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db deutsche bauzeitung 03|2013
Im Bade
db deutsche bauzeitung 03|2013

Wohlbefinden für alle

Hallen- und Freibad mit Wellnessbereich in Graz (A)

Statt ein im Quartier beliebtes Hallen- und Freibad von Grund auf zu sanieren, entschied sich die Stadt Graz für die wirtschaftlichere Variante eines Neubaus. Entstanden ist ein Sportbad mit Wellnessbereich, das sich sowohl durch ein komplexes Raumprogramm als auch durch seine leichte und lichtdurchflutete Atmosphäre auszeichnet. Die Besucher strömen aus allen Stadtteilen.

28. Februar 2013 - Karin Tschavgova
Es war lange bekannt: Hallenbad und Sauna der Badeanlage aus den 70er Jahren waren desolat, ihr Betrieb nur mit extrem hohen Kosten aufrechtzuerhalten. Ein umfassendes Sanierungskonzept erwies sich als zu teuer und nicht in allen Punkten umsetzbar. Die Verwirklichung eines Orts modernster Badefreuden im einst bedeutenden Arbeiterbezirk Eggenberg im Grazer Westen scheint uns heute folgerichtig, ist aber dennoch bemerkenswert, weil sie auch als Bekenntnis der Stadt gelesen werden kann, sich das kommunale Angebot an Freizeitgestaltung viel Geld kosten zu lassen. Von Anfang an wurden bei diesem Projekt »Nägel mit Köpfen« gemacht – die Stadt als Bauherr und die Freizeitbetriebe der Stadtwerke als Auftraggeber erarbeiteten gemeinsam ein ambitioniertes Programm, Kosten wurden annähernd richtig geschätzt (was heute nicht immer selbstverständlich ist) und ein zweistufiger, EU-weit offener Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Wassersportverbände, Schulen und sportliche Einzelkämpfer sollten mit einem wettkampftauglichen 50-m-Becken im Hallenbad angezogen werden, Freunde von Dampfbad und Saunakultur mit einem »Update« des Angebots von der einfachen Sauna bis hin zum bestausgestatteten Wellnessbereich.

fasch&fuchs.architekten konnten den Wettbewerb für sich entscheiden. Hemma Fasch, Gründerin und Miteigentümerin des heute in Wien ansässigen Büros, ist selbst im Grazer Bezirk Eggenberg aufgewachsen. Ihr stadträumliches Konzept sah als eines von wenigen Projekten vor, das geforderte Bauvolumen an die straßenseitigen Grundstücksränder im Norden und Osten zu rücken, um den Becken und Liegewiesen des Freibereichs damit Abschluss und Intimität zu geben. Der langgestreckte, mehrfach sanft geknickte Baukörper formt eine Geste ausgebreiteter Arme und gibt sich damit einladend oder bergend – je nachdem, von welchem Standort aus man ihn betrachtet. Seine zum Straßenraum hin weitgehend geschlossene Fassade aus geschuppten Metallpaneelen in unterschiedlichen Blautönen unterstreicht die Schutzfunktion. In der Diktion der Architekten gleicht das Gebäude der geöffneten Schale einer Muschel: von einer Seite uneinsehbar und verschlossen, zur anderen – nach Süden und Westen hin – weit geöffnet, seinen Inhalt ins beste Licht gerückt. Und tatsächlich war die Metapher der Auster namensgebend.

Entkoppelt und verbunden zugleich

Die horizontale und vertikale Organisation der Grundrisse spiegelt die Zweigeteiltheit der Funktionen deutlich wider: Die beiden divergierenden Raumprogramme von Hallenbad und Spa sind kreuzungsfrei voneinander getrennt, aber so angeordnet, dass der Zugang zu beiden im Zentrum liegt und der Übergang von einem zum anderen möglich ist. So kann auch, wer den Wellnessbereich bucht, von dort über die Schwimmbad-Garderobe im UG direkt in die Schwimmhalle gelangen.

Zum Haupteingang an der Schnittstelle der beiden Funktionsbereiche führt ein deutlich ansteigender Vorplatz mit Wartebänken. Vor dem Besucher liegen die Kasse, dahinter das Selbstbedienungs-Restaurant mit dem direkten Durchgang zum Freibad für den Sommerbetrieb, seitlich der Zugang zum Wellnessbereich und der Abgang in die Garderoben für Individualschwimmer. Sportler erreichen ihre Umkleiden unter der Tribüne über einen gesonderten Zugang. Die Garderoben geben dem Besucher bereits eine treffliche Vorschau auf das, was ihn danach in der Schwimmhalle erwartet. Sie sind hell, fröhlich, übersichtlich und bis ins Detail mit erstaunlicher Sorgfalt gestaltet. Schließfächer wurden zu farbig fein nuancierten Blöcken mit siebbedruckten Glasflächen als Hülle zusammengefasst.

Eine Glaswand ermöglicht schon vom Foyer aus einen ersten Überblick über die beeindruckend große, bis zu 11 m hohe Schwimmhalle, die, als Volumen sanft ins Gelände modelliert, ein Geschoss tiefer erschlossen wird. Der Logik der klaren Trennung unterschiedlicher Bereiche folgt auch die vertikale Schichtung der Funktionen. Über dem Foyer wurde die Verwaltung positioniert – getrennt vom öffentlichen Bereich, jedoch über ein Atrium im Blickkontakt zum Geschehen am Eingang. Das Gesundheitszentrum für Massagen und Anwendungen wiederum bildet eine Funktionseinheit für sich, die zwar über dem Wellnessbereich liegt und von dessen Ruhezone aus zugänglich ist, jedoch auch einen eigenen Zugang von außen hat, der es vom Bade- und Saunabetrieb entkoppelt.

In der Grundrisskonzeption der einzelnen Bereiche folgen die Architekten einem Gestaltungsprinzip, das jede ihrer Arbeiten kennzeichnet: Offenheit, Transluzenz und Transparenz. Sie legen Raumfolgen mit visueller Durchlässigkeit an oder verbinden Bereiche zu einem fließenden Raumkontinuum und schaffen es, selbst die Grenze zwischen Innen- und Außenraum in eine kaum merkliche Trennlinie zu verwandeln.

Modelliertes Raumvolumen

Eine Spezialität von fasch&fuchs.architekten ist die Entwicklung der Gebäudequerschnitte, die man nicht besser als in den Worten des renommierten österreichischen Architekturpublizisten Otto Kapfinger beschreiben kann: »Sie entwerfen Gebäude wie Karosserien, wie kompakte Chassis für leichte Cabriolets, die ihre Sehnen und ihren Knochenbau spüren lassen, die sichtbar auf Sonne und Wetter, auf Stadt und Gelände reagieren können.«

Für ihre kompakten Gehäuse, die zugleich leicht und filigran wirken, entwickeln die Architekten mit Vorliebe Stahltragwerke – in langjähriger befruchtender Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern von werkraum wien. Das Primärtragwerk der Schwimmhalle besteht aus ebenen, geknickten Stahlfachwerkträgern im Abstand von etwas mehr als 10 m, das Dach über der Verteilerzone und dem Wellnesstrakt ist mit Formrohrträgern überspannt. Dem Grundriss des Gebäudes folgend variieren die Trägerspannweiten zwischen 40 m in der großen Halle und 10 m an seinem schmalen Ende, das mit einer Außensauna und dem Zugang zu den Tauchbecken im Saunagarten markiert ist. Straßenseitig lagern die Fachwerkträger auf stählernen Zweibeinen auf, während das Dach an der Gartenfassade, die sich nach Süden hin weit aufspreizt, von Pendelstützen getragen wird, die in ihrer Neigung dem Verlauf der Glasfront folgen. Die große Auskragung des Dachs ist nicht nur Schutz vor der hochstehenden Sommersonne, sie wirkt auch günstig auf das Verformungsverhalten der Struktur. Gedämmte Sandwichelemente zwischen den Trägern mit innen liegenden Rippen als Verstärkung und der für den Transport optimierten Breite von 290 cm bilden nicht nur die innere Schicht der Gebäudehülle, sondern wirken als konstruktiv aussteifende Scheiben.

Leichtigkeit und Farbe

In der Schwimmhalle und im Spa ist die weiß lasierte Dachuntersicht der modularen Elemente je nach Standort durch untergehängte Membranpaneele verdeckt, die – rautenförmig geknickt und mikroperforiert – nicht nur akustisch wirksam sind, sondern auch ein plastisches Bild ergeben. Über variantenreiche farbige Hinterleuchtung können so abends in der Halle abseits der Askese des Wettkampfs stimmungsvolle Szenarien erzeugt werden, die den sportlichen Aspekt des Schwimmens in den Hintergrund treten lassen. Darüber hinaus ist Farbe in der Möblierung der Schwimmhalle nur akzentuierend eingesetzt: bunte Sitzpolster auf der dunklen Tribüne, ein eigens entworfenes, gegossenes Sitz- und Liegemöbel und der Ton des Wassers im Stahlbecken sind Farbtupfer im sonst dominierenden strahlenden Weiß. Kleine Eingriffe wie die Beheizbarkeit der Tribünenstufen, die dadurch als Liegeflächen genutzt werden können, steigern den Komfort.

Der Wellnessbereich ist als organisch geformte offene Raumsequenz für 180 Personen ausgelegt. Trotz seiner beeindruckenden Größe sorgt die differenzierte Gestaltung der verschiedenen Bereiche von Aktivität
und Ruhe, von der Garderobe bis zur Außensauna, für die jeweils angemessene Atmosphäre und erweist sich tagsüber als ungewöhnlich lichtdurchflutet. Er wird beidseitig und von oben belichtet: partiell von der Straßenseite, wo stabförmig gedämmte Glaspaneele Einblicke verhindern, und von der verglasten Parkseite, wo der gut angenommenen Saunagarten durch eine Hecke und ein Höhensprung im Gelände vor Blicken aus dem Freibad geschützt ist. An dieser Wohlfühloase mit ihrer Abfolge von unterschiedlichen Becken, Saunen, Tepidarien, Liegeflächen und der ins Raumvolumen eingehängten Ruhezone zeigt sich die Leidenschaft der Architekten besonders gut, spannenden, vielgestaltig und abwechslungsreich modellierten Raum zu schaffen. Das Anthrazitgrau des Steinzeugbodens ist eine kluge, unverzichtbare Wahl. Es findet auch Verwendung an der Deckenuntersicht der niedrigeren Zone und der Oberfläche der Feuergrotte, die vom Innenbecken aus erkundet werden kann, und bildet die Klammer, die den überbordenden Farb-, Form- und Materialeindruck des ersten Blicks bändigt und Ruhe und Einheit zu vermitteln vermag.

Es wäre ein Missverständnis, aus den ungewöhnlichen Raumfiguren von fasch&fuchs.architekten abzuleiten, dass es ihre Intention ist, einen unverwechselbaren Personalstil zu kreieren oder in jedem Fall originell sein zu wollen. Wer ihre Bauten näherer Betrachtung unterzieht, wird erkennen, dass jedem Konzept die genaue Kenntnis und Analyse des Orts vorangeht. Dass geforderte Funktionen zwar streng hinterfragt und unorthodox interpretiert werden, aber Funktionalität immer ein wichtiger Parameter des Entwurfs bleibt. Mit dem erfreulichen Effekt, dass Bauherr und Auftraggeber des Grazer Bads mit sichtbarem Stolz und ohne Einschränkung von einem rundum gelungenen Bauwerk mit sehr guten Besucherzahlen sprechen, das mittels effizientem Haustechnik- und Energiekonzept im Betrieb kostensparender als das alte, kleinere Bad sein kann.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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