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db deutsche bauzeitung 05|2015
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db deutsche bauzeitung 05|2015

Kultur par excellence

Kulturzentrum »Espace Monestié« in Plaisance du Touch (F)

Zunächst überwog die Skepsis gegenüber dem Neubau, heute ist das neue Kulturzentrum in Plaisance du Touch bei Toulouse kaum mehr aus dem Alltag der Menschen wegzudenken. Für diesen Wandel verantwortlich ist die Fähigkeit der Architekten, sich voll und ganz auf eine besondere Bauaufgabe und die damit verbundenen Rahmenbedingungen einzulassen.

3. Mai 2015 - Roland Pawlitschko
Es ist nicht so, dass es hier keinen Kontext gegeben hätte. Unmittelbar südlich des neuen Kulturzentrums »Espace Monestié« in Plaisance du Touch liegt ein Kindergarten und eine Grundschule, westlich befinden sich vereinzelte Geschosswohnungsbauten, im Norden dominieren ein Autohaus und andere gesichtslose Gewerbebauten das Bild, während das weitläufige Gelände einer heilpädagogischen Einrichtung im Osten Therapieplätze für Kinder und Jugendliche bietet. Hinzu kommt das in den 80er Jahren errichtete Gebäudekonglomerat aus Kino, Jugendhaus und Sporthalle, das es nun im Rahmen des von der Gemeinde ausgelobten Architektenwettbewerbs zu renovieren und erheblich zu erweitern galt.

Mit zwei zusätzlichen Kinosälen, drei multifunktional nutzbaren Hallen (neue Sporthalle, Theater- bzw. Festsaal), einem Restaurant sowie Sitzungs-, Proben- und Nebenräumen sollte dieses Projekt den Menschen vor Ort ein kulturelles Leben bieten, das nicht zwangsläufig mit einer Fahrt ins 15 km entfernte Toulouse verbunden ist. Angesichts der Tatsache, dass sich die Einwohnerzahl der Gemeinde in den letzten 30 Jahren auf heute gut 16 000 fast vervierfacht hat, erscheint dieses Ziel mehr als plausibel. Dass es am Ende erfolgreich umgesetzt werden konnte (heute kommen Veranstaltunggäste auch aus Toulouse und dem Umland angereist!), hat nicht zuletzt damit zu tun, dass man im Rathaus bereit war, die für hiesige Verhältnisse enorme Summe von fast 5,5 Mio. Euro bereitzustellen – für die Umsetzung eines Wettbewerbsentwurfs, der keineswegs sofort die Herzen aller Gemeinderatsmitglieder und der Bevölkerung eroberte.

Sozialer Kontext

Den siegreichen Architekten des Büros PPA architectures aus Toulouse war von Anfang an klar, dass das heterogene Umfeld des bestehenden »kleinen« Kulturzentrums, aber auch der belanglose Bau selbst, kaum Anknüpfungspunkte bieten würden. Ebenso wenig kam aber auch eine Bauskulptur à la Bilbao infrage. Erstens wäre das Budget hierfür ohnehin zu klein gewesen. Zweitens hätte es wohl kaum dem Charakter einer Gemeinde entsprochen, die kein erkennbares Zentrum besitzt und v. a. von ausufernden Wohngebieten geprägt ist. Und drittens hätte eine solche Lösung den expliziten Wunsch des Bauherrn ignoriert, einen kleinmaßstäblichen generationenübergreifenden Ort für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen. Diesen Anspruch erfüllte ansatzweise schon das Bestandsgebäude – z. B. durch das selbstverständliche Nebeneinander des »Point Jeune« für Kinder und Jugendliche von 11 bis 18 Jahren, einer von Vereinen und der benachbarten Grundschule genutzten Sporthalle sowie eines Einsaalkinos, das mit 70 000 verkauften Tickets jährlich zu den bestbesuchten in ganz Frankreich zählte.

Dass der Architektenentwurf nicht etwa mit Materialien, Baufluchten oder gar einer Formensprache auf den architektonisch-städtebaulichen Kontext einging, ließ anfänglich viele Menschen in Plaisance du Touch zweifeln. Als sich dann während der Bauzeit, die mit 18 Monaten zwischen Wettbewerb und Eröffnung extrem kurz ausfiel, immer deutlicher die weitgehend geschlossenen und mit glänzendem Wellaluminium bekleideten Fassaden abzeichneten, machte schnell der Begriff »Konservendose« die Runde. Einen ersten Anhaltspunkt für die intensive Auseinandersetzung der Architekten mit dem sozialen Kontext bot die sorgfältige Bauphasenplanung, durch die die bestehenden Einrichtungen fast während der gesamten Bauzeit insgesamt nur wenige Wochen geschlossen werden mussten.

Unkonventionell

Der vor diesem Hintergrund sicherlich wichtigste Bereich des heutigen »Espace Monestié« ist die große Freifläche zwischen den beiden Baukörpern, die sich zum westlichen Großparkplatz und zur nördlich vorbeiführenden Route Nationale öffnet, und so selbst eiligen Autofahrern erste Einblicke in die dort stattfindenden Aktivitäten ermöglicht. Der südliche Teil dieser Fläche hebt sich vom Rest durch schachbrettartig verlegtes helles und dunkles Kopfsteinpflaster sowie eine weitspannende Überdachung ab, wodurch ein zentraler Platz entsteht, von dem aus sämtliche Nutzungsbereiche erschlossen sind. Die sheddachartige Stahlkonstruktion mit transluzenter Kunststoffdeckung bietet Schutz vor Sonne und Regen, und sorgt durch die unbekleideten vertikalen Flächen für eine gute Luftzirkulation an heißen Sommertagen. Für das Kulturzentrum steht sie bildhaft für die unter einem Dach zusammenkommenden Menschen, zugleich dient sie aber auch als sämtliche Nutzungen verbindendes Freiluftfoyer. Dadurch konnten wertvolle umbaute Flächen eingespart werden, die entweder die Baukosten nach oben getrieben oder die letztlich realisierten Flächen verkleinert hätten.

Unkonventionelle Ideen wie diese zeigen das ehrliche Interesse der Architekten, Räume zu schaffen, die das soziale Umfeld der Menschen bereichern. Entsprechend sind es v. a. die gut durchdachten und kostengünstigen Lösungen, die – nicht ohne architektonisch-gestalterischen Anspruch – das Projekt prägen. Ein weiteres gutes Beispiel hierfür ist die Aluminiumfassade, hinter der sich eine banale Lagerhalle befinden könnte, gäbe es nicht jene kompositorische Klarheit im Zusammenspiel der Baukörper und jenen erst auf den zweiten Blick erkennbaren Wechsel aus geschlossenen und gelochten Blechen. Oder jenen eigenwilligen, von einem befreundeten Künstler einfach direkt auf die Nordfassade gemalten Schriftzug »Espace Monestié«. Oder jene Raumbezeichnungen über den Zugangstüren der Nutzungsbereiche, die den Menschen auf dem zentralen Platz auf wirkungsvoll plakative Weise zeigen, wo sich was befindet – und gleichzeitig den Charme eines Dorfplatzes versprühen, an dem üblicherweise einfache Schilder diese Aufgabe übernehmen.

Aus Alt und Neu

Mit der standardmäßigen (und damit kostengünstigen) vereinheitlichenden Blechfassade gelang es den Architekten, Alt und Neu zu einem gleichförmigen Ensemble zu verschmelzen. Der Altbau blieb dabei bis auf kleinere Umbauten weitgehend unverändert – beispielsweise wurde das Jugendhaus um zusätzliche Räume und einen Patio im OG ergänzt, während die Sporthalle vergrößerte Seitenfenster sowie neue Geräteräume erhielt (in Verlängerung der die gesamte Ostfassade entlang laufenden Nebenraumzone). Hinter der Metallhaut des Erweiterungsbaus befinden sich unspektakuläre, in erster Linie funktionale Räume, die allesamt den gleichen konstruktiven Prinzipien und der gleichen einfachen, aber klaren Architektursprache gehorchen. Egal, ob Restaurant, Sitzungsraum, Festsaal oder Kino – überall prägen naturbelassene Sperrholzplatten, ein heller kunstharzbeschichteter Betonboden und eine unbekleidete Stahl-Dachkonstruktion das Bild. Eine Ausnahme bietet allein der Theatersaal, der nicht nur über eine zusammenfaltbare Zuschauertribüne, sondern aufgrund erhöhter akustischer Anforderungen auch über besonders gut schallgedämmte Innenwände und Türen verfügt. Brandschutzthemen spielen weder in den Innenräumen noch unter der Platzüberdachung eine besondere Rolle, weil die Fluchtwege fast überall direkt aus dem EG ins Freie führen, und weil die unbekleidete Stahlkonstruktion kein Gefahrenpotenzial für heimtückische Schwelbrände bietet.

Spielbares Instrument

Weil sie das Kulturzentrum so konzipiert haben, dass es wie ein Musikinstrument gespielt werden kann, ist es PPA architectures gelungen, das anfängliche Unwohlsein der Menschen in Plaisance du Touch zu überwinden. Wesentlich hierfür war nicht zuletzt die maßgeschneiderte Funktionalität des Gebäudes, die in großen Teilen gar nicht Bestandteil der Auslobung war, sondern aus der im Vorfeld und während der Realisierungsphase erfolgten intensiven Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Bauherren, Nutzer und Betreiber resultierte. So war die Zusammenschaltbarkeit aller großen Säle zu einer rund 2 000 m² großen Halle (dort finden heute Messen, Bälle oder Flohmärkte statt) ebenso wenig gefordert wie der große Platz oder die Möglichkeit, auf dem niedrigen Dach über der Restaurantküche DJs für Open Air Clubbings oder Projektoren für ein Freiluftkino platzieren zu können. Gerade aber solche fast kostenneutralen Details haben dazu geführt, dass das neue Kulturzentrum seit seiner Eröffnung im Herbst 2013 nicht mehr als Konservendose wahrgenommen wird, sondern als selbstverständlich genutzter Ort, den jeder auf ganz individuelle Weise zu »seinem« Ort gemacht hat. Dies zeigt auch ein Bauamtschef, der nach der Wettbewerbsentscheidung zwar optimistisch, aber auch skeptisch war, und Besucher heute jedoch mit großem Stolz durch die Räume führt. Es sind aber auch Kleinigkeiten wie diese: Bis heute gibt es keinerlei Farbschmierereien, eingedellte Bleche oder andere Arten von Vandalismus. Und auch die Befürchtungen der örtlichen Ordnungshüter, dass Rowdys ohne absperrende Poller mit dem Auto auf dem Platz herumfahren würden, haben sich dank der großen allgemeinen Wertschätzung gegenüber diesem Gebäude als vollkommen unbegründet erwiesen.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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