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TEC21 2011|44
Zürcher Nordküste
TEC21 2011|44
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Insel in der Vorstadt

Mit der Siedlung «Klee» haben die Zürcher Architekten Knapkiewicz Fickert den letzten Baustein im Stadterweiterungsgebiet «Ruggächer» in Affoltern gesetzt. Ihr Hoftyp für zwei Baugenossenschaften versucht, eine urbane Insel in der vorstädtischen Nachbarschaft auszubilden. Die gekonnte Organisation der Wohnungstypen zeugt von der intensiven Beschäftigung mit zeitgemässem Wohnen.

28. Oktober 2011 - Alexander Felix
Mit der Entwicklung des Gebiets «Ruggächer» konnten sich die Architekten Kaschka Knapkiewicz und Axel Fickert nicht anfreunden, als sie sich mit dem Entwurf der Siedlung «Klee» als letztem Baustein im Quartier befassten. Sie fanden verschiedene Punkt- und Riegelbauten unterschiedlicher Qualität vor, wie sie typisch sind für «Aggloarchitektur» – Einzelobjekte, die beziehungslos nebeneinanderstehen und keinen städtischen Raum schaffen. Um in dieser Vorstadt am Rand von Zürich urbanen Raum zu installieren, entwarfen die Architekten 2006 im Projektwettbewerb, an dem zwölf eingeladene Teams teilnahmen, eine zusammenhängende Grossform, die aus dem üblichen Bebauungsmuster im Gebiet

«Ruggächer» heraussticht. Von oben betrachtet erinnert Knapkiewicz Fickerts Entwurf aus drei verschnittenen Rechtecken an ein stilisiertes dreiblättriges Kleeblatt. Ein verhältnismässig dünner sieben- bis achtgeschossiger Häuserrand fasst einen Hof, der die Vereinigungsmenge der unregelmässigen Rechtecke bildet. Diese Variation des Blockrandthemas soll das neue, schnell gewachsene und gestalterisch heterogene Quartier «Ruggächer» zentrieren und städtische Aussenräume schaffen.

Grossform mit Aussen- und Binnenwirkung

Die Baugenossenschaft Hagenbrünneli aus Zürich und die Gemeinnützige Bau- und Mietergenossenschaft Zürich teilen sich die Bauherrschaft für die Siedlung. Entsprechend komplex ist das Wohnungsprogramm, das die Architekten – ihrer Setzung entsprechend – in einem Haus zu organisieren hatten. Insgesamt 340 Wohneinheiten beherbergt der «Klee», zwei Gemeinschaftsräume, eine Kinderkrippe, ein Fussballplatz mit Klubhaus und mehrere Ateliers und Gewerberäume runden das Angebot an öffentlichen Räumen im Erdgeschoss ab.

Die Siedlung besetzt die ganze Parzelle, allerdings sind drei Ecken nach innen gewinkelt. Ausserhalb des Blockrands weitet sich durch diese Einschnürungen der Strassenraum zu drei Plätzen. Von dort aus gelangt man über diagonal durch das Haus geführte Durchgänge in den Hof. An diesen mit einem Stützenwald aus skulptural geformten Betonstützen begleiteten Zugängen liegen Gemeinschaftsräume und zweigeschossige Sonderwohnungen. Zugleich entstehen im Inneren der Anlage drei Hofräume, die ineinander übergehen. Statt eine riesige freie Fläche zu schaffen bildet der Innenhof das Herz der Siedlung, er erschliesst alle Wohnungen und ist – idyllisch begrünt mit niederstämmigen Baumgruppen – gemeinsamer Park mit Spielplätzen und Sitzgruppen.

Wohnungen

Die Wohnungen sind durchdacht organisiert, nicht zu gross und für Zürcher Verhältnisse recht günstig: So kostet eine 4.5-Zimmer-Wohnung mit 108 m² im Monat etwa 2100 Franken (GBMZ) bzw. 2300 Franken (BGH). Die Siedlung «Klee» beherbergt 256 3.5- und 4.5- Zimmer-Wohnungen – hinzu kommen noch 51 2.5- sowie 33 5.5-Zimmer-Wohnungen. Die Einheiten teilen sich die zwei Genossenschaften etwa hälftig. Da die eine auf Familien, die andere auf Singles und Paare ausgerichtet ist, setzen sie ihrem Profil entsprechend etwas unterschiedliche Verteilungen um und haben verschiedene Anforderungen an die Grösse und den Standard der Wohnungen. Die Wohnungen sind – bis auf jene in den Gebäudeecken – zweiseitig orientiert und nehmen so am Leben auf der Hof- und auf der Quartiersseite teil. Die Grundrisse sind diagonal durch die Gebäudetiefe organisiert und folgen weitgehend bewährten Grundrissfiguren.

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Layouts: Entweder sind die Wohn-Ess-Räume als fliessende Allräume mit offenen Küchen angelegt, oder in den Wohnungen sind Essküche und Wohnzimmer getrennt ausgebildet. Jeweils zwei übereinander liegende Wohnungen bilden dabei eine Einheit: Die untere Wohnung hat eine grosszügige zweigeschossige Loggia, die obere verfügt über einen weit auskragenden Balkon. Entweder öffnet sich der zentrale Wohnraum auf eine zweigeschossige Loggia oder die Küche auf einen Balkon. In letzterem Fall erfolgt die Belichtung über eine transluzente Eckverglasung des Wohnraums, ohne dass man auf den Freisitz des unteren Nachbarn blicken kann. So dienen die übergrossen Loggien beiden Parteien: der einen als – für eine Geschosswohnung – sehr grosszügiger Aussenraum und der anderen als zusätzliche Tageslichtöffnung.

Eine weitere Besonderheit findet sich auf dem Dach: Entgegen dem üblichen Standard befinden sich ganz oben keine luxuriösen Dachwohnungen, sondern eine Neuinterpretation der alten Zürcher Zinnen. In pavillonartigen, hölzernen Dachaufbauten sind die gemeinschaftlichen Waschküchen untergebracht. Vorgelagerte Terrassen und ein weiterer Gemeinschaftsraum sorgen dafür, dass das Dachgeschoss der Gemeinschaft dient. Lediglich bei der BGH sind die Dachräume einigen Wohnungen zugeschlagen. Der ursprünglich geplante Rundgang über das gesamte Dach wurde aus Kostengründen bislang nicht realisiert.

Kolossale Fassade

Am spannendsten am Projekt «Klee» war für die Architekten dessen Grösse und die damit verbundene Beherrschung des Massstabs im Grossen wie im Kleinen. Der Schwerpunkt bei der Suche nach dem angemessenen architektonischen Ausdruck der ganzen Anlage lag auf der Gliederung und Proportionierung der Fassade gegen den Hof und das Quartier. Als Inspiration wirkten sowohl Beispiele von jemenitischen Lehmfassaden als auch klassische Fassadengliederungen (z. B. von Giovanni Muzio), die durch Zusammenfassung von mehreren Geschossen die Gebäudehöhe kaschieren. An Ersteren interessierte die Architekten die netzartige Bemalung, die an textile Muster oder klassische Lisenen erinnert und dadurch die darunterliegenden, ohne erkennbare Ordnung angelegten Fassaden strafft und gliedert. Die gewählte Farbigkeit lässt dabei an Le Corbusier denken oder weckt leise Erinnerungen an die 1970er-Jahre. Ausserdem erscheint die Fassadengestaltung wie eine Weiterentwicklung des Motivs der Wohnüberbauung «Lokomotive» in Winterthur, übertragen auf ein Wärmedämmverbundsystem.

Wie bei der inneren Organisation sind auch bei der Fassadengestaltung jeweils zwei Stockwerke zusammengefasst. Die zweigeschossigen Loggien fassen im Zusammenspiel mit graugrünen, zum Teil kannelierten Putzflächen auf hellem Grund jeweils zwei Etagen zusammen. Die Farbe gliedert die Höhe des Blocks, sie gibt ihm einen Sockel und einen oberen Abschluss. Auf den ersten Blick erscheint das Muster seriell – auf den zweiten Blick bemerkt man, dass das Grundraster in vielen Spielarten variiert wird: Mal sieht man eingeschossige Loggien, dann wieder sind einzelne Fenster anders gesetzt oder die farbigen Putzflächen gegeneinander verschoben.

Die Siedlung «Klee» ist eine gut gestaltete und organisierte Wohninsel in der Vorstadtumgebung. Wie im übrigen «Ruggächer» auch fehlt zur Stadt jedoch eine grössere Nutzungsvielfalt – Kindergärten in den Erdgeschossen können lebendige Ladenzeilen einfach nicht ersetzen. So bleibt trotz «Klee» und seiner Ausstrahlung auf die Nachbarschaft bislang noch der Eindruck von Vorstadt an Zürichs Nordküste.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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