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TEC21 2012|19
Berufsorganisationen
TEC21 2012|19
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Kammern und Bünde

In Deutschland ist die Berufsbezeichnung «Architekt» geschützt: Führen dürfen sie nur Mitglieder der nach Bundesländern organisierten Architektenkammern. Diese arbeiten die Honorarordnung aus, setzen sich politisch für die Anliegen der Architektinnen und Architekten ein und engagieren sich für das Wettbewerbswesen. Die Standesorganisation Bund Deutscher Architekten BDA wiederum hat sich der Hebung der baukünstlerischen Qualität verschrieben. Insofern sind die beiden Organisationen am ehesten mit dem SIA bzw. BSA in der Schweiz vergleichbar.

4. Mai 2012 - Ulrich Brinkmann
Den Beruf des Architekten oder der Architektin auszuüben, ist in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren nicht einfacher geworden. Die Arbeitslosigkeit unter Berufsanfängern ist hoch, die Bezahlung in der Regel schlecht, die Arbeitsbelastung gross; irgendwann ein Büro zu gründen, gelingt seit der Europäisierung des Wettbewerbswesens und dem Aufkommen der VOF-Verfahren[1] nur mit viel Glück oder einem familiären Hintergrund, der langen Atem gibt. Parallel dazu scheint das Vertrauen der Gesellschaft in die Befähigung des Berufsstandes, dem Leben einen dauerhaft schönen Raum zu schaffen, mehr und mehr zu schwinden – und gleichzeitig auch die Bereitschaft, für ein Mehr an architektonischer und räumlicher Qualität auch zu bezahlen. Die zahllosen Rekonstruktionsprojekte verlorener Vorkriegsstadtbilder einerseits und die weitgehend ohne Architekten abgewickelten alltäglichen Bauaufgaben am Stadtrand und in der «Zwischenstadt» anderseits zeigen, dass es um die Baukultur hierzulande schlecht bestellt ist. Vor zehn Jahren wurde deshalb eine Bundesstiftung für Baukultur[2] gegründet, um in Zusammenarbeit mit den Verbänden den Dialog über Baukultur in die Öffentlichkeit zu tragen und um in der Politik – auch auf Gemeindeebene – ein entsprechendes Qualitätsbewusstsein zu schaffen. Viel zu tun also für die Organisationen und Vertretungen der deutschen Architektenschaft.

Gesetzliche Berufsvertretung: Die Architektenkammern

Die politische Struktur der Bundesrepublik Deutschland mit 16 Bundesländern bringt unterschiedliche Ebenen ins Staats- und Rechtswesen. Polizei, Bildung und Kultur etwa sind Länderaufgaben, und auch Architekten- und Bauordnungsrecht werden auf Landesebene gesprochen. Da die gesetzliche Vertretung der Architektinnen und Architekten in Deutschland der Architektenkammer obliegt, gibt es entsprechend 16 Länderkammern, die im juristischen Sinne als «Körperschaften öffentlichen Rechts» agieren. Sie sind in Westdeutschland seit Ende der 1950er-Jahre aufgebaut worden – ein Prozess, der sich bis in die 1980er-Jahre hinzog, als die West-Berliner Kammer gegründet wurde, und in den fünf neuen Bundesländern Anfang der 1990er-Jahre seinen Abschluss fand. (In der DDR wurden Architekturschaffende ab 1952 von einem eigenen Bund Deutscher Architekten vertreten, der ab 1971 in Abgrenzung zum BDA in der Bundesrepublik als BdA / DDR firmierte. Anders als sein westdeutscher Namensbruder war die ostdeutsche Standesvertretung ein Werkzeug der Staatsführung: Die Organisation diente nicht in erster Linie dem Interessenschutz der Mitglieder, sondern der Durchsetzung der von der Deutschen Bauakademie in Berlin inhaltlich konzipierten und vom Ministerium für Bauwesen politisch formulierten Vorgaben der staatlichen Baupolitik. Auf Beschluss seiner Mitglieder löste sich die Organisation im Jahr der Wiedervereinigung 1990 auf, woraufhin sich neue, ostdeutsche Landesverbände des (West-)BDA gründeten.)

Aufgabe der Architektenkammern ist es, Baukultur und Bauwesen, Landschaftsgestaltung und Stadtentwicklung zu fördern und die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Konkret bedeutet das, stetig an der für das Selbstverständnis und eine einigermassen auskömmliche Tätigkeit wichtigen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu feilen, die von Seiten der Politik immer wieder in Frage gestellt wird: Das ihr zugrunde liegende Prinzip des Leistungswettbewerbs für planerische Tätigkeit steht der Versuchung, lieber kurzfristig zu sparen als auf lange Sicht sinnvoll zu handeln, entgegen, und bedarf folglich besonderer Aufmerksamkeit, um vor dem Übergriff des bereits für Bauleistungen üblichen Preiswettbewerbs geschützt zu werden. Auf dem Feld der Vermittlung von Architektenleistungen an die Öffentlichkeit ist vor allem der bundesweite «Tag der Architektur» (vergleichbar mit der «15n» des SIA, Anm. der Red.) zu nennen, der von den Länderkammern organisiert wird. Das unterschiedliche baukünstlerische Niveau der gezeigten Bauten offenbart, dass qualitativ hochstehende Architektur regional ebenso ungleich verteilt ist wie renommierte Ausbildungsstätten.

Die Interessen der Architektinnen und Architekten in Deutschland werden aber nicht zuletzt auch von Entscheidungen und Entwicklungen jenseits der typisch deutschen Kleinstaaterei beeinflusst. Deshalb haben sich die Länderkammern auf Bundesebene zur Bundesarchitektenkammer (BAK) zusammengeschlossen, ein eingetragener Verein, der sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Belange des Berufsstands einsetzen soll. Da etliche berufspolitisch relevanten Beschlüsse im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vorbereitet und von der Bundesregierung getroffen werden, ist der Sitz der BAK Berlin. Zusammen mit dem BMVBS lobt die BAK alle zwei Jahre den Deutschen Architekturpreis aus, um die Vorzüge des Leistungswettbewerbs anschaulich zu machen.

Ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit drang die BAK allerdings vor allem 2010 – mit einem zweifelhaften Beitrag zur intelligenten Auseinandersetzung mit der Architektur des Nationalsozialismus. Der damalige Präsident überraschte die Welt mit dem Vorschlag, den Deutschen Pavillon in Venedig durch einen «modernen Neubau» zu ersetzen: Der 1938 im damals für Repräsentationsbauten beliebten Grobklassizismus umgestaltete Bau entspräche nicht der demokratischen Verfasstheit der Nation.

2011 waren 126 000 Architektinnen und Architekten in den Kammern registriert. Der Begriff «Architekt» ist in Deutschland eine geschützte Berufsbezeichnung: Nur wer Mitglied der Kammer seines Bundeslandes ist, darf die Bezeichnung «Architekt» oder «Innenarchitekt», «Landschaftsarchitekt» oder «Stadtplaner» führen. Kammermitglied kann werden, wer einen entsprechenden Hoch- oder Fachhochschulabschluss sowie zwei Jahre Berufspraxis nach dem Diplom bzw. Bachelor- oder Masterabschluss vorweisen kann. Das «Deutsche Architektenblatt », das Organ der Kammern, ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen.

Qualitätsbewusst: Der Bund Deutscher Architekten BDA

Der BDA ist die renommierteste Organisation der Architekturs chaffenden in Deutschland. Er wurde von freischaffenden Architekten im Jahr 1903 in Frankfurt am Main mit dem Anliegen gegründet, «Aufgaben und Inhalte der Architektur gegen den Qualitätsverlust gebauter Umwelt besser zur Geltung zu bringen», wie es auf der Website des Bundesverbands heisst. Dazu gehörte es in den ersten Jahrzehnten vor allem, den Schutz der Berufsbezeichnung anzustreben, Kammern zu gründen – was erst Ende der 1950er-Jahre geschah – sowie Architektenvertragsbestimmungen und Honorarnormen zu erarbeiten. Zentral sind heute das Engagement für die Qualität der Ausbildung, der Einsatz für das Wettbewerbswesen und die Förderung des öffentlichen Diskurses über Architektur und Stadtentwicklung in Form von Diskussionsveranstaltungen und Preisverleihungen (Grosse Nike, Grosser BDA-Preis, BDA-Preis für Architekturkritik[3], Architekturpreis Metalldächer und -fassaden, Auszeichnung guter Bauten). Mit der Zeitschrift «der architekt» verfügt der BDA über ein inhaltlich anspruchsvolles Organ und mit dem Deutschen Architekturzentrum (DAZ) über ein Forum im Zentrum von Berlin.

Die Qualitätsorientierung des BDA ist ein wesentlicher Grund für das Renomée der Organisation. Dieser Anspruch schlägt sich auch in der Mitgliedschaft nieder: In den BDA, der wie die Kammern in 16 Landesverbände organisiert ist, kann man nicht einfach eintreten, sondern man wird vom jeweiligen Landesverband berufen.

Der BDA zählt zurzeit rund 5000 Mitglieder, die den hohen Ansprüchen der Organisation an architektonische Qualität und persönliche Integrität genügen. Wie der Verband mitteilt, generieren die Planungsleistungen der hier Versammelten jeden dritten im Hochbau investierten Euro. Der aktuelle Präsident, der Friedberger Architekt Michael Frielinghaus, ist 2009 mit dem Manifest «Vernunft für die Welt» an die Öffentlichkeit getreten, mit dem er Architektur, Stadtplanung und Klima miteinander versöhnen will.[4]

Interdisziplinär: der Bund Deutscher Baumeister BDB

In die Kammer muss man eintreten, will man die Berufsbezeichnung Architekt führen; in den BDA wird man vielleicht berufen, wenn man mit besonderen Leistungen auf sich aufmerksam macht; dem Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) kann man beitreten. Diese Organisation steht nicht nur Architekturschaffenden offen. Ihr Ansatz ist es, alle am Bau Beteiligten, also auch Ingenieure und Bauunternehmer, zusammenzubringen, um das Bewusstsein für Bauqualität auf allen Ebenen zu fördern. Das Wort «Baumeister» weist auf diesen Praxisbezug hin: Als solche bezeichneten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jene, die ihre Bauten weniger theoretisch-konzeptionell orientiert als vielmehr pragmatisch, vom Handwerklich-Konstruktiven her entwickelten. Zumeist nicht akademisch gebildet, waren diese Architekten entweder an einer «Bauschule» ausgebildet oder hatten sich tatsächlich vom Handwerk her der Profession genähert. Neuerungsbestrebungen mit dem Ziel, bewährte Konstruktionsweisen zu verwerfen, um neue Raumkonzepte und -produktionsmethoden zu suchen, standen sie meist skeptisch gegenüber. Heute ist die Berufsbezeichnung «Baumeister» nicht mehr gebräuchlich – seit 1981 ist keine Ernennung mehr vorgenommen worden. Dennoch ist der Titel aus Gründen des «Bestandsschutzes» für alle, die ihn noch führen, von der Gewerbeordnung nach wie vor geschützt.

Die Einsatz- und Interessengebiete des BDB ähneln heute denen des BDA. Auch der BDB ist in 16 Landesverbände gegliedert; er zählt insgesamt 220 Bezirksgruppen, die rund 20 000 Mitglieder betreuen. Die Bundesgeschäftsstelle ist in Berlin-Steglitz. Als Verbandszeitschrift hat die «Deutsche Bauzeitschrift DBZ» die «deutsche bauzeitung db» abgelöst.


Anmerkungen:
[01] Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen, 1997 in Kraft getreten, 2006 geändert (gemäss den europäischen Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG)
[02] www.bundesstiftung-baukultur.de
[03] Den diesjährigen BDA-Preis für Architekturkritik erhält der Schweizer Roman Hollenstein, Feuilletonredaktor der Neuen Zürcher Zeitung. Mit dieser Auszeichnung würdigt der BDA seit 1963 Persönlichkeiten aus Journalismus und Publizistik, die die Gestaltung der gebauten Umwelt kritisch begleiten und ihre Bedeutung als wichtiges gesellschaftliches Moment einer breiten Öffentlichkeit vermitteln (vgl. S. 26, Ämter und Ehren)
[04] www.klima-manifest.de

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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