg (D). Hier wird seit 2008 CO2 in einer Tiefe von 650 m in einem Aquifer gespeichert.[3] An derselben Stelle, allerdings in einer höher liegenden Formation, wurde bis 2004 Erdgas saisonal gespeichert, sodass die geologische Beschaffenheit des Gesteins bereits zu einem gewissen Grad bekannt und eine industrielle Infrastruktur vorhanden waren. Ausserdem war die lokale Bevölkerung bereits an Gasspeicherung gewöhnt. Dies hatte einen entscheidenden Einfl uss auf eines der wichtigsten Hindernisse der meisten CCS-Projekte an Land: die öffentliche Wahrnehmung. Wie bei vielen industriellen Projekten stösst man bei der lokalen Bevölkerung oft auf die Einstellung, dass eine neue Technologie zwar grundsätzlich befürwortet, aber nicht in der näheren Umgebung gewünscht wird. Daher ist es wichtig, das Vorhaben offen und klar zu kommunizieren.

In Ketzin hat es insgesamt vier Jahre gedauert, bis alle nötigen Bewilligungen eingeholt waren, die nötigen Bauten errichtet werden und die Einspeisung beginnen konnten. Mittlerweile wurden über 50 000 t injiziert, in den letzten Monaten auch CO2 vom nahe gelegenen Oxyfuel- Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe. Da es sich um ein Forschungsprojekt handelt, ist die Injektion auf 100 000 t begrenzt, und der Schwerpunkt liegt auf der CO2-Überwachung im Untergrund. Drei Beobachtungsbohrungen wurden durchgeführt, um die Ausbreitung des CO2 zu verfolgen.

CCS in der Schweiz

Um zu untersuchen, ob CCS-Technologien auch in der Schweiz angewendet werden könnten, wurde 2009 das Forschungsprojekt CARMA (CARbon MAnagement in power generation) gestartet (vgl. Kasten S. 23).[4] Es beschäftigt sich mit den ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die die Speicherung von CO2 hierzulande verursachen könnte.

Im August 2010 wurde zusammen mit dem Bundesamt für Energie (BFE) eine innerhalb des CARMA-Projekts erarbeitete Studie veröffentlicht, in der das Potenzial für die CO2-Speicherung in der Schweiz rein aus geologischer Sicht abgeschätzt wurde. Hierzu wurde ein Evaluationsverfahren, das in Kanada zu diesem Zweck entwickelt wurde, an die lokalen Gegebenheiten angepasst. Die Ergebnisse dieser Studie sind in Abb. 3 zusammengefasst.[5] Die Alpen sowie die grossen Täler der Südschweiz erwiesen sich für die Speicherung als ungeeignet. Im Mittelland hingegen wurden Gesteinsformationen identifiziert, die eine gewisse Kapazität versprechen. Diese Sandstein- und Kalkformationen stellen saline Aquifere dar, die im geeigneten Tiefenbereich zwischen 800 und 2500 m unter der Oberfläche liegen. Die Autoren der Studie berechneten eine theoretische Speicherkapazität von total 2600 Mio. t CO2. Zum Vergleich: Die CO2-Emissionen der Schweiz lagen 2009 bei rund 40 Mio. t, wovon jedoch nur ein geringer Anteil mittels oben beschriebener Technik abscheidbar ist.[6] Sollte eines der kleineren Schweizer Kernkraftwerke wie z. B. Mühleberg durch ein Gaskombikraftwerk ersetzt werden, würde dieses jährlich ungefähr 1 Mio. t CO2 produzieren. Folglich sind die Resultate der Studie im Hinblick auf die Machbarkeit von CCS in der Schweiz ermutigend. Da hierbei allerdings nur die geologische Beschaffenheit berücksichtigt wurde, müssen zur Bestimmung der tatsächlichen Kapazität noch weitere Punkte untersucht und berücksichtigt werden. So kann es im dicht besiedelten Mittelland zu Konflikten bei der Landnutzung kommen. An der Oberfläche kann das vor allem durch Städte, Naturerlebnispärke und Naturschutzgebiete der Fall sein. Da die Speicherformationen selbst salzhaltig sind und sehr tief liegen, sind unterirdische Konflikte in der Schweiz, zum Beispiel mit der Trinkwassernutzung oder dem Tunnelbau ausgeschlossen. Auch die Nutzung des Untergrundes für Tiefen-Geothermie wird durch CCS nicht konkurrenziert, da für beide Nutzungen jeweils andere geologischen Voraussetzugen gegeben sein müssen (vgl. nebenstehenden Kasten). Ein mögliches Speicherprojekt in der Schweiz muss also zunächst auf einer makroskopischen Skala eine geeignete Region finden, die für die Speicherung infrage kommt. Parallel dazu müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für CO2-Speicherung in der Schweiz geschaffen werden. Dazu sollte zuallererst die Öffentlichkeit informiert und in die Debatte einbezogen werden. Bei der genaueren Bestimmung der Injektionsstätte werden dann neben der geologischen Beschaffenheit unzählige lokale Voraussetzungen beachtet, wie z. B. die Infrastruktur an der Oberfläche und die Anbindungsmöglichkeit an grosse CO2-Quellen. Wenn ein geeigneter Ort gefunden ist, sollte zunächst ein Pilotprojekt ähnlich dem in Ketzin durchgeführt werden, bevor eine Speicherung in industriellem Massstab realisiert wird. Man muss also davon ausgehen, dass es bis zur Anwendung von CCS in der Schweiz noch mindestens zehn Jahre dauern würde. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit, ein Pilotprojekt so rasch wie möglich anzugehen, wenn man sich die Option von Gaskraftwerken mit CCS offenhalten will. Andernfalls fehlt es uns zum Zeitpunkt der zu erwartenden Stromversorgungslücke nicht nur an Energie, sondern auch am nötigen Know-how.


CCS und Tiefengeothermie

Die Nutzung des tiefen Untergrundes als CO2- Speicher steht nicht in Konkurrenz zur Produktion geothermaler Energie. Während für Letzteres ein möglichst hoher geothermischer Gradient, eine hohe Fliessgeschwindigkeit des Formationswassers sowie offene Verwerfungen, die heisses Wasser in höhere Schichten strömen lassen, erforderlich sind, will man solche Bedingungen bei der Suche nach einem CO2-Speicher möglichst vermeiden. Aber beide Technologien – CO2-Speicherung und tiefe Geothermie – können voneinander profitieren, indem man die Forschung und die Entwicklung in beiden Bereichen koordiniert. Tiefe Bohrungen sind sehr teuer, liefern aber Daten über die vorhandene Geologie, die für beide Vorhaben von Nutzen sein können. Findet man geologische Strukturen, die sich nicht für die Heisswasserförderung eignen, könnte mit demselben Bohrloch ein guter saliner Aquifer erschlossen worden sein, und umgekehrt. In der Schweiz wurde diese Synergie erkannt und soll in Zukunft genutzt werden. Momentan ist die Einreichung des Vorschlags für einen neuen Nationalen Forschungsschwerpunkt mit dem Titel «Geoenergie» beim Schweizerischen Nationalfonds in Vorbereitung, der beide Möglichkeiten der Nutzung des tiefen Untergrundes unter ein Dach bringen möchte.


Anmerkungen:
[01] IPCC, Special Report Carbon Dioxide Capture and Storage. Cambridge University Press. 2005
[02] IEA, Clean Energy Progress Report. OECD/IEA, Paris 2011
[03] www.co2ketzin.de, Stand 11. 8. 2011
[04] www.carma.ethz.ch
[05] Diamond L. W., Leu W., and Chevalier G., «Potential for geological sequestration of CO2 in Switzerland», Studie zur Abschätzung des Potenzials für CO2-Sequestrierung in der Schweiz. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie, BFE. Schlussbericht, 31. August 2010
[06] Emissionen nach CO2-Gesetz und Kioto-Protokoll, Bundesamt für Umwelt Bafu, 2010

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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