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db deutsche bauzeitung 06|2012
Potenzial Farbe
db deutsche bauzeitung 06|2012

Distinktion in Silber

Fassade eines Büro- und Geschäftshauses in München

Nein, diese Fassade ist nicht weiß, sondern tatsächlich silbern; auch wenn sich das leider nur schwer auf Papier bannen lässt. Mit diesem changierenden, schuppenartigen Fassadenrelief stellen Hild und K einmal mehr ihren versierten Umgang mit dem viel geschmähten Wärme-Dämm-Verbund-System unter Beweis.

11. Juni 2012 - Ira Mazzoni
Es ist Spätnachmittag. Der Himmel strahlt blau. Die Sonne sticht. München leuchtet und das neue Eckhaus an der Welfenstraße glitzert, perlt und blendet. Trotz des hohen Reflexionsgrads des Perlmutter-Kleids, das je nach Umgebungsfarbe mal ins Champagnerfarbene mal ins Kupfrig-grüne changiert, fällt das extravagante Relief der Fassade auf. Ein Flachrelief mit feinen Lichtkanten einerseits und entsprechenden Schattenlinien anderseits, das dem Eckhaus mit seinem Turmaufbau eine art déco-Anmutung verleiht. Dabei greifen die Lisenen- und Faschenkaskaden des Büro- und Geschäftshauses Gestaltungsmotive auf, die auch das historistische, mit weiß auf grau stukkierte Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufweist. Eine städtebauliche Familiarität herzustellen ohne sich historisierend anzubiedern gehört zu den Grundanliegen des Architekturbüros Hild und K.

Der sogenannte Regerhof gehört zu dem neuen, von der Bayerischen Hausbau realisierten Quartier der »Welfenhöfe« im fusionierten Stadtteil Au-Haidhausen. Ein wenig vom östlichen Isarhochufer abgerückt, wird das Umfeld von einer der letzten in München verbliebenen Brauereien, Wohnungsbauten der Gründerzeit, farbigen Genossenschaftsanlage der späten 20er Jahre sowie Nachkriegsbebauungen der 60er und 70er Jahre geprägt. Eine Bahntrasse schließt das bis dato von Werkstätten und kleinen Lagerhallen bestimmte Gelände nach Süden ab. Jenseits der Bahntrasse herrscht erst einmal das dichte Baumwipfelgrün des Ostfriedhofs. Das städtebauliche Konzept der Welfenhöfe haben nach Wettbewerb die Münchner 03 Architekten entwickelt. Die gleichfalls qualifizierten Büros von Stefan Forster, Peter Ebner&Friends und Hild und K wurden mit je einem Bauabschnitt der um drei von WGF Landschaft und studio 5 gestalteten Innenhöfe gruppierten Häuser betraut, so dass sich die lebhafte Mischstruktur des Münchner-Viertels fortsetzt.

In diesem Beitrag soll es ausnahmsweise mal nur um die Fassade des mit dem deutschen Gütesiegel für nachhaltiges Bauen in Silber vorzertifzierten Energie-Effizienz-Hauses von Hild und K gehen. Eine Putzfassade, die speziell für das geschmähte Wärme-Dämm-Verbund-System entwickelt wurde. Mit großem Ernst doziert Andreas Hild darüber, dass sich Architekten mit WDV auseinandersetzen müssen, ansonsten würden die Energiesparverordnungen zu dem größten europäischen Städtebauvernichtungsprogramm. Die Welfenhöfe insgesamt lassen sich als architektonisch-künstlerische Fassaden-Entwicklungsstudie unter den Bedingungen von WDVS interpretieren, das den knapp kalkulierten Wohnungsneubau in hochpreisigen innerstädtischen Nachverdichtungsgebieten beherrscht. Jeder der beteiligten Architekten sollte ein eigenes, haustypisches Relief entwickeln und jeder sollte mit einem anderen Silberton arbeiten. So ergeben sich bei der neuen Blockrandbebauung an der Welfenstraße Abstufungen von weiß-gleißenden Silbertönen für die Eckbauten bis hin zu zinnfarbigen Akzentuierungen in der Mitte des Ensembles, von Flachreliefs bis hin zu expressionistischen Front-Faltungen.

Das von Hild und K entwickelte Relief ist so schuppenförmig aufgebaut, dass waagrechte Simse, auf denen Wasser stehen bleiben würde und mit der Zeit das wärmedämmende Material verfaulen ließe, systematisch vermieden werden. Das raffiniert ineinandergreifende System aus positiven und negativen Flächen und Lisenen bedingt, dass das Haus von Geschoss zu Geschoss nach oben immer weiter auskragt. Oder andersherum beschrieben: Die obere Reliefschicht legt sich über die nächst untere Etagen-Schicht. Durch diesen unmerklichen Lagenlook, bekommt der sorgfältig beblechte Dachrand eine schöne, bewegte Linie, die gut mit der Eckstaffelung des Baus harmoniert. Elegant ist auch der Anschluss an den Nachbarblock gelöst: Von oben herab wird die Fassade Geschoss um Geschoss in fünf jeweils pilasterbreite Stufen, jeweils um 3 cm weiter abgetreppt, bis die Wand in gesamter Höhe plan an die Hausflucht anschließen kann. Je mehr man sich in die Logik dieses »hängenden« Fassadenreliefs vertieft, das auch ein Hin und Her der Fensterachsen im Rhythmus der Lisenen führt, desto lieber wird einem dieses ästhetische Spiel mit den Bedingungen von WDVS. Fragt sich nur, wie diese edle Oberfläche altern wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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