Zeitschrift

tec21 2006|20
Form geben
tec21 2006|20, Foto: Niklaus Spoerri
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Individuell geformt

Die digitale Bearbeitung ermöglicht es Architekten, in den Produktionsprozess von Materialien einzugreifen. Im Gegensatz zur Verwendung von Standardelementen lassen sich hierdurch bereits in der Fertigung projektspezifische Anforderungen berücksichtigen.

12. Mai 2006 - Anna-Lena Heldt
Die unterschiedlichen Techniken stammen aus Produktionsgebieten wie der Autoindustrie oder dem Industriedesign. Aus den Erfahrungen in diesen Bereichen leiten sich Anwendungen für die Architektur ab. Im 2D-Bereich lassen sich Oberflächen gravieren oder Reliefs fräsen, Bauteile schneiden oder Flächen perforieren, im 3D-Bereich räumliche Bauteile erstellen und montieren. Auch eine Kombination der Techniken ist möglich und liefert neuartige Resultate. Der architektonische Entwurf wird zunehmend am Computer entwickelt, sodass eine Datenübergabe zum Produzenten mit anschliessender Fertigung die logische Konsequenz ist. Voraussetzung dafür sind allerdings Kenntnisse über den Fertigungsprozess, die in den Entwurfsprozess direkt einfliessen. Der Architekt übernimmt so bereits in der Entwurfsphase einen Teil der Verantwortung für die Produktion und kann die Fertigung zugunsten des Projektes beeinflussen. Das Material wird individuell für ein Projekt entwickelt – seien es die Beschaffenheit der Oberfläche oder die eigentliche Form.

Die Individualisierung lässt sich auf zwei Arten nutzen: einerseits durch Anpassung an vordefinierte Bedingungen wie spezifische räumliche Situationen oder eine bereits entwickelte Corporate Identity, andererseits durch Erzeugen eines Wiedererkennungswertes aufgrund einzigartiger Gestaltung. Architekten und Hersteller experimentieren mit einzelnen Techniken und suchen gemeinsam die Regeln für eine neue Art der Zusammenarbeit. Der Hersteller übernimmt hierbei die Rolle des Beraters, der den Architekten über Produktionsabläufe informiert.

CNC-Fräse im Schalungsbau

Die CNC-Fräse wird neben dem mittlerweile auch schon gebräuchlichen 3D-Plotting vor allem zur Erstellung von Prototypen im Produktdesign eingesetzt. Es ist ein subtraktives Verfahren, bei dem die Form aus einem Materialblock gefräst wird. Die Anzahl der Achsen definiert dabei die Wendigkeit des Fräskopfes. Einfache Oberflächenfräsung wie Reliefs sind bereits mit drei Achsen möglich, für komplexere Formen wie Hohlkörper benötigt man mehr Achsen oder kompensiert die fehlenden durch mehrere Fräsdurchgänge mit gleichzeitigem Drehen des Materials. In der Architektur kommt die CNC-Fräse neben dem Prototypenbau vor allem bei der Holzbearbeitung zum Einsatz.

Ein Spezialgebiet ist der Schalungsbau, in dem heute am Computer entworfene strukturierte Oberflächen wie auch mehrfach gekrümmte Flächen umgesetzt werden können. Die so entstandenen Schalungen können dann für vorfabrizierte Betonelemente oder für Ortbeton eingesetzt werden. Beim Projekt Besinnungsraum Boldern, das im Juni 2006 fertig gestellt wird, liess das Architekturbüro Vehovar und Jauslin für zwei hyperbolische Betonschalen – vertikal zusätzlich um 10° geneigt – insgesamt 700 verschiedene Verbindungsrippen einzeln fräsen. Der Aufbau einer solchen Schalung benötigt eine präzise Logistik, da die Elemente entsprechend ihrer Nummerierung platziert und montiert werden müssen. Für das Giessen der zweiten Wand konnte die Schalung zwar wiederverwendet
werden, der Aufwand für Projektierung und Aufbau war aber trotzdem sehr hoch. Individuelle Formen und Oberflächenstrukturen lassen sich mit Beton leicht umsetzen, da das Material beliebig gegossen werden kann.

Nicht immer muss dabei allerdings die CNC-Fräse für die definitive Fertigung verwendet werden. Bei der Sanierung des Geschäftszentrums Lochergut in Zürich konnten manuelle und computergestütze Fertigung kombiniert werden. Während die Prototypen für das Reliefband der Aussenfassade direkt ab Daten gefertigt wurden, entstand die Schalung ganz traditionell von Hand. Ziel der Gestaltung des Reliefbandes war es, die Weichheit des flüssigen Betons assoziativ sichtbar zu machen. Hierfür wurden eine Reihe von wellenförmigen Oberflächenmustern entwickelt. Die optische Wirkung des strukturierten Betonbandes überprüfte die Planergemeinschaft pool Architekten und Perolini Baumanagement anhand von CNC-gefrästen Prototypen. Die im Massstab 1:5 gefertigten Elemente ermöglichten es, effizient eine reale dreidimensionale Studie durchzuführen. Dies war nur durch den Einsatz der CNC-Fräse möglich, da Geschwindigkeit und Präzision im verkleinerten Massstab mit üblichen Modellbautechniken nicht zu erreichen gewesen wären. Auf der Grundlage dieser Muster wurden die Schalungselemente wiederum in konventioneller Bauweise vorfabriziert, Grund hierfür war deren enorme Grösse von 7u2.5 m. Die konischen Teile der Form konnten von Hand verschraubt und auf das Schalungsbrett montiert werden.

Beschichteter Flachbettdigitaldruck

In Kombination mit einer speziellen Oberflächenbehandlung ist es möglich, fast alle planen Materialien kratz- und abriebfest zu bedrucken. Hierfür werden das Material gereinigt und ein Primer aufgebracht, die Oberfläche im Inkjet-Verfahren bedruckt und zuletzt mit einer so genannten Printveredelung beschichtet. Die Technik wurde ursprünglich von einem Küchenhersteller entwickelt. Durch die Oberflächenbeschichtung ist es möglich, die bedruckten Flächen thermisch zu verformen, zu hinterleuchten und zu biegen. Auch Reliefs bis 8mm Höhe sowie strukturierte und perforierte Oberflächen sind pixelgenau bedruckbar. Ein Vorteil gegenüber dem Siebdruck ist, dass die Daten direkt an den Drucker übertragen werden, wodurch die Herstellung eines Siebes entfällt und die Materialien in Endloslänge bedruckt werden können. In der Anwendung mit Glas ergänzt das Verfahren den hierfür üblichen Folien- und Siebdruck. Entsprechend der Rasterung der Bilddaten ist ein Farbauftrag von transluzent bis deckend möglich. Für transluzente Anwendungen wurde bisher der Foliendruck verwendet, der den
Einsatz des schweren Verbundsicherheitsglases (VSG) nötig machte. Mit diesem Verfahren ist nun auch eine dauerhafte Oberflächengestaltung von Einfachverglasungen möglich.

Lasercutting

Lasercutting kommt in diversen industriellen Fertigungen wie der Holz-, Textil- und Automobilindustrie zur Anwendung. Den Laserstrahl kann man sowohl zum Schneiden als auch zum Gravieren einsetzen. Durch Geschwindigkeit und Stärke des Lasers ist die Schnitttiefe regulierbar. Die einzelnen Lasercut-Techniken unterscheiden sich durch den Wellenbereich, in dem sie arbeiten. Einige Laser können keine metallischen Werkstoffe schneiden, da sie vom Metall reflektiert werden. Der Laser schneidet berührungslos, wodurch absolut senkrechte Schnittkanten ohne Quetschungen entstehen. Der Schnittspalt ist nur 0.1–0.3mm breit. Selbst feinste Materialien wie Furniere lassen sich hochpräzise bearbeiten. Zudem entsteht kein Werkzeugverschleiss wie bei konventionellen Fräsmaschinen.
Für den Zuschnitt von Materialien und im Modellbau werden die Einzelteile am Computer möglichst platzsparend zu einem Schnittbogen zusammengesetzt. Beim Lasern entsteht eine enorme Hitze, die zum Beispiel bei Holz zur Verfärbung der Schnittkante führt. Die Kanten von Acryl hingegen bleiben beim Lasern glasklar. Sie werden nicht wie beim Fräsen aufgeraut und infolgedessen matt, sondern schmelzen entlang dem Laser, wodurch das anschliessende Polieren entfällt. Beim Projekt Haus Candela in Birchwil setzen Whist Architekten auch den Laser ein. Ein System perforierter Beschattungselemente soll unterschiedlichste Lichtsituationen im Inneren des Hauses ermöglichen. Die Anordnung der Perforationen wurde am Computer generiert, um kontrollierte Lichteinfälle beim Überlagern der einzelnen Elemente zu erhalten. Die beim Lasern entstehende Hitze führte bei den Holzwerkstoffplatten zum Anschmelzen des PU-Leims und zur Oberflächenversiegelung entlang der Schnittkante. So können die anschliessend lackierten Platten als wetterfeste Fassadenelemente verwendet werden.

Forschung zur digitalen Fabrikation

Für die Herstellung räumlicher Bauteile verwendet man bereits Industrieroboter, die dank der Vielzahl von Werkzeugen universell einsetzbar sind. Sie können beispielsweise greifen und fräsen, ihre Reichweite und Wendigkeit wird durch die Anzahl der Achsen und die Länge der Linearachse definiert. An der ETH Zürich wurden die Anwendungsmöglichkeiten von additiver digitaler Fabrikation im Rahmen eines Diplomwahlfaches im Wintersemester 2005/06 untersucht (unterstützt von Keller AG Ziegeleien). Mit Hilfe einer flexiblen Fertigungsanlage auf der Basis eines Industrieroboters testete man nichtstandardisierte Fertigungsweisen am Beispiel des Backsteins. Eine 2x3 m grosse Wand sollte von den Studierenden auf der Grundlage der materialbedingten Fertigungsparameter erstellt werden. Die Professoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler definieren in ihrer Forschung den Begriff der Informierung von Material, wobei physischen Objekten an sich sowie der Beziehung der Objekte untereinander Informationen zugeordnet werden.
So ist es möglich, die optische Wirkung einzelner Backsteinmuster zu untersuchen und anzupassen. Öffnungen und Durchlässe in der Wand können abhängig vom Sonnenstand für den gewünschten Lichteinfall verändert werden. Die im Entwurf erstellten Daten sind gleichzeitig die Produktionsdaten für den Roboter. Der direkte Weg vom Entwurf in die digitale Fertigung erfordert die Einbeziehung produktionstechnischer Bedingungen bereits in die Entwurfsüberlegungen.

Die Einbeziehung digitaler Bearbeitungsmethoden in die Architektur steht erst am Anfang der Entwicklung. Es wird die Aufgabe der Architekten sein, einen sinnvollen Einsatz hierfür zu finden. Die bereits umgesetzten Beispiele und die gewonnene Erfahrung mit neuen Techniken wird in Zukunft wohl immer mehr Bauherrschaften von der digitalen Materialbearbeitung überzeugen.
Zusatz:

CNC-Fräse

Technik:
3- bis 5-Achs-Fräse für Trocken- und Nassbearbeitung von Kunststoff bis Stahl, Einsatz für Bohren und Gewindeschneiden in hoher Präzision
Fräsbare Materialien:
Kunststoffe, Holz, Holzwerkstoffe, Metalle von Aluminium bis Stahl
Spindel:
18000 U/Min
Max. Dimension:
l/b/h 6.0/3.4/1.2 m


Lasercutting

Technik:
Schneiden und Gravieren durch thermisches Verfahren
Laserbare Materialien:
Holz, Holzwerkstoffe, Papier, Karton, Kunststoff, Stoff, Metall nur mit speziellen Lasercuttern
Max. Dimension:
limitiert durch Spritzwerk l/b 6.0/1.3 m Höhe fix 18.0 mm


Digitaler Flachbettdruck

Technik:
Beschichteter 6-Farben-Inkjet-Druck mit lö-sungsmittelfreien UV-Tinten, Auflösung bis 360 dpi
Eigenschaften:
Hitze- und Kälteresistenz von –80 bis +200 °C
Druckbare Materialien:
Glas, Kunststoff, Metall, Holz, Holzwerkstoffe sowie perforierte und strukturierte Oberflächen mit Relief bis 8 mm
Max. Dimension:
b 2.5 m, h 65 mm, Relief bis 8 mm, Endloslänge


Industrieroboter

Technik:
Industrieroboter mit 6 Achsen, diverse An-wendungen entsprechend dem Werkzeugaufsatz möglich
Reichweite:
ca. 58 m³, 3.1 m radial, 6 m entlang Linear-achse

Liste von Herstellern und Produzenten unter www.mbox.ch

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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