Zeitschrift

TEC21 2012|22
Zwei Villen der Moderne
TEC21 2012|22
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Auf den ersten Blick haben die beiden Bauten kaum Gemeinsamkeiten – ausser ihrer Entstehungszeit Anfang der 1930er-Jahre und ihrem Zweck (beides sind Einfamilienhäuser): Hier der Standort im kosmopolitischen Brünn, dort die Lage in der ländlichen Region bei Bern. Ein Bau ist ein international bekanntes architektonisches Meisterwerk, der andere ein kaum bekanntes Schmuckstück von nationaler Bedeutung.

Und doch weisen die Villa Tugendhat (1929 – 1930) von Ludwig Mies van der Rohe und die Villa Caldwell (1934 – 1935) von Otto Voepel überraschende Übereinstimmungen auf: Beides sind starke Entwürfe, die in ihrer Umgebung teils Bewunderung, teils Befremden, aber immer eine Reaktion auslösten. Sowohl die Villa Tugendhat als auch die Villa Caldwell wurden für wohlhabende, gebildete Bauherrschaften entworfen, die aufgeschlossen waren für die Ideen des Neuen Bauens. Die individuellen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner, das «Für wen?» stand bei beiden Entwürfen im Vordergrund. Dies schlug sich zum einen in Raumprogramm und -anordnung, zum anderen in der sorg­fältigen und freudvollen Verwendung von Bautechnik und -material nieder. Entstanden sind zwei Bauten mit unverwechselbarem Charakter.

Beide Villen wurden kürzlich instand gesetzt. Während die Villa Caldwell weiterhin bewohnt wird, ist die Villa Tugendhat seit März als Museum der Öffentlichkeit zugänglich. Die beiden Restaurierungen zeigen, was möglich ist, wenn weder Kosten noch Mühen gescheut werden (Villa Tugendhat) oder ein intensiver Austausch zwischen Architekt, Bauherrschaft und Denkmalpflege einen Mittelweg zwischen denkmalpflegerischen Prin­zipien und heutigen Komfortansprüchen erlaubt (Villa Caldwell).

Wohnqualität wird heute oft mit mehr Platz, mit grösseren und höheren Räumen gleichgesetzt. Die beiden Häuser aus dem letzten Jahrhundert zeigen, dass die architek­tonische Interpretation von Bedürfnissen, Gewohnheiten und Wünschen ebenso ausschlaggebend ist. Mies van der Rohes Ausspruch ist heute noch genauso aktuell wie vor 80 Jahren: «Die Wohnung unserer Zeit gibt es noch nicht. Die veränderten Lebensverhältnisse aber fordern ihre Realisierung. Voraussetzung dieser Realisierung ist das klare Herausarbeiten der wirklichen Wohnbedürfnisse. Die heute bestehende Diskrepanz zwischen wirklichem Wohnbedürfnis und falschem Wohnanspruch, zwischen ­notwendigem Bedarf und unzulänglichem Angebot zu überwinden ist eine brennende wirtschaftliche Forderung und eine Voraussetzung für den kulturellen Aufbau ...»
Tina Cieslik

Literatur:
[01] Fritz Tugendhat in: Daniela Hammer-Tugendhat, Wolf Tegethoff, Ludwig Mies van der Rohe. Das Haus Tugendhat, Springer-Verlag Wien, 1998, S. 36
[02] Ursel Berger, Barcelona-Pavillon – Architektur und Plastik, Jovis Verlag, Berlin, 2006, S. 112

05 WETTBEWERBE
Berner Denkmalpflegepreis 2012

10 MAGAZIN
Baumängel vermeiden | Maschinen zuhause

18 GELÄUTERTE IKONE
Judit Solt, Alberto Caruso
Die für die Brünner Unternehmerfamilie Tugendhat von Mies van der Rohe errichtete Villa ist ein Meilenstein der modernen Architektur. Nach einer wechselvollen Geschichte erfolgte nun eine sorgfältige Restaurierung.

25 POLIERTES BIJOU
Tina Cieslik
Die Villa Caldwell im bernischen Allmendingen ist eines der wenigen weit­gehend erhaltenen Einfamilienhäuser der Reform-Moderne in der Schweiz. Der kaum bekannte Bau wurde kürzlich beispielhaft ­instand gesetzt und dient weiterhin als Wohnhaus.

33 SIA
Fort- und Weiterbildung | Grosse Aufgaben für den Jubilar | Abschlussveranstaltung Lares | Alternative: Kostengarantievertrag | Bauforum 2012

39 PRODUKTE

45 IMPRESSUM

46 VERANSTALTUNGEN

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