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TEC21 2012|37
Seeufer planen
TEC21 2012|37
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Visitenkarte für Mammern

Die Gemeinde Mammern am Bodensee hat im April 2012 einen neuen Landesteg eröffnet. Die Planergemeinschaft Lauener Baer Architekten und BHAteam Ingenieure aus Frauenfeld planten und bauten die Steganlage. Der Steg erfüllt nicht nur die nautischen Anforderungen, sondern überzeugt auch durch seine elegante Erscheinung.

7. September 2012 - Daniela Dietsche
In Mammern gibt es nur zwei öffentliche Zugänge zum Bodensee: das Gemeindebad und den Landesteg. Letzterer ist deshalb ein wichtiger Ort für Bevölkerung und Gäste. Die rund 100 Jahre alte Steganlage war aufgrund von Verschleisserscheinungen sanierungsbedürftig.

Im Januar 2006 beauftragte die Gemeinde Mammern das Ingenieurbüro BHAteam, einen Sanierungsvorschlag einzureichen. In der Gemeindeversammlung im Februar 2008 lehnten die Stimmbürger den Vorschlag für 670 000  Franken jedoch ab. Lauener Baer Architekten entwarfen daraufhin das Konzept für einen Ersatzneubau. Mammern entschied sich 2009 – trotz den rund doppelt so hohen Kosten – für den Neubau als dauerhafte Lösung und beauftragte die Planergemeinschaft Lauener Baer Architekten und BHAteam Ingenieure im Juni 2009 mit der Ausführung.

Horizontal und vertikal abgestuft

Den Grund für die deutliche Bevorzugung der Neubaulösung durch die Stimmbürger sieht Architekt Donatus Lauener im grossen Mehrwert, der dank dieser für den Ort und die Bevölkerung geschaffen werden konnte. Der Grundriss der neuen Stegplattform ist mehrfach abgestuft. Das erste Segment ist rund drei Mal breiter als der Vorgängerbau, was am landseitigen Stegansatz, in Verlängerung des Zollhausplatzes, zu einem Gewinn an öffentlich nutzbarer Fläche führt (Abb. 2). Die erste Verjüngung definiert den Zugang zum privat genutzten Gondelhafen beziehungsweise zu den Gästeplätzen auf der Westseite. Das dritte Segment erschliesst die seeseitigen Einstiegsstellen der Kursschifffahrt Untersee und Rhein. Diese lassen sich dank der Verlängerung der Anlage um 8 m auf 52 m auch bei niedrigem Wasserstand problemlos ansteuern.

In Anlehnung an die horizontale Gliederung ist auch die Seitenansicht des Stegs abgestuft. Sie folgt dem Seegrund (Abb. 3). Als Ersatz für den alten Damm wurde unter der Stegplattform ein neues Leitwerk ausgebildet, das die Strömungsverhältnisse im Bereich der Bachmündung steuern und einer Verlandung der Stegeinrichtungen durch Geschiebe entgegenwirken soll.

Stegkonstruktion

Der Steg besteht aus einer 35 cm starken Stahlbetonplatte, die sich umlaufend auf 20 cm verjüngt. Die Platte wurde in fünf Etappen betoniert und ist über die gesamte Länge monolithisch verbunden. Einzig am Widerlager ist eine Dilatation vorhanden. Laut Tobias Rapp von BHAteam Ingenieure waren die Schalungsarbeiten besonders anspruchsvoll, da die Schalung zum Teil selbsttragend, das heisst mit einem Lehrgerüst an den Betonpfählen befestigt werden musste. Die Fundation der Stegplatte erfolgt über 18 bis zu 26 m lange Betonfertigteilrammpfähle, die die Lasten über Mantelreibung in den Seegrund einleiten. Die Pfählung wurde im Bereich bis zur letzten Verjüngung von einem Hilfsdamm ausgeführt. Für diese provisorische Schüttung verwendete man das Dammmaterial der ehemaligen Anlage. Alle seeseitigen Rammarbeiten erfolgten von Pontons aus.

Für die Absturzsicherung setzte das Bundesamt für Verkehr als Bewilligungsbehörde hohe Nutzlasten an. Der anzunehmende Geländerdruck basiert auf einem Lastfall, der Menschengedränge simuliert. Es wurde eine horizontale Linienlast von 3.0 kN/m vorgegeben.[1] Die Planer wählten eine Stahlkonstruktion aus Rechteckprofilen von 80 × 40 mm. Trotz diesen relativ grossen Abmessungen erscheint das Geländer elegant. Die schmale Profilseite der Geländerpfosten steht quer zum Stegrand. Die verschweisste Konstruktion ist biegesteif in die Betonplatte eingespannt. Diese Alternative für die heute standardmässig angewendete Befestigung mittels Fussplatten und Hutmuttern bietet optisch klare Vorteile (Abb. 4 – 6).

Zwei Rampen für die Passagiere der Kursschiffe

Ein besonderes Problem am Bodensee sind die Wasserstandschwankungen. Da der See nicht reguliert ist, liegen die durchschnittlichen jahreszeitlichen Schwankungen bei 2 m. Im Extremfall kann die Schwankung bis zu 3.5 m betragen. Daher sind Steganlagen immer variabel auszuführen, entweder mit höhenverstellbaren Brücken, Schwimmelementen oder festen Rampen. In Mammern wurde bei den Einstiegstellen der Kursschifffahrt auf eine ­höhenverstellbare Rampe verzichtet. Eine solche hätte aus Sicherheitsgründen nur während des Ein- und Aussteigens betreten werden dürfen, was einer Verkürzung der begehbaren Stegfläche um ca. 10 m gleichgekommen wäre. In Anlehnung an die ehemalige Anlage ­wurde deshalb neben dem Hauptsteg eine feste Niederwasserrampe gebaut (Abb. 2 und 3).

Komfortable Anlegemöglichkeiten schaffen

Der ehemalige Gondelhafen wurde in Folge der Stegverlängerung leicht verschoben. Dies verbessert die Ein- und Auswasserung der Sportboote westlich des Stegs. Ebenso entschärft sich so das Problem der bei Tiefwasserstand auf Grund laufenden Schwimmer des Gondelstegs. Eine 20 m lange und 2.7 m breite Betonschwimmmole ersetzt den Wellenbrecher aus Holzpfählen. So entstanden vier zusätzliche ­Gastplätze mit ausreichend Tiefgang für grössere Boote. Zudem stehen dort Wasser- und Stromanschlüsse bereit. Die Verankerung des Gondelstegs und der Betonschwimmmole erfolgte mittels vertikaler Stahlrohrpfähle, damit keine Seitenverschiebung und somit keine Lagezwängungen stattfinden.

Die Dalben vor dem Hauptsteg wurden entsprechend den Erfordernissen der Schifffahrt und den anstehenden Baugrund- und Tiefenverhältnissen als elastische Dreierbündel aus Stahlrohrprofilen konstruiert.

Erweiterung des Gemeindeplatzes

Der Steg in Mammern ist als Erweiterung des Gemeindeplatzes zu sehen. Dieser grenzt an den Schlosspark, der nicht öffentlich zugänglich ist. Zum Areal gehören zudem Sanitäranlagen und ein noch privat genutztes Zollhaus. Der Platz wurde teilweise neu möbliert und die Pflästerung an den Bestand angepasst. Als wichtigster Eingriff wurde westlich des Stegs eine Betonrampe aus den 1920er-Jahren abgebrochen. ­Dadurch konnte der entsprechende Abschnitt renaturiert und als kiesiges Seeufer gestaltet werden – ein wesentlicher Grund für die finanzielle Unterstützung des kommunalen Bauprojekts durch den Kanton Thurgau mit 100 000 Franken. Die Anlage wurde im April 2012 eröffnet und wird von der Bevölkerung und den Gästen des Dorfes gut angenommen. Der Mut der kleinen ­Gemeinde (5.5 km2, 600 Einwohner), der Sanierung der vertrauten Anlage ein modernes Neubauprojekt vorzuziehen, scheint sich auszuzahlen.


Anmerkung:
[01] Gemäss Lastangaben SIA-Norm 261 «Einwirkung auf Tragwerke, Kap. 13, Bauwerkstyp Brücken (Alle Verkehrsarten)» werden normalerweise bei öffentlichen Steganlagen 0.8 kN/m, bei nicht öffentlichen 0.5 kN/m angesetzt

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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