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db deutsche bauzeitung 11|2012
Energetisch sanieren …
db deutsche bauzeitung 11|2012

Vom Schandfleck zum Schmuckstück

»Haus der Begegnung« in Königstein im Taunus

Baudenkmäler haben zwar keine strengen EnEV-Vorgaben einzuhalten – eine halbwegs wirtschaftliche Nutzung muss aber möglich sein. Bei der Sanierung des »Haus der Begegnung« ist diese Gratwanderung zwischen Bewahren des Charmes und energetischer Ertüchtigung weitgehend gelungen, sodass es unlängst sogar eine Green Building-Auszeichnung bekam: eine Erfolgsgeschichte aus dem Taunus, die, nach jahrelangem Auf und Ab, Investorensuche und bereits erteilter Abrissgenehmigung, von einer glanzvollen Wiedergeburt erzählt.

19. November 2012 - Christoph Gunßer
Rund 300 m² Glasfassade mit Blick in den Taunus – das Markenzeichen des »Haus der Begegnung« machten das kirchliche Zentrum seinerzeit zum »modernsten und schönsten Tagungshaus Hessens« (so die zeitgenössische Presse 1955), aber auch zu einer Energieschleuder. Denn zu Veranstaltungen musste der karge Nachkriegsbau früher drei Tage lang vorgeheizt werden. An sonnigen Tagen wurde es dann aber hinter der bleiverglasten Südwestfassade rasch zu warm. Eine innere Schutzverglasung, später ein grüner Anstrich, zuletzt, in den 80er Jahren, die komplette Verbretterung schufen zwar bauphysikalisch Abhilfe, doch ruinierten sie gerade das Markenzeichen des Hauses.

Obwohl das Gebäude 1988 unter Denkmalschutz gestellt wurde, schien schließlich alles auf einen Abriss hinauszulaufen. Die Stadt als neue Eigentümerin konnte Anfang der 90er nachweisen, dass ihr der Betrieb wirtschaftlich nicht mehr zumutbar war, 2000 erteilte das Landesamt für Denkmalpflege die Abrissgenehmigung. Erstaunlicherweise kam es fünf Jahre später zu einem Bürgerbegehren, das sogar die damals regierende Partei spaltete und die Wende einleutete: Unterstützt vom Förderprogramm der Deutschen Energieagentur dena (Modellvorhaben »Niedrigenergiehaus im Bestand«), die seit 2007 energetische Sanierungen öffentlicher Gebäude wissenschaftlich begleitet, gab der Stadtrat den Umbau und die Sanierung zu einem »Leuchtturmprojekt« in Auftrag. Dies wird der Rolle des Gebäudes in der Königsteiner Geschichte, v. a. aber auch der besonderen Ästhetik dieses 50er-Jahre-Baus gerecht.

Offen, transparent und in Bauhaus-Manier

Das »Haus der Begegnung« wurde 1955 als Zentrum der katholischen Vertriebenen auf einem ehemaligen Kasernengelände am Rande Königsteins eingeweiht. Hier fanden Kongresse, Seminare und Bischofskonferenzen statt, außerdem sammelte die Organisation »Kirche in Not/Ostpriesterhilfe« Kräfte für Osteuropa. Zu diesem asketisch-missionarischen Anspruch passte die schlichte, unprätentiöse Behausung (Architekt: Hans Busch, Frankfurt, mit dem Künstler Jupp Jost), geschmückt allein mit einem weit ausgreifenden Engels-Sgraffito auf den Hauptschauseiten, der in elegantem Schwung in die Glasfassade hineinreichte. Sie stand in Anknüpfung an die Bauhaus-Moderne für Offenheit, Transparenz und demokratische Werte. Ursprünglich schloss sich seitlich noch ein niedrigerer Bettentrakt für Gäste und Mitarbeiter an. Er war zum Ende der 90er Jahre hin zwar nutzlos geworden, ergänzte das Ensemble aber zu einem reizvollen Hof, einer Zuflucht in der Zeilen-Vorstadt. Davon ist – leider – nach der Sanierung nur noch das luftige Torgebäude übrig geblieben, das den Eingang zum Quartier markiert. Die Sanierer mussten aus Kostengründen Prioritäten setzen.

Die 2009 von Architekten und Stadt veranschlagten 5 Mio. Euro erwiesen sich ohnehin bald als zu knapp kalkuliert: Das »Haus der Begegnung« war seinerzeit vom billigsten Bieter errichtet, das Baumaterial aus Trümmerschutt zusammengebacken, Pläne waren nur lückenhaft hinterlassen. Die Darmstädter Architektengruppe werk.um unter Leitung von Arne Steffen, beauftragt zunächst mit einem Gutachten, daraufhin mit der Ausführungsplanung, war zwar fasziniert von der »unverdorbenen« Qualität des ohne viele Veränderungen erhaltenen Haupthauses, sah sich aber mit einer nach heutigen Maßstäben äußerst mageren Statik und zahlreichen Bauschäden konfrontiert.

Immerhin war dem Gebäude mit den gängigen Mitteln beizukommen: Betonsanierung, Dämmung von Außenwänden, Böden und Decken, Erneuerung der Fenster sowie nahezu sämtlicher Oberflächen und natürlich der Haustechnik. Abgesehen von der besseren Anbindung des einst als Garagen für die Missionsbusse dienenden und nun für weitere Tagungsräume zu nutzenden UGs durch ein neues Treppenhaus gab es keine Eingriffe in tragende Strukturen.

Unverdorbenes nicht verfetten

Eine im Denkmalschutz gern bevorzugte Innendämmung schied für die Architekten aus: zu teuer, bauphysikalisch zu problematische Anschlussdetails, heißt es von dort. Die Denkmalpflege stimmte einem WDVS unter der Bedingung zu, dass die vorhandenen Sgraffiti auf die neue Außenhaut übertragen werden. Das gelang dann auch in akribischer Kleinarbeit – die Architekten sind dabei voll des Lobes für die Handwerker. Der dunkelgrau gefärbte Putz ist von einer fast händisch-rohen Rauheit, die einem aus Nachkriegsbauten vertraut ist.

Die 10 cm Dämmschicht aus Polystyrol-Hartschaum führte zumindest bei der Fassade nicht zur befürchteten Verfettung, da auch die neuen Fenster herausgerückt wurden und fast bündig mit der Fassade abschließen. Die Dachüberstände hingegen sind erkennbar mächtiger, die zuvor sanft gebogenen Eternitplatten der Eindeckung etwas zu eckig geworden. Die schlanken Aluprofile der Lochfenster wurden wieder im Stile der 50er durch feine weiße Umrahmungen abgesetzt, die mehrflügeligen Fenster getreu den Vorbildern gefertigt.

Bleifenster auf Dreifachverglasung

Die große Glasfassade indes musste völlig neu konzipiert werden. Da die prägenden schmalen Bleifenster lückenhaft waren, musste diese »Schmuckschale« originalgetreu neu aufgebaut werden (ein Kirchenfenster-Experte nahm sich dieses Themas an). Als Trägerschicht dienen großformatige, von schmalen Leisten gehaltene und durch aufgeklebte Sprossen weiter unterteilte Elemente aus gängigem Dreifachglas. Als Vorbild für dieses Laminierverfahren diente Gerhard Richters unlängst für den Kölner Dom gefertigtes Kirchenfenster. In dieser Größe ist die Fassade aber ein Novum und zumindest in der Gliederung nah am Original. Ohne eine Hinterlüftung in Form einer Doppelfassade – eine aufwendigere Option, die aus Kostengründen verworfen wurde –, musste der Energieeintrag durch Sonnenschutzverglasung reduziert werden, die glücklicherweise keinen ausgeprägten Spiegeleffekt hat.

Im Innenraum steuert eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung der verbleibenden Wärmelast entgegen und sorgt nach ersten Erfahrungen für guten thermischen Komfort. Abluftöffnungen und -kanäle wurden in den Wänden, über den Fenstern und in der neuen, stark vergrößerten Brüstung der Empore versteckt. Die Zuluft wird über einen Erdkanal nach Bedarf vorerwärmt oder -gekühlt. Die Restwärme erzeugt ein Pelletkessel im UG. So liegt der Primärenergiebedarf bei respektabel niedrigen rund 100 KWh/m²a, was 65 % unter dem Höchstwert der hier maßgeblichen EnEV 2007 und immer noch 40 % unter dem schärferen Limit von 2009 liegt.

Fifties Revival, nur: Was ist hier noch alt?

Abgesehen von der fachlichen Begleitung durch die dena gab es für das Pilotprojekt einen zinsvergünstigten Kredit der KfW, der mit 550 Euro/m² NGF folglich 250 Euro höher war als die typische kfW-Förderung, sowie einen fünfstelligen Zuschuss aus Denkmaltöpfen. Mittlerweile sonnt sich die Stadtverwaltung in der Publicity für ihr »Green Building« und bereut keinesfalls den Mehraufwand für die Sanierung. Das Haus bewährte sich in diesem Sommer schon bei einem großen Musikevent und erfreut sich auch im Alltag reger Belegung durch örtliche Vereine und Institutionen. Kaum einer trauert hier mehr den kühneren Abriss- und Neubauplänen nach, die es einmal gab.

Wer das Gebäude betritt, erlebt ein runderneuertes Haus, an dem außer Kubatur und Gliederung allerdings nur noch sehr wenig sichtbar alt ist. Alles ist zwar so originalgetreu wie möglich, doch insbesondere die optische Leichtigkeit, die Beschwingtheit der 50er Jahre musste an einigen Stellen geopfert werden, meist aus Sicherheitsgründen wie etwa bei den Treppengeländern und den Stützen im großen Saal oder bei der Empore, in der die neue Technik untergebracht werden musste. Allein der wunderbare Mosaikboden aus großformatigen Natursteinen im Foyer strahlt, poliert und ausgebessert, noch den echten informellen Charme aus. Von der abgehängten Saaldecke aus gefalteten Acella-Elementen (PVC-Paneelen von seidigem Glanz), die über die Jahre löchrig wurden, ließ sich nur noch ein schmaler Streifen über der Empore original erhalten. Die nachgebildete Konstruktion trägt weiter wesentlich zur guten Raumakustik bei. Im bereits früher veränderten Foyer erlaubten sich die Planer hingegen, die abgehängte Holzlattendecke zu entfernen, um mehr Licht ins Innere zu leiten. Auch durch behindertengerechte Einbauten in den Tagungsräumen gibt es Störungen der Harmonie, doch insgesamt ergibt sich ein stimmiges Bild. Die Architekten blieben hier ganz in der dienenden Rolle, und fraglich ist, ob eine mutigere Kontrastierung dem Interieur gutgetan hätte.

Im Außenraum jedoch nahm man erstaunlich wenig Rücksicht auf die alte Situation, und das tut dem Ort nicht gut: An die Stelle der prägenden und städtebaulich wichtigen Hof-Situation trat eine offene, grafische Beetgestaltung, die Fluchttreppen landen auf einer ungeschützten, lediglich gesplitteten Terrasse. Ausgerechnet auf dem urbanen Präsentierteller reichten offenbar Geld und Gestaltungshoheit der Akteure nicht aus, um großzügiger zu planen. Warum wagte man etwa anstelle des obsoleten Bettentrakts keinen Neubau für Hotel oder Gastronomie, der den im Stadtgefüge etwas abgelegenen Ort zudem beleben und zu einem Platz machen würden? Keinen Fake wie ein paar Schritte weiter, wo eine nagelneue Altenresidenz im historistischen Retro-Mix steht, sondern einen Dialog mit den 50er Jahren. Dann würde womöglich für alle deutlich: Mit seiner formalen Klarheit und Kargheit wirkt das »Haus der Begegnung« in dieser reichen Stadt geradezu provozierend zeitgemäß.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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