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TEC21 2012|45
Solarstrom im Aufwind
TEC21 2012|45
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Solarstrom: Fördern und fordern

In die Photovoltaik werden grosse Hoffnungen gesetzt. Die Kosten für Solarstrom sind in den letzten vier Jahren massiv gesunken. Derzeit stammen etwas mehr als 0.3 TW h Strom aus Photovoltaikanlagen (0.5 % des Stromendverbrauchs). In seiner Energiestrategie 2050 hält der Bundesrat bis 2050 eine jährliche Produktion von mehr als 11 TW h Solarstrom für möglich. Das entspräche 19 % des heutigen Stromendverbrauchs. Wie rasch die Photovoltaik ausgebaut und wie sie gefördert werden soll, dazu gibt es jedoch unterschiedliche Ansichten.

2. November 2012 - Lukas Denzler
«It always seems impossible until it’s done.» An der Klimakonferenz im südafrikanischen Durban im Dezember 2011 war das Zitat von Nelson Mandela oft zu hören. Es könnte aber auch als Sinnbild für die angestrebte Energiewende dienen. Die Schweiz will mittelfristig aus der Atomenergie aussteigen; die dadurch entstehende Lücke soll mit mehr Energieeffizienz und viel Strom aus erneuerbaren Energien ausgeglichen werden. Ende September präsentierte der Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 nun eine Vorlage und zeigte damit auf, wie er die Energiewende angehen will.[1] Der Ausbau der Photovoltaik spielt dabei eine zentrale Rolle. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Parlament und Bevölkerung diesen Weg einschlagen wollen.

Was heute schon ist

Gemäss der schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien betrug 2011 der Anteil der Photovoltaik an der Elektrizitätsproduktion 0.25 %. Aufgrund einer Umfrage bei den wichtigsten Anbietern von Photovoltaikanlagen rechnet Swissolar, der Fachverband für Sonnenenergie, 2012 mit einem Marktwachstum von mindestens 50 % gegenüber dem Vorjahr. Bis Ende Jahr steigt die Jahresproduktion somit auf mindestens 330 GWh an, was etwas mehr als 0.5 % des Stromendverbrauch entspricht. Trotz dieser Steigerung liegt die Schweiz immer noch weit hinter Deutschland zurück, das schon heute einen Solarstromanteil von etwa 5 % hat.

Deutschland führte im Jahr 2000 das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) ein. Es garantiert für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen feste Einspeisevergütungen. In der Schweiz wurde erst 2009 mit der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) ein analoges Fördersystem eingeführt. Die KEV garantiert je nach Technologie während 20 bis 25 Jahren einen festen Preis, der den Produktionskosten entspricht. Dem Beispiel Deutschlands folgend haben inzwischen weltweit über 60 Länder solche Fördersysteme eingeführt.

Zögerliche Schweizer Förderpolitik

Finanziert wird die KEV über einen Zuschlag auf den Strompreis. Damit trägt jeder Endverbraucher zur Förderung der erneuerbaren Energien bei. Derzeit beträgt in der Schweiz der Zuschlag 0.35 Rp./kWh.[2] In Deutschland ist die entsprechende Förderabgabe viel höher.

2011 betrug die sogenannte EEG-Umlage 3.53 ct/kWh (etwa 4.24 Rp./kWh).[3] Dieses Jahr ist sie leicht gestiegen, und für 2013 wird mit einem massiven Anstieg auf 5.3 ct/kWh (etwa 6.4 Rp./kWh) gerechnet.[4] Daher wurde die Kritik am EEG in den letzten Monaten immer lauter, und die Mittel für den weiteren Photovoltaikausbau wurden begrenzt. Mit seiner ehrgeizigen Förderpolitik hat Deutschland jedoch wesentlich dazu beigetragen, dass die Stromgestehungskosten bei den erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind.

In der Schweiz herrscht derzeit eine paradoxe Situation. Für die KEV könnte anstelle von 0.35 Rp./kWh bei Bedarf nämlich schon heute ein Zuschlag von 0.6 Rp./kWh erhoben werden (ergäbe eine Fördersumme von 320 Mio. Franken pro Jahr). Dieser Zuschlag kann gemäss Parlamentsbeschluss vom Juni 2010 ab 2013 bedarfsgerecht sogar auf maximal 0.9 Rp./kWh erhöht werden (das ergäbe etwa 500 Mio. Franken pro Jahr). Doch diese Mittel können momentan gar nicht ausgeschöpft werden, weil viele Wasser- und Windkraftwerke, die KEV-Beiträge zugesprochen erhalten haben, wegen Einsprachen noch in Bewilligungsverfahren blockiert sind. Bei der Photovoltaik werden die Fördergelder hingegen voll ausgeschöpft. Ihr Ausbau ist gemäss Energiegesetz jedoch begrenzt; die Kontingente werden vom Bundesrat jedes Jahr festgelegt. Dieser sogenannte Deckel soll verhindern, dass zu viele Mittel in eine schnell realisierbare, aber noch teure Technologie fliessen.[5] Ohne diese Bestimmung wäre die Einführung der KEV im Parlament nicht mehrheitsfähig gewesen.

Die Begrenzung des Solarstroms führte zu einer langen Warteliste bei der KEV für Photovoltaikanlagen.

Eine parlamentarische Initiative will nun Abhilfe schaffen. Ein erster Entwurf der dafür zuständigen Kommission des Nationalrats (UREK-N) möchte den KEV-Zuschlag auf 1.4 Rp./kWh erhöhen, wobei energieintensive Betriebe entlastet werden sollen. Damit stünden insgesamt mehr Mittel für die erneuerbaren Energien zur Verfügung. Ziel ist es, die Warteliste von insgesamt rund 21 000 Projekten abzubauen. Im Bericht der UREK-N heisst es, mit der Aufstockung der für die KEV zur Verfügung stehenden Mittel könnten im besten Fall die Hälfte der bis April 2012 angemeldeten Photovoltaikprojekte freigegeben werden. Ob das Parlament diesem Vorschlag folgt, wird sich zeigen.

Halbierung der Kosten für Solarstrom

Zurzeit ist Photovoltaik immer noch die teuerste Produktionsart der erneuerbaren Energien. In den letzten Monaten sanken die Kosten jedoch in einem Ausmass, wie es kaum jemand vorausgesehen hatte. Die Kostenreduktion wurde möglich dank der technischen Entwicklungen bei der Herstellung der Module sowie der Massenproduktion. Zudem ist der Konkurrenzdruck gestiegen, weil in Asien immer mehr Solarzellen kostengünstig produziert werden. Inzwischen ist China weltweit der grösste Produzent von Solarzellen. Unter Druck gekommen ist wegen der Überkapazitäten vor allem die europäische Solarindustrie, aber auch diejenige der USA. Der Preisverfall spiegelt sich auch in den fallenden Vergütungsansätzen für Solarstrom (Abb. 03, S. 31) wider. In der Energieverordnung (EnV) ist bei der Photovoltaik eine jährliche, automatische Absenkung der KEV-Vergütung um 8 % vorgesehen. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) reduzierte die Vergütungsansätze zusätzlich per 1. März 2012 um durchschnittlich 10 % und per 1. Oktober 2012 um weitere 15 %. Damit sank der durchschnittliche KEV-Vergütungssatz für Neuanlagen auf 31 Rp./kWh. 2009 hatte er noch 63 Rp./kWh betragen. Somit haben sich die Kosten für Solarstrom in den letzten vier Jahren ungefähr halbiert.

Für die Zukunft rechnet David Stickelberger von Swissolar zwar mit weiteren Kostenreduktionen bei den Solarmodulen, aber nicht mehr im Ausmass der vergangenen Jahre. Damit rückt die sogenannte Netzparität immer näher. Diese ist erreicht, wenn Solarstrom den gleichen Preis hat, wie ihn die privaten Haushalte für den Strom aus dem Netz zu bezahlen haben. Die Solarbranche glaubt, dass dies ab 2015 der Fall sein wird. Die Gestehungskosten bei Grossanlagen der neuesten Generation liegen bereits heute bei 20 Rp./kWh. Nicht berücksichtigt in dieser Rechnung sind allerdings die Netzkosten, die vom durchschnittlichen Strompreis von 20 bis 25 Rp./kWh ungefähr die Hälfte ausmachen. Und momentan sind die Haushalte noch auf einen Netzanschluss angewiesen, damit sie den überschüssigen Solarstrom ins Netz einspeisen und während der Nacht Strom aus diesem beziehen können. Je genauer die eigene Stromproduktion mit dem eigenen Bedarf übereinstimmt, desto weniger wird das Netz beansprucht.

Ehrgeizige Ziele 2050

Laut dem «Erläuternden Bericht zur Energiestrategie 2050»[6], der vom UVEK Ende September mit der Gesetzesvorlage in die Vernehmlassung geschickt wurde, liegt das nachhaltig nutzbare Potenzial der erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) bis 2050 bei geschätzten 24.22 TWh. Auf die Photovoltaik entfällt dabei der Löwenanteil von 11.12 TWh (das entspricht knapp einem Fünftel des aktuellen Stromendverbrauchs von 59 TWh). Die Basis für diese Schätzung bildeten die technischen Potenziale, die zwischen 2004 und 2006 im Rahmen der breit abgestützten Energieperspektiven 2035 erarbeitet worden waren. Die Energieperspektiven 2035 wurden für die Energiestrategie 2050 vom Bundesamt für Energie (BFE) aktualisiert.

In der im Herbst 2011 veröffentlichten Studie «Energiezukunft Schweiz» der ETH Zürich sind ähnliche oder sogar leicht höhere Photovoltaikpotenziale aufgeführt.[7] Die Autoren gehen bis 2050 von 10 bis 20 TWh Solarstrom aus; der realistische Wert wird mit 14 TWh angegeben. Bis 2020 wird mit 1.4 TWh Solarstrom gerechnet. Bei den Zwischenzielen ergeben sich somit Unterschiede, denn laut der nun vorgeschlagenen Gesetzesvorlage strebt das UVEK für 2020 einen Richtwert von lediglich 0.6 TWh an. Das entspräche nur etwa 1 % des heutigen Stromendverbrauchs. Nach den Vorstellungen des UVEK soll der Zubau der Photovoltaik im Unterschied zu den anderen erneuerbaren Energien weiterhin mit Kontingenten beschränkt werden. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Branche, eines kontinuierlichen Zubaus der Kapazität und einer Begrenzung der Gesamtkosten sei es nicht angezeigt, unbeschränkt finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, so die Begründung des UVEK. Bei Anlagen mit einer Leistung von weniger als 10 kWh sollen zudem keine KEV-Beiträge mehr gezahlt werden; an ihre Stelle sollen einmalige Investitionshilfen treten (vgl. Kasten). Gar nicht zufrieden mit dem vom Bund angeschlagenen Tempo bei der Photovoltaik ist Swisssolar. «Damit riskiert man, die dynamische Entwicklung der Branche abzuwürgen», sagt David Stickelberger. Swisssolar möchte bis 2025 einen Anteil vom 20 % Solarstrom erreichen. Das wären 12 TWh, also etwas mehr, als das BFE erst für 2050 erwartet.

Gibt es genügend geeignete Flächen?

Swissolar schätzte auch die Kosten und den Flächenbedarf.[10] Basierend auf dem heutigen Fördermodell würde der KEV-Zuschlag auf 1.4 bis maximal 2.4 Rp./kWh steigen. Für die Produktion von 12 TWh Solarstrom wäre eine Fläche von 90 km2 nötig. Das entspricht 12 m² pro Einwohner. Um das 20 %-Ziel zu erreichen, müsste bis 2025 jährlich eine Fläche von durchschnittlich 7 km2 mit Solarmodulen bestückt werden. Das ist nicht unmöglich. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz gehen von über 400 km2 Dachflächen in der Schweiz aus. Von diesen dürften sich 100 bis 150 km2 für Photovoltaikanlagen eignen.[11]

Doch wie lassen sich geeignete Flächen mobilisieren? Peter Franken, Leiter des Geschäftsbereichs Energieverteilung bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ), sagte an einer kürzlich von seiner Firma organisierten Tagung, es sei gar nicht so einfach, geeignete Flächen zu finden. Industriebetriebe seien nämlich sehr zurückhaltend, ihre Dächer für 20 bis 30 Jahre zur Verfügung zu stellen. Hier müssen praktikable Lösungen gefunden werden. Mancherorts werden auch Photovoltaikanlagen im Freiland ins Auge gefasst. Die EKZ prüfen etwa den Bau einer grossen Anlage in einem Steinbruch am Walensee. Das Planungsgebiet liegt jedoch im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Auf Grundlage der heutigen Gesetzgebung ist das Projekt kaum realisierbar. Das Gleiche gilt auch für das Vorhaben der Centralschweizerischen Kraftwerke AG, im luzernischen Inwil auf einem einst für ein AKW vorgesehenen Gelände eine Photovoltaikanlage auf 15 ha Kulturland zu bauen. Allerdings will der Bundesrat im neuen Energiegesetz festlegen lassen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien und ihr Ausbau in der Regel von nationalem Interesse sind, das gleich- oder höherwertig als Umwelt- und Landschaftsschutz zu gewichten ist.

Zukünftige Herausforderungen

Neben den raumplanerischen Konflikten, die sorgfältige Güterabwägungen erfordern[12], gilt es weitere Herausforderungen zu meistern. Bei steigenden Solarstromanteilen wird die Netzintegration immer wichtiger (vgl. TEC21 38 / 2012). Die Schweiz befindet sich dank der stark ausgebauten Wasserkraft mit flexiblen Speicherseen und Pumpspeicherwerken in einer recht komfortablen Lage. Nach Einschätzung von Experten sollte die Integration von 10 % Solarstrom keine grösseren Probleme verursachen. Bei höheren Anteilen sind Anpassungen und Ausbauten der Netzinfrastruktur sowie zusätzliche Speichermöglichkeiten nötig. Fachleuten zufolge werden wahrscheinlich nicht die Kosten für die Erzeugung von Solarstrom dessen Anteil begrenzen, sondern die Netzintegration. Es ist eine anspruchsvolle Aufabe, das bisherige Elektrizitätsversorgungssystem auf eine zunehmend dezentrale Stromeinspeisung umzustellen (vgl. TEC21 12 / 2011). Das künftige Stromnetz wird nicht mehr nur im Einbahnverkehr betrieben, sondern muss sinnbildlich für Gegenverkehr gewappnet sein. Dieses komplexe System mit unterschiedlichsten Stromerzeugungsarten zuverlässig zu steuern und zu koordinieren, wird die neue grosse Aufgabe der Elektrizitätsunternehmen sein.

Ein Problem, das ebenfalls noch zu lösen sein wird, stellt die Versorgung im Winter dar, wenn der Strombedarf hoch ist, der Ertrag aus der Photovoltaik aber geringer ausfällt als im Sommer. Eine Möglichkeit, diese Differenz zu verringern, wäre, mehr Anlagen in den Alpen zu bauen. Im Unterschied zum Mittelland, wo im Sommer 70 % und im Winter 30 % des Solarstroms anfallen, ist das Verhältnis im alpinen Raum deutlich ausgeglichener.

Eine weitere Herausforderung betrifft die Integration der Photovoltaikmodule in die Bausubstanz. Es wird Fälle geben, in denen aus Gründen des Denkmal- oder Ortsbildschutzes darauf zu verzichten ist. Entscheidend für den Umbau des Energieversorgungssystems wird jedoch der Wille der Gesellschaft sein. Die Energiewende ist kein Selbstläufer. Soll es vorwärts gehen, muss die Politik die Weichen stellen und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen.


Anmerkungen:
[01] www.energiestrategie2050.ch
[02] Nicht eingerechnet ist hier der Zuschlag für den Gewässerschutz, der maximal 0.1 Rp. / kWh beträgt.
[03] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen, Juli 2012
[04] Pressemitteilung der deutschen Übertragungsnetzbetreiber vom 15. Oktober 2012
[05] Bei Einführung der KEV 2009 durften nur 5 % der Fördermittel in die Photovoltaik fliessen; heute könnte der Anteil infolge der gesunkenen Gestehungskosten für Solarstrom auch höher sein (max. 30 %).
[06] Erläuternder Bericht zur Energiestrategie 2050 (Vernehmlassungsvorlage), UVEK
[07] G. Anderson, K. Boulouchos, L. Bretschger: Energiezukunft Schweiz. ETH Zürich, 2011
[08] Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW): Wie soll Strom aus erneuerbaren Energien gefördert werden?, 2012
[09] Trends in Photovoltaic Applications, IEA-PVPS, 2012
[10] Swissolar: Hintergrundpapier, 10. Nationale Photovoltaik-Tagung vom 22. u. 23. März 2012 in Baden
[11] Akademien der Wissenschaften Schweiz: Zukunft Stromversorgung Schweiz, 2012
[12] Akademien der Wissenschaften Schweiz: Lösungsansätze für die Schweiz im Konfliktfeld erneuerbaren Energien und Raumnutzung, 2012
[13] Vgl. Fussnote 11; Akademien der Technischen Wissenschaften (SATW): Erneuerbare Energien – Herausforderungen auf dem Weg zur Vollversorgung, 2011

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

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