Zeitschrift

TEC21 2012|27-28
Corbusier und der Putz
TEC21 2012|27-28
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Le Corbusier (1887 – 1965) war Architekt, Stadtplaner, Bildhauer, Maler und Theoretiker. Der Schweizer, der die französische Staatsbürgerschaft annahm, wäre heuer 125 Jahre alt geworden – Anlass genug, ihm diese Ausgabe von TEC21 zu widmen und anhand der frühen Villenprojekte der 1920er-Jahre weniger bekannte Aspekte seiner Architektur zu betrachten. In seinen ersten Jahren in Paris begann Le Corbusier, sich mit der baukonstruktiven Umsetzung seiner Entwürfe zu beschäftigen. Dabei kam dem Putz eine tragende Rolle zu. Denn «ob der Putz mit Ornamenten geschmückt, bemalt oder roh belassen ist, immer bildet er den gestalterischen Willen des Architekten ab. [...] Diese ‹bescheidene› Rolle des Putzes ist zugleich seine Qualität. [...] Geht es aber um Proportion und Rhythmus einer Fassade, ist er gnadenlos, und kein auffälliges Material lenkt vom unschönen Verhältnis zwischen Wand und Öffnung ab. Der Putz redet weniger über sich selbst, sondern lässt die Fassade sprechen.»[1]

Ruft dieses Zitat unmittelbar die Schwarz-Weiss-Fotografien der reduzierten, kubischen Volumen von Le Corbusiers Villen vor Augen, so weist es gleichzeitig auch darauf hin, dass die Frage der Proportionen der Fassaden auch die des Bauteilschutzes in sich trägt.

Die Auswahl des Putzes erfolgt in Abhängigkeit von seinen konstruktiven Eigenschaften. So war es auch für Le Corbusier. Dass er vor allem witterungsbeständige Putze benötigte, die es ihm erlaubten, den konstruktiven Bauteilschutz aufzugeben, ist dabei das eigentlich Spannende: Es ging ihm nicht um weisse Volumen, sondern um dauerhafte Fassadenaufbauten. Bei den Bauten der 1920er-Jahre beliess er die Eigenfarben der Putze – ihrer Bindemittel, Zuschläge und Gesteinskörnungen – an den Aussen­fassaden bewusst. Die an der EPFL tätige Forscherin Anna Rosellini belegt anhand eines minuziösen Quellenstudiums, wie sich der Architekt mit seinen Handwerkern auf die Suche nach Rezepturen für beständige Aussenputze begab. Der hier publizierte Vorabzug aus einem geplanten Buch erscheint auch in unserer Schwesterzeitschrift «Tracés». Übrigens hat das Problem seit 1920 nichts von seiner Brisanz verloren: Die Frage nach der Dauerhaftigkeit, der Pflege und der Instandsetzung verputzter Gebäude ist aktueller denn je. Immer wieder entlarven Schäden – etwa in den Sockelbe­reichen neuster Wärmedämmverbundsysteme – die Schwachstellen gängiger Konstruktionssysteme. Für die Pflege von Bauten der frühen Moderne wiederum ist die Kenntnis der tatsächlich verwendeten Materialien, zu der Anna Rosellinis Forschung im Fall von Le Corbusier beiträgt, eine notwendige Voraussetzung.

Andrea Wiegelmann


Anmerkung:
[01] Annette Spiro: «Von Schweineborsten und Muschelsand», in: Annette Spiro, Hartmut Göhler, Pinar Gönül (Hg.), Über Putz. Oberflächen entwickeln und realisieren, Zürich 2012, S. 6 ff.

05 WETTBEWERBE
Grundrisse im Feldstecher

8 PERSÖNLICH
Le Corbusiers Gedanken

11 MAGAZIN
Über Putz | Bücher

16 LE CORBUSIERS EXPERIMENTE MIT PUTZFASSADEN
Anna Rosellini
Die Villen der 1920er-Jahre von Le Corbusier und Pierre Jeanneret sind durch Schwarz-Weiss-Fotografien als strahlend weisse Volumen in die Geschichte eingegangen. Eine Sichtung der Quellen bringt jedoch eine ganze Bandbreite von Farb­tönen an den Fassaden zutage.

28 SIA
Kursprogramm Deutschschweiz 2 / 2012 | Wahlen in Kommissionen 1 / 2012 | BGI sucht Präsident / in

35 PRODUKTE
Waschtische von Franke und antoniolupi

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

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