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TEC21 2012|38
Strom speichern
TEC21 2012|38
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Eine kurze Geschichte der Energiespeicherung

Die Suche nach wirtschaftlichen Speichermöglichkeiten für elektrische Energie ist aufgrund der angestrebten Energiewende hochaktuell. Ein Blick auf die historischen Wurzeln zeigt, wie die Menschen schon vor Jahrhunderten einfache Energiespeicher zu nutzen verstanden. In der Folge fand man für bekannte Speicherarten immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten.

14. September 2012 - Norbert Lang
Ein Apfel am Baum, ein Buch auf dem Regal oder eine Blumenvase auf dem Tisch sind, physikalisch betrachtet, Massen, die das Potenzial besitzen, herunterzufallen; durch ihre Lage verkörpern sie potenzielle Energie. Ein senkrecht in die Höhe geworfener Ball besitzt am Umkehrpunkt ebenfalls potenzielle Energie. Im Fallen verwandelt sich diese in Bewegungsenergie (physikalisch: kinetische Energie). Beim Aufprall des Balls am Boden wird diese in Formänderungsenergie umgewandelt. Das elastische Material speichert kurzzeitig den grössten Teil der Energie und lässt den Ball wieder hochspringen. So verwandelt sich diese wiederum in kinetische und schliesslich in potenzielle Energie, und der Zyklus beginnt erneut. Der Ball springt jedes Mal weniger hoch, bis er schliesslich am Boden zur Ruhe kommt. Das rührt daher, dass der Luftwiderstand den Ball bremst und bei jedem Aufprall ein Teil der Energie in Wärme verwandelt wird, die verloren geht. Dieses Beispiel zeigt, dass bei Energieumwandlungen immer Verluste auftreten. Der Wirkungsgrad einer Umwandlung ist daher stets kleiner als 100 %. Neben den erwähnten mechanischen Energieformen gibt es auch elektrische, chemische und thermische Energie sowie Kernenergie.

Gewichtsspeicher

Eine seit langem gebräuchliche Form der Speicherung mechanischer Energie sind Gewichtsspeicher, für die es entsprechend viele Anwendungsbeispiele gibt, so etwa die Treibgewichte von Turm- oder Wanduhren. Je nach Länge des Tragseils vermögen die Gewichte ein Uhrwerk über Tage oder Wochen in Gang zu halten. Auch Pfahlrammen sind Mechanismen, die potenzielle Energie nutzen: Eine fallende Masse rammt Pfähle in den Untergrund. Bei handbetätigten Eisenbahnweichen fixieren Gewichte am Umstellhebel die Weichenstellung. Schliessgewichte an Drosselklappen (Abb. 1) verhindern bei Wasserkraftwerken Schäden, die bei Rohrbrüchen entstehen würden. Neben Gewichten aus fester Materie können auch Flüssigkeiten potenzielle Energie speichern. Die bedeutendste Anwendung sind Speicherkraftwerke (vgl. S. 20).

Federspeicher

Elastische Werkstoffe können Energie speichern. Ein frühgeschichtliches Beispiel sind Pfeilbogen. Die Sehnenspannung deformiert einen schlanken Holzstab elastisch, wodurch er Pfeile zu schleudern vermag. Eine breite Anwendung haben metallische Federn gefunden.1 Dank dieser Erfindung konnten Zeitmesser sukzessive auf Taschen- und Armbandformat verkleinert werden. Auch bei mechanischen Spielzeugen spielen Federmotoren eine wichtige Rolle. Federn werden ebenso im Fahrzeugbau (als Blatt-, Schrauben- oder Torsionsfedern) verwendet. Aufgrund ihrer kurzzeitigen Energiespeicherung werden Fahrbahnstösse nur in abgeschwächter Form auf das Fahrzeug übertragen. Eine weitere Anwendung finden Federn in elektrischen Schaltern (Abb. 2). Beim Öffnen des Schalters wird die Kraft anfänglich durch eine Feder aufgenommen. Dank ihrer Speicherwirkung schnappt das Trennmesser schlagartig aus dem Klemmkontakt heraus, wodurch der Trennlichtbogen rasch erlischt.

Schwungräder

Ebenfalls in der Frühzeit hatte man erkannt, dass mit einer Schwungscheibe ausgerüstete Handspindeln oder Töpferscheiben eine gleichmässigere Produktqualität ergeben.[1] Später hat man auch die Eimerwinden von Sodbrunnen mit einem Schwungrad ausgerüstet, um beim Wasserschöpfen – damals eine Frauenarbeit – den Kraftaufwand auszugleichen. Ferner sei an die Tretmechanik von Schleifsteinen oder Nähmaschinen erinnert, die ebenfalls ein Schwungrad aufwies. Zur Harmonisierung der Drehbewegung benötigen auch Dampfmaschinen, Kolbenkompressoren oder Verbrennungsmotoren ein Schwungrad. Ebenso das Drehpendel (die Unruh) einer mechanischen Uhr. All diesen Mechanismen gemeinsam ist die Verwendung von Schwungrädern zur (oft nur kurzzeitigen) Energiespeicherung.

1950 stellte die Maschinenfabrik Oerlikon den Gyrobus vor, einen mit einem Schwungradspeicher ausgerüsteten Elektrobus.[2] An Haltestellen wurde der Speicher elektrisch aufgeladen, wonach der Bus ohne Kontaktleitung eine Strecke von einigen Kilometern zurücklegen konnte. Das unter Flur in Chassismitte (Abb. 4) angeordnete Schwungrad aus Stahl wies einen Durchmesser von 1.6 m und eine Masse von 1700 kg auf. Obschon rund zwanzig Busse sowie einige Grubenlokomotiven nach diesem Prinzip gebaut worden sind, konnte sich diese Technologie nicht durchsetzen. Neuere hochfeste Verbundwerkstoffe, wie mit Kevlar- oder Kohlefasern armierte Kunstharze, versprechen leichtere und viel rascher drehende Schwungräder. Darauf beruhende Speicher sind seit letztem Jahr im weltweit ersten Schwungradspeicher-Kraftwerk in Stephentown (USA) im Einsatz (vgl. Artikel S. 24).

Druckluftspeicher

Gasförmige Stoffe sind kompressibel und besitzen bei Überdruck eine gewisse Elastizität. Deshalb sind komprimierte Luft oder andere Gase zur Speicherung von Energie geeignet. In der Vergangenheit benutzten die Leuchtgasfabriken voluminöse, stählerne Behälter, sogenannte Gasometer, als Druckspeicher. Bei Hochspannungsschaltern öffnet Druckluft oder Druckgas die Kontakte und löscht gleichzeitig den Lichtbogen. Mit komprimierter Luft funktionieren auch Luftspeicherkraftwerke, von denen bis heute erst zwei grössere realisiert worden sind (vgl. Artikel S. 24).[3] Zurzeit sind Neuanläufe für die Nutzung dieser Technologie in Planung.

Kondensatoren

In der Vorzeit hatten die Griechen entdeckt, dass mit einem Lappen geriebener Bernstein kleine Funken erzeugt. Die altgriechische Bezeichnung für Bernstein ist Elektron. Das verhalf einem bedeutenden Techniksektor zum Namen. Im 18. Jahrhundert, als die Beschäftigung mit Elektrizität noch weitgehend eine Spielerei war, experimentierten viele Forscher mit Reibungselektrizität. 1745 entdeckten der Deutsche Ewald Georg von Kleist und der Niederländer Pieter van Musschenbroek gleichzeitig, dass «Leidener Flaschen», das sind Glasgefässe, die innen und aussen mit einer Metallfolie belegt sind (Abb. 3), elektrische Ladungen speichern können. Dies waren die ersten Kondensatoren.[4] Experimentell hat man erkannt, dass sich die speicherbare Ladungsmenge (Kapazität) proportional zur belegten Metallfläche und umgekehrt proportional zur Dicke des Glases verhält. Zur Vergrösserung der Kapazität wurden mehrere Leidener Flaschen parallel geschaltet. Die Metallbeläge bezeichnet man als Elektroden, das isolierende Glas als Dielektrikum. Wenn ein elektrischer Strom einen Kondensator auflädt, wird eine Elektrode positiv, die andere negativ geladen.

Dazwischen bildet sich ein Spannungspotenzial, das sich erst entlädt, wenn die Elektroden kurzgeschlossen werden. Kondensatoren sind wichtige Bauteile in elektrischen Anlagen und elektronischen Geräten. Eine typische Anwendung findet man im fotografischen Blitzgerät. Die Batterie lädt einen Kondensator auf. Beim Zünden der Blitzlampe entlädt er sich innert Tausendstelsekunden und liefert dabei pro Zeiteinheit eine höhere Energie, als es die Batterie vermöchte. Eine analoge Anwendung findet sich bei Zündanlagen von Automotoren. In der Hochspannungstechnik dienen Kondensatoren unter anderem als Spannungswandler, als Blitzschutz sowie als Stabilisatoren bei Stromübertragungen auf grosse Distanz.

Kondensatoren sind die einzigen Speicher, die elektrische Energie direkt, das heisst ohne Umwandlung, speichern können. Zur Langzeitspeicherung grosser Energiemengen sind sie jedoch nicht geeignet.

Elektrochemische Speicher (Batterien)

Als der italienische Anatom Luigi Galvani um 1790 Frösche sezierte, stellte er fest, dass die Froschbeine beim Berühren mit dem Skalpell zuckten. Er glaubte, einer Art tierischer Elektrizität auf der Spur zu sein. Sein Landsmann Alessandro Volta führte die Zuckungen auf das elektrochemische Spannungspotenzial zwischen den unterschiedlichen Metallen der Unterlage und des Seziermessers zurück, das die Froschnerven aktivierte.[5] Mangels exakter Messgeräte prüfte Volta mit der Zunge die Intensität des Spannungspotenzials verschiedener Metallpaarungen. So bestimmte er die elektrochemische Spannungsreihe und entdeckte das Grundprinzip der elektrischen Batterie. Aus abwechslungsweise geschichteten Zink- und Silberscheiben und mit Kochsalzlösung angefeuchteten Pappscheiben dazwischen baute er im Jahre 1800 die Volta’sche Säule (Abb. 5). Das war das erste Funktionsmuster einer Batterie.[6] Später schufen andere Forscher weitere Batteriearten, mit Kupfer / Zink oder Platin / Zink als Elektroden und verdünnter Schwefelsäure als Elektrolyt. Vor der Erfindung der Dynamomaschine lieferten Batterien die Energie für die elektrische Telegrafie. Einen grossen Fortschritt brachte der durch den Franzosen Gaston Planté 1859 erfundene Bleiakkumulator, der wiederaufladbar war. Als Autobatterie ist er noch heute gebräuchlich.

Um 1900 entstand die erste Trockenbatterie mit Grafit-Zink-Elektroden und einer salmiakhaltigen Paste als Elektrolyt. Bis heute verwendet man solche Zellen in Taschenlampen und elektrischen Kleingeräten. 1975 begann das Brown-Boveri-Forschungslabor in Heidelberg mit der Entwicklung einer Hochenergiebatterie für Elektroautomobile.[7] Als Elektrodenmaterial dienten Natrium und Schwefel, getrennt durch eine poröse Keramikplatte. Damit die beiden Stoffe flüssig blieben, war eine Betriebstemperatur von 300 °C nötig. Die in kleinen Stückzahlen produzierte Batterie wog inklusive Abschirmung 265 kg. Ihre Kapazität betrug mit 180 Ah rund das Vierfache einer gleich schweren Bleibatterie. Zusammen mit BMW und VW wurden mehrere Elektroautos gebaut und der Öffentlichkeit vorgestellt. Der VW «CitySTROMer», ein auf Elektroantrieb umgebauter und mit einer BBC-Batterie bestückter VW Jetta, gewann 1987 den Grand Prix für Elektroautos auf dem Flugplatz Interlaken.[8] Es kam jedoch nie zur Serienproduktion. Für Elektroautos war die Zeit noch nicht reif. Die hohe Temperatur in der Hochenergiebatterie dürfte zudem viele Interessenten abgeschreckt haben (zu modernen Batteriekonzepten vgl. S. 24).


Anmerkungen:
[01] Gulia, Nurbej V.: Der «Energiekonserve» auf der Spur. Thun / Frankfurt a. M., 1989
[02] Lang, Norbert: Die Elektrogyro-Lokomotive des Gonzenbergwerks. Sargans, 1994
[03] Zaugg, Paul: Luftspeicher-Kraftwerke. Technik, Geschichte, Realisierungsstand. Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 29, 19. Juli 1990
[04] Imhof, Alfred: 235 Jahre elektrische Kondensatoren. Bulletin SEV/ VSE 23 /1980
[05] Fraunberger, Fritz: Elektrizität im Barock. / Vom Frosch zum Dynamo. Köln, o. J.
[06] Lang, Norbert: Alessandro Volta und die Suche nach speicherbarer Energie. Geschäftsbericht der Motor-Columbus AG Baden, 2002
[07] Ledjeff, Konstantin: Energie für Elektroautos. Karlsruhe, 1993
[08] Hug, Martin: Leiser Sieg mit BBC-Hochenergiebatterie. BBC-Hauszeitung 9/1987

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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