Zeitschrift

TEC21 2013|12
Nadelöhr Cityring
TEC21 2013|12
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Enges Zeitkorsett

Der Verkehr soll im Baustellenbereich während der ganzen Bauzeit rollen: Dies war eine der wichtigsten Prämissen für das Projekt Cityring Luzern. Die damit verbundene zeitliche Beschränkung der Bauarbeiten auf eng definierte Zeitfenster – während der Nacht und an ausgewählten Wochenenden – bestimmte Planung und Ausführung.

15. März 2013 - Matthias Neidhart, Franz Koch
Um in beiden Fahrtrichtungen auch während der Bauarbeiten drei Fahrstreifen anbieten zu können, galt es auf dem Lehnenviadukt über der Reuss einen Zusatzstreifen zu schaffen. Als Vorleistung dazu ­musste die angrenzende Stützmauer abgebrochen und zurückversetzt werden (Abb. 6, S. 19). Anschliessend konnten die Arbeiten Fahrbahn für Fahrbahn vom Hang zur Reuss hin ­verlagert werden. Damit verbunden war eine phasenweise angepasste Verkehrsführung. Im Reussporttunnel blieb auch während der Bauarbeiten stets einer der drei Fahrstreifen für den Verkehr geöffnet, während auf den beiden anderen Fahrstreifen nachts und an den Sperrwochenenden gearbeitet wurde. Der vorbeirollende Verkehr sorgte für einen hohen Lärmpegel und eine entsprechende Belastung der Arbeiter. Besonders die Baustellen­zu- und -wegfahrten direkt in den Autobahnverkehr forderten von allen Beteiligten höchste Aufmerksamkeit.

Schnell bauen dank geeigneten Geräten und Produkten

Nachts konnten die Arbeiten jeweils erst rund 45 Minuten nach der Sperrung, gegen 20.45 Uhr, aufgenommen werden und mussten bis rund eineinhalb Stunden vor der Verkehrsfreigabe, also bis um 4.30 Uhr, wieder beendet sein (vgl. S. 23, «Und täglich grüsst der ­Berufsverkehr»). Eine detaillierte Planung stellte sicher, dass die vorgesehenen Tätigkeiten bis zum Morgen abgeschlossen waren oder zumindest eine provisorische Lösung bestand, die ausreichend sicher der Belastung durch den Verkehr tagsüber standhielt. Die gesamte bauliche Erneuerung der beiden Tunnel erfolgte deshalb Schritt für Schritt in definierten Einzel­abschnitten. Die seitlichen Arbeitsstellen wurden tagsüber mit Holzabdeckungen – provisorische Bankette, um den Fluchtweg zu gewährleisten – abgedeckt und mit Stahlleit­elementen (Mini-Guards) abgetrennt. Für Arbeiten, die die Fahrbahn tangierten, etwa für den Neubau der Entwässerungsleitungen, reichte eine Nacht nicht aus. Sie fanden deshalb während der Sperrwochenenden zwischen Freitagabend und Montagmorgen statt, sodass es beispielsweise möglich war, einen provisorischen Belag einzubauen.

Der Einsatz geeigneter Maschinen trug dazu bei, den Arbeitsfortschritt zu beschleunigen. So ermöglichte eine Grabenfräse, den Aushub der Gräben für die neuen Entwässerungs­leitungen zügiger voranzubringen, als dies durch Abspitzen möglich gewesen wäre.

Sie erzeugte wesentlich weniger Lärm als herkömmliches Abbruchgerät und konnte daher während der ganzen Nacht eingesetzt werden. Für bestimmte Aufgaben war aber sogar ein Sperrwochenende fast zu kurz. Dazu gehörte der Ersatz einer Rasterdecke im Sonnenbergtunnel durch eine konventionelle Tunneldecke. Die Rasterdecke gehörte noch zu den Installationen im Zusammenhang mit der Zivilschutzgrossanlage, als die der Sonnenbergtunnel hätte dienen sollen und die nun aufgegeben wurde (vgl. Kasten S. 22). Der Unterdruck des neuen Abluftsystems hätte die Decke stark beansprucht, weshalb eine stabilere Lösung eingebaut wurde. Obwohl ein schnell aushärtendender Polymerbeton verwendet wurde, reichte die vorgesehene Zeit nur knapp, um die Decke auf rund 22 m einzuschalen, zu betonieren und wieder auszuschalen. Bei tiefen Temperaturen wurden die Tunnelwände hinter einer mobilen Einhausung rund um die Uhr beheizt.

Ein spezieller, sehr widerstandsfähiger Polymerbeton, der schnell aushärtet, wenig schwindet und einfach eingebaut werden kann, kam auch beim Ersatz der Fahrbahnübergänge der Brücken zur Anwendung: Er ermöglichte den Ersatz der Fugen innerhalb der geplanten Wochenenden – eine Arbeit, die sonst bis zu drei Wochen in Anspruch nimmt.

Kampf dem Lärm

Über den Tunneln liegen Wohngebiete, weshalb die Projektleitung der Verringerung des Baulärms höchste Aufmerksamkeit schenkte. Besonders Abbrucharbeiten verursachten Körperschall. Aus Rücksicht auf die Anwohnenden konnten lärmintensive Bauarbeiten nur bis Mitternacht ausgeführt werden. Vor allem im Portalbereich der Tunnel und auf den Sentibrücken, von wo sich der Lärm auf die seitlichen Hanglagen ausbreitet, stand zudem der Luftschall im Fokus. Dank provisorischen Einhausungen liess sich der Schallpegel von ­Arbeiten mit Höchstdruckwasserstrahlen um bis zu 10 dB vermindern. Auch die bereits erwähnte Grabenfräse half die Lärmbelastung zu reduzieren. In den am meisten betroffenen Quartieren zeichneten Lärmmessgeräte den Luftschall rund um die Uhr auf. Ein monatlicher Bonus von 5000 Franken schuf für die Unternehmen den Anreiz, die Lärmwerte einzuhalten und bei Überschreitungen zu reagieren.

Die Projektleitung orientierte die Anwohnenden über anstehende Arbeiten und die mögliche Lärmbelastung. Für Einzelne waren hohe Lärmbelastungen jedoch nicht zu vermeiden, und so sah sich die Projektleitung auch mit Reklamationen konfrontiert.

Rhythmuswechsel

An das Personal stellte das Projekt ausserordentliche Ansprüche. Dazu beigetragen haben unter anderem die kurzen Nettoarbeitszeiten nachts, beengte Platzverhältnisse, Arbeiten unter Verkehr sowie winterliche Temperaturen. Als speziell belastend erwiesen sich die rund 50 unregelmässig verteilten Sperrwochenenden. Sie brachten einen Rhythmuswechsel von der Nachtschichtarbeit zu einem Dreischichtbetrieb mit sich, mit entsprechenden Wechseln vor bzw. nach den Wochenenden. Jede Nacht standen bis zu 100 Bauleute im Einsatz, parallel zur Tagesschicht auf den offenen Strecken. An Sperrwochenenden arbeiteten ­teilweise gar bis zu 250 Personen in sechs Schichten. Der grosse Personalbedarf, die unregelmässigen und ungewöhnlichen Arbeitszeiten sowie die Schichtplanung stellten die Unternehmen und Bauleitungen vor grosse Herausforderungen. Gleichzeitig verunmöglichten es die engen Platzverhältnisse den Unternehmen, das Personal zur Beschleunigung weiter aufzustocken.

Dank technischen Hilfsmitteln, dem Einsatz geeigneter Produkte und einem hohen Sicherheits- und Qualitätsbewusstsein ist es gelungen, das Projekt weitgehend unfallfrei zum ­Abschluss zu bringen. So liefert der Cityring Luzern wertvolle Erfahrungen für das Bauen mitten in der Stadt. Gleichzeitig wurden aber die Grenzen eines derartigen Vorhabens vor allem auf Seiten des Personaleinsatzes deutlich. Für künftige Projekte sind andere ­Modelle zu prüfen, die den Belastungen des Personals insbesondere in Bezug auf den Rhythmuswechsel besser Rechnung tragen, indem beispielsweise nur ein Schicht­arbeitsmodell zum Einsatz kommt, etwa ein Zweischichtmodell bei grösseren Baumassnahmen. Dies bedingt jedoch eine durchgehende Sperrung der Strasse. Bei kleineren Massnahmen kann auch eine durchgehende einfache Nachtschicht ausreichen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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