Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 05|2013
Vorsprung Holz
db deutsche bauzeitung 05|2013

Wirkungsvoll einfach

Sporthalle in Sargans (CH)

Die Vierfach-Sporthalle zweier Schulzentren ist seit August 2012 das Glanzstück im schweizerischen Sargans. Aufgrund ökologischer Gesichtspunkte stand bei dem Entwurf von Beginn an die Reduktion auf das Wesentliche im Vordergrund. Die besondere Ästhetik, umgesetzt mit modernster Holzbautechnik, basiert auf einfachen, aber wirkungsvollen Gestaltungsmitteln und ist einer frühzeitigen und engen Kooperation zwischen Architekten und Tragwerksplanern zu verdanken.

2. Mai 2013 - Susanne Jacob-Freitag
Die neue Sporthalle in Sargans im Kanton St. Gallen liegt eingebettet zwischen den hoch aufragenden Berggipfeln des Pizol, des Falknis und des Gonzen. Bevor sie errichtet wurde, stand an der gleichen Stelle eine fast 30 Jahre alte Dreifach-Sporthalle. Sie wies so viele Schäden auf, dass die Kosten für eine zeitgemäße Sanierung plus Anbau einer notwendig gewordenen weiteren Sporthalle nur unwesentlich unter den Neubaukosten gelegen hätten – eine Lösung, die außerdem weder baulich noch betrieblich zufriedenstellend gewesen wäre. So entschied sich der Bauherr, das Hochbauamt St. Gallen, für Abriss und Neubau und führte 2008 einen anonymen, einstufigen Wettbewerb durch, den die Planungsgemeinschaft blue architects & Ruprecht Architekten aus Zürich gewann.

Enges Korsett

Das Hochbauamt legte den Fokus des Projekts auf Nachhaltigkeit und auf regionale Wertschöpfung. Es forderte Minergie-Standard, die Einhaltung eines festen Budgets von 20 Mio. CHF (16,4 Mio. Euro) und geringe Unterhalts- und Entsorgungskosten. Zudem sollte die Bauzeit möglichst kurz sein, um die sportlichen Aktivitäten nicht allzu lange unterbrechen zu müssen, sowie die vorhandene Pfahlgründung des Vorgängers genutzt werden, da die Tragfähigkeit des Baugrunds im ehemaligen Sumpfland des Rheins sehr schlecht ist. Aufgrund all dieser Einschränkungen und Vorgaben hatten die Architekten die Sporthalle bereits beim Wettbewerb als Leichtbau in Holz konzipiert – was sich schließlich als entscheidendes Auswahlkriterium für ihren Entwurf darstellte.

Entwurfsidee und Ziel der Planungsgemeinschaft war, einen sinnlichen, ausdrucksstarken Edelrohbau mit einer Tragstruktur aus hochwertigem, möglichst sparsam und sinnvoll eingesetztem Holz zu errichten. Zur Optimierung von Kosten und Ressourcen prüften die Architekten deshalb bei jeder Projektphase aufs Neue, ob Arbeitsschritte bzw. Material eingespart oder Bauteile weggelassen werden können. Diese sorgfältige, konsequente Architektur ist nun das Markenzeichen des etwa 66 m langen und 56 m breiten Bauwerks.

Klare Struktur, grosse Wirkung

Städtebaulich orientiert sich die Sporthalle an der benachbarten, sanierten und erweiterten Kantonsschule sowie deren Positionierung im gesamten Campus, der zusätzlich einen Pavillon erhielt (ebenfalls von blue architects & Ruprecht Architekten) und dessen Sportaußenanlagen neu angeordnet wurden. Die neue, 10 m hohe Sporthalle schafft den Übergang zwischen Hallenvolumen und den umgebenden kleineren Gebäuden v. a. dadurch, dass auf der Längsseite der hohen Sporthalle im Nordosten ein eingeschossiger, niedrigerer Baukörper folgt. In ihm befinden sich die Geräteräume. In der Sporthalle selbst unterteilen doppelwandige Hubfaltwände aus Kunstleder den Raum je nach Bedarf in vier kleinere Einheiten. Im zweigeschossigen Bereich, der sich auf der anderen Hallenseite im Südwesten anschließt, sind innerhalb einer Infrastrukturzone oben wie unten Garderoben und Sanitärzellen, im OG zusätzlich die Räume für Fitness und Gymnastik und im EG u. a. Küche, Technik und Außengeräte untergebracht. Der innere Aufbau ist somit einfach und pragmatisch in Funktionen gegliedert und der Baukörper je nach Nutzungsanforderungen der Räume in der Höhe gestaffelt.

Das Haupttragwerk bilden 40 schlanke Brettschichtholz-Rahmen aus heimischer Fichte unterschiedlich hoher Festigkeiten – da nicht an allen Stellen des Tragwerks die gleichen Kräfte auftreten und folglich nicht überall gleich hohe Brettschichtholz-Festigkeiten notwendig waren, konnten durch diese Anpassung Kosten eingespart werden. Mit einem Abstand von 1,65 m eng aneinandergereiht, erzeugen die Rahmen den Eindruck einer filigranen Holzlamellenwand bzw. -decke.

Die Architekten platzierten die abgehängten Deckenleuchten in der Halle zwischen den Rahmenriegeln. Abends leuchten sie im Kontrast zu den schwarzen Deckenelementen, die u.a. für die gute Raumakustik verantwortlich sind. Zusammen mit den Riegeln ergibt sich ein stimmungsvolles Farb- und Formenspiel, das sich auch in der durchgängigen, 7 m hohen Glasfront der Sporthalle spiegelt. Nur mit einigen ingenieurmäßigen Kniffen ließ sie sich frei von aussteifenden Elementen halten, sodass das Tageslicht gleichmäßig über die gesamte Hallenlänge ins Innere fallen kann. Die serielle und dichte Tragstruktur aus schlanken Querschnitten zieht sich konsequent über alle Gebäudebereiche hinweg, führt damit zu einer überzeugenden Stringenz und außergewöhnlichen Ästhetik. Diese »soziale Nachhaltigkeit« war den Architekten genauso wichtig wie die ökologischen Aspekte. Denn auch wenn die hier verwendeten 2 500 m³ Rohholz einer Menge entsprechen, die laut Planer im Schweizer Wald in 3,21 h nachwächst: Die Ästhetik gilt für sie als Schlüssel für die langfristige Akzeptanz eines Bauwerks in der Gesellschaft und bildete ihr Leitmotiv für das Projekt.

Ingenieurleistung

Möglich wurde diese »soziale Nachhaltigkeit« jedoch erst durch den geschickten Einsatz einer neuen Verbindungstechnik und einer guten Idee seitens der Tragwerksplaner, die früh miteinbezogen wurden. Trotz der Länge von 28,80 m sind die Rahmenriegel bei einer Bauteilhöhe von 140 cm nur 14 cm dick, und die knapp 10 m hohen Stiele mit 14 cm × 80 cm ebenfalls sehr schlank. Um letztere so filigran zu halten, galt es, sie durch einen »ingenieurmäßigen Trick« zu entlasten. Dazu erhielten die Stiele bei der Vorfertigung der Rahmen eine Innenneigung, sodass deren Fußpunkte bei der Montage zur Fixierung in den Stahlgelenken einige Zentimeter nach außen in die Vertikale gezogen werden mussten. Diese Zwangsverformung erzeugt eine Art Vorspann-Moment in der Rahmenecke, das sich teilweise mit dem Moment aus den Vertikallasten des Riegels aufhebt und damit die Stiele entlastet.

Zur schadensfreien Aufnahme aller Lasteinflüsse in der Rahmenecke nutzten die Tragwerksplaner eine neue Verbindungsart, die GSA-Technologie (GSA: Gewinde Stangen Anker). Dabei handelt es sich laut Entwickler um ein kraft- und formschlüssiges Verbundsystem, das sich durch hohe Tragfestigkeit, Steifigkeit und duktiles Verhalten auszeichnet. Die Rahmen und Stiele wurden mit je zwei speziellen Stahlbändern und Bolzenverbindungen im äußeren und inneren Eckbereich sowie einer Gewindestange, die die oberen mit den unteren Stahlbändern verbindet, zusammengeschlossen. Dabei nimmt die Gewindestange den Querzug auf und wirkt Rissen entgegen. Als Dachelemente kamen (unterseitig mit einer Akustikplatte geschlossene) Doppel-T-Platten zum Einsatz, die zwischen die Rahmenriegel gehängt und zu einer Dachscheibe verbunden wurden.

Im zweigeschossigen Gebäudeteil ist die Geschossdecke als Holz-Beton-Verbundkonstruktion ausgeführt mit Unterzügen aus kombiniertem Fichte/Esche-Brettschichtholz und einer Platte aus Gitterträgern und Ortbeton. Da das größte Feld mit fast 11 m Spannweite die 15 t schweren Betonfertigteil-Duschzellen trägt, wurden bei den Unterzügen Verbundanker verwendet, die bisher nur im Brückenbau Verwendung fanden.

Zeichen der Zeit

Die Gebäudehülle bilden Holzrahmenbau-Elemente mit Mineralfaserdämmung und eine Vertikalschalung aus ebenfalls einheimischem, unbehandeltem Fichtenholz, die so mit der Tragstruktur korrespondiert. Im Bereich der Fenster öffnet sich die Schalung lamellenartig, wird halbtransparent, lässt den Betrieb dahinter erkennen und trägt damit wesentlich zum filigranen und homogenen Gesamteindruck bei.

Was am Ende ganz selbstverständlich und einfach daherkommt, ist das Ergebnis einer großen Investition in Ideen und Innovationen. Insgesamt ist die Architektur stringent und wohltuend klar – innen wie außen. Einzig die Fassade könnte das bisherige Erscheinungsbild im Laufe der Zeit stören: Vergrauung und weitere witterungsbedingte Veränderungen der Verschalung werden nicht ausbleiben und Ungleichmäßigkeiten erzeugen. Dessen sind sich die Architekten allerdings bewusst. Sie setzen damit die alpenländliche Tradition im Umgang mit der natürlichen Veränderung von Holz im Außenbereich fort und verstehen diese sich ändernde Patina auch als Teil der Poesie des Gebäudes.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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