Zeitschrift

TEC21 2011|41
Begehrtes Wasser
TEC21 2011|41
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Ressource unter Druck

Knapp 10% der Weltbevölkerung leiden heute unter Wassermangel. Das Bevölkerungswachstum, der steigende Lebensstandard und der Klimawandel werden diese Problematik noch deutlich verschärfen. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen muss vor allem bei den mengenmässig grössten Verbrauchern, der Bewässerungslandwirtschaft und der Industrie, ansetzen.

7. Oktober 2011 - Mirella Judith Wepf
Etwa 1.4 Mrd. km3 Wasser gibt es auf der Erde, jedoch nur etwa 3 % dieser Vorräte sind Süsswasser (Abb. 1). Davon sind wiederum zwei Drittel in Gletschern und Permafrostböden gebunden. Knapp ein Drittel sind Grundwasservorkommen, und nur ein minimaler Anteil befindet sich in Flüssen, Sümpfen und Seen. Auch davon ist nur ein Bruchteil für die Nutzung zugänglich: etwa 9000 bis 13 000 km[3].

Derzeit werden aus diesen Wasservorräten vom Menschen jährlich rund 4500 km3 für den Bedarf in Haushalt und Industrie sowie für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen entnommen. Diese Durchschnittszahl sagt allerdings wenig über die lokal sehr unterschiedlichen Gegebenheiten aus.

Im Jahr 2000 lebten rund 500 Mio. Menschen in 31 Ländern mit Wasserstress (weniger als 1700 m³/Kopf und Jahr) oder Wassermangel (weniger als 1000 m³/Kopf und Jahr) (Abb. 4).[1] Bis zum Jahr 2025 könnten es bis zu 3 Mrd. Menschen in 48 Ländern werden. Die Gründe dafür liegen im anhaltenden Bevölkerungswachstum, in der Zunahme des Lebensstandards, im steigenden Wasserbedarf für Agrotreibstoffe sowie im Klimawandel. In zahlreichen Regionen werden die vorhandenen Wasserreserven schon heute stark übernutzt, sodass die natürliche Erneuerungsrate durch Regen und Zufluss die Wasserentnahme dort nicht mehr ausgleichen kann. Das führt zur Absenkung der Grundwasserspiegel oder geht zulasten der Wasserökosysteme, was sich im Austrocknen von Flüssen, Seen und Feuchtgebieten äussert (vgl. S. 26).

Die Folgen des Klimawandels

Niemand kann genau vorhersagen, wie sich die Klimaerwärmung weltweit auswirken wird. Dementsprechend operiert auch der Weltklimarat (IPCC) nur mit Szenarien. Sicher ist: Das wärmere Klima wird auch die Dynamik des Wasserhaushalts beeinflussen. Dabei können einige wenige Regionen kurzfristig eher profitieren, viele Regionen müssen sich hingegen schwierigeren Umständen anpassen (Abb. 5).

In einigen Teilen Sibiriens und Skandinaviens kann der Rückgang des Permafrosts neue landwirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen. Im Gegensatz dazu stellen einzelne australische Weinbauern bereits heute auf die Produktion von Datteln um, da diese weniger Wasser benötigen. Auch der Mittelmeerraum wird voraussichtlich stark in Mitleidenschaft gezogen werden.

Im Sommer muss man sich dort auf längere Hitzeperioden von mehr als sechs Wochen mit Durchschnittstemperaturen von über 35 °C einstellen. Auch beim Wasserangebot wird man sich auf Veränderungen einstellen müssen. Im östlichen Mittelmeerraum hat der IPCC-Bericht 2007 bereits eine deutliche Abnahme der Niederschlagsmengen festgestellt, im Westen gab es dagegen noch keine signifikanten Veränderungen.[2] In der Schweiz werden sich die Vor- und Nachteile möglicherweise die Waage halten. Ein Nationales Forschungsprogramm untersucht derzeit, welche Veränderungen durch den Klimawandel auf die Schweiz zukommen und wie sich mit den veränderten Rahmenbedingungen umgehen lässt (vgl. Kasten). Die Winter werden in der Schweiz voraussichtlich wärmer und feuchter, die Sommer heisser und trockner.[3] Daher untersuchen beispielsweise die Wasserkraftunternehmen, wie sich dies auf die Stromproduktion auswirken wird (vgl. S. 32). Ebenso müssen Strategien entwickelt werden, wie die Bauern, die im Wasserschloss Schweiz bisher mehrheitlich ohne künstliche Bewässerung wirtschaften konnten, künftig arbeiten sollen.

Der grösste Wasserfresser weltweit: die Landwirtschaft

Weltweit gehen 70 % des Wasserverbrauchs auf das Konto der Landwirtschaft (Abb. 3). Auch die Zunahme der Weltbevölkerung wird diesen Bedarf weiter ansteigen lassen, denn die Bewässerungslandwirtschaft ist deutlich ertragreicher als der Trockenfeldbau. Derzeit werden rund 20 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche bewässert; zwei Drittel davon befinden sich in Asien.[4] In zahlreichen Ländern, beispielsweise in Spanien oder Marokko, zeichnen sich bereits heute Engpässe bei der Wasserversorgung ab. In diesen Gebieten wird der Druck, die Felder effizienter zu bewässern, deutlich zunehmen. Heute geschieht dies grösstenteils über Kanalsysteme oder Beregnungsanlagen. Beide Verfahren sind relativ kostengünstig, aber ineffizient. Ein Grossteil des Wassers versickert oder verdunstet ungenutzt. Mit modernen Mikrobewässerungen könnte der Wasserverbrauch um 30 bis 70 % gesenkt werden. Die sparsamste aller Bewässerungsformen ist das Tröpfchenverfahren, bei dem das Wasser durch ober- oder unterirdisch verlegte Leitungen direkt dem Wurzelbereich der Pflanze zugeführt wird. Positiver Nebeneffekt dieser gezielten Dosierung: Das Auswaschen von Mineralien und die Versalzung des Bodens werden vermindert. Auch das Unkrautwachstum geht zurück. Dadurch reduziert sich der Pestizidverbrauch. Nebst den Bewässerungssystemen sind auch verbesserte Anbaumethoden ausschlaggebend, insbesondere bei Agrarprodukten, die besonders viel Wasser verbrauchen, wie Baumwolle und Reis. In diesem Bereich gibt es interessante Ansätze. So zeigten Versuche mit der ökologischen Reisanbaumethode «System of Rice Intensification (SRI)», dass der Ertrag um mehr als 30 % gesteigert werden kann, während sich der Wasserverbrauch um 40 % reduziert.[5] SRI beinhaltet nebst gezielter Bewässerung und organischer Düngung auch klare Anweisungen bezüglich Pflanzenabstand etc. Auch der Biolandwirtschaft wird von Experten eine zukunftsträchtige Rolle in Bezug auf die Schonung der Wasserressourcen zugesprochen. Die Verwendung umweltfreundlicherer Dünger und Pflanzenschutzmittel sowie die grössere Bodenbedeckung schützen das Grundwasser und vermindern Verdunstung sowie Oberflächenerosion.

Die Rolle der Industrie

Wasser ist auch für die Industrie von zentraler Bedeutung, sei es bei der Papierproduktion oder der Reifenherstellung, bei der Stromerzeugung oder beim Rohstoffabbau. In den Industrieländern hat sich der Wasserverbrauch der Industrie in den vergangenen 20 Jahren stabilisiert. Eine effizientere Wassernutzung kann also auch bei solidem Wirtschaftswachstum erreicht werden. Doch das darf nicht über die vorhandenen Probleme hinwegtäuschen: Obwohl weltweit gesehen die Landwirtschaft beim Wasserkonsum dominiert, ist in Europa und Nordamerika die Industrie mit einem Anteil von rund 50 % der grösste Wasserverbraucher (Abb. 3). Ausserdem nimmt in Entwicklungs- und Schwellenländern der Bedarf der Industrie rasant zu. Hinzu kommt, dass in aufstrebenden Ländern wie China viele Industrieunternehmen ihre Abwässer nach wie vor ungereinigt in die Flüsse leiten. Dadurch ist die Wasserqualität in vielen Städten dramatisch gesunken. Es sind daher überall zusätzliche Initiativen erforderlich, um die Effizienz des Wassereinsatzes in der Industrie zu steigern, zum Beispiel durch bessere Reinigung und möglichst geschlossene Kreisläufe.

Die Schweiz importiert Wasser aus Ghana

Industrie und Landwirtschaft dürfen jedoch nicht nur lokal betrachtet werden, denn die globalisierte Wirtschaft hat komplexe Folgen für den Wasserhaushalt. So zeigte der WWF 2010 in seiner Studie «Der Wasser-Fussabdruck der Schweiz»[6], dass die Schweiz ihren aktuellen Wasserbedarf nur zu einem Drittel aus eigenen Ressourcen deckt. Der Wasserverbrauch in den hiesigen Haushalten und in der Industrie ist zwar beständig gesunken, der Import von sogenanntem virtuellem Wasser aber enorm gestiegen. Damit ist die Menge an Wasser gemeint, die zur Herstellung von Produkten benötigt wird. Am meisten «virtuelles Wasser» importiert die Schweiz aus Ghana, einem wichtigen Kakaolieferanten, gefolgt von der Elfenbeinküste, Brasilien, Frankreich und Italien.

Damit hat die Schweiz nach Ansicht der Umweltorganisation auch eine ökologische und soziale Verantwortung, denn in einzelnen Regionen hat dieser Wasserexport starke negative Auswirkungen auf die Ökosysteme und die Bevölkerung. Die Handlungsempfehlungen des WWF zielen nicht in erster Linie auf die Konsumenten, sondern hauptsächlich auf die Regierungen und Unternehmen. Zu den Forderungen gehören beispielsweise gesetzliche Rahmenbedingungen, die angemessene Wassermengen in Grundwasser und Oberflächengewässern sichern, oder die genaue Erfassung und Analyse der Zulieferketten von Produkten durch die Unternehmen.

Ein Lichtblick: die weltweite Trinkwasserversorgung

Zumindest in einem Bereich der Wasserversorgung zeichnet sich jedoch ein positiver Trend ab: Ging man im Jahr 2000 von 1.2 Mrd. Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser aus, rechnet man heute noch mit rund 800 Mio.[8] Und das Uno-Millenniumsziel, den Anteil der Weltbevölkerung ohne Zugang zu hygienisch einwandfreiem Wasser bis 2015 zu halbieren, hält Wolfgang Kinzelbach, Professor für Hydromechanik an der ETH Zürich, für erreichbar. Dieser Optimismus hat zwei Gründe: Der Anteil des Trinkwassers am gesamten Süsswasserbedarf des Menschen ist gering. Er macht nur ein Promille aus. Eine ausreichende Trinkwasserversorgung ist daher weniger ein Problem der Wasserquantität als der Wasserqualität.

Zahlreiche Techniken zur Aufbereitung von Trinkwasser sind vorhanden und oft mit ökonomisch geringem Aufwand umsetzbar. So lohnt es sich beispielsweise bereits, das Wasser nicht direkt aus einem Fluss zu schöpfen, sondern in einigen Metern Abstand einen Brunnen zu graben und so zu gefiltertem Wasser zu kommen. Insgesamt scheinen die internationalen Entwicklungsbemühungen für besseres Trinkwasser zu fruchten. In zahlreichen Regionen sind weitere Fortschritte durchaus realistisch, solange die politischen Umstände Investitionen und die Vermittlung des nötigen Know-hows nicht verunmöglichen.


Anmerkungen:
[01] United Nations Population Fund (UNFPA), 2001: State of the World Population 2001
[02] Vierter Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (AR4): Klimaänderung 2007
[03] OcCC, 2008: Das Klima ändert – was nun? Der neue UN-Klimabericht (IPCC 2007) und die wichtigsten Ergebnisse aus Sicht der Schweiz. OcCC – Organe consultatif sur les changements climatiques, Bern
[04] FAO Statistical Yearbook, 2010
[05] Vgl. u.a. Wikipedia oder die Homepage der Cornell University in Ithaca, New York (USA), http://sri. ciifad.cornell.edu
[06] Sonnenberg, A., Chapagain, A., Geiger, M., August, D., und Wagner, W., 2010: Der Wasser-Fussabdruck der Schweiz: Woher stammt das Wasser, das in unseren Landwirtschaftsprodukten steckt? WWF Schweiz, Zürich
[07] www.fao.org/nr/aquastat
[08] www.un.org/millenniumgoals/environ.shtml

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: