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anthos 2015/3
Grün und Bau
anthos 2015/3
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Begrünte Flachdächer, Norm SIA 312

Entstehung und Hintergrund der Norm SIA 312 «Begrünung von Dächern».

11. September 2015 - Stephan Brenneisen
Die im Jahr 2013 eingeführte Norm SIA 312 «Begrünung von Dächern» ergänzt die Normen SIA 271 «Abdichtungen von Hochbauten» sowie 318 «Garten- und Landschaftsbau». Die Norm übernimmt die Funktion der in den 1990er-Jahren, den Anfangsjahren der Dachbegrünung, entwickelten Norm 271/2 «Dächer zur Begrünung», welche in die Neuauflage der Norm SIA 271: 2007 integriert worden ist.

Praktikern wurde in den letzten Jahren immer mehr bewusst, dass die Vorgaben der Norm 271 eher technisch orientiert waren und vegetationstechnisch-ökologische Aspekte in der Planung zu wenig berücksichtigten. Daraus entstanden mangelhafte Dachbegrünungen und Unsicherheiten in Planung und Praxis. Welchen Stellenwert und Hintergrund hat die neue Norm SIA 312 «Begrünung von Dächern» in diesem Kontext?

Viele Menschen aus unterschiedlichen Institutionen und Bereichen haben in den letzten 20 Jahren dazu beigetragen, dass die Schweiz heute in der Umsetzung von Dachbegrünungen als weltweit führend bezeichnet werden kann. In Basel und Zürich können wir von Begrünungsraten der Flachdächer von 20 bis 30 Prozent ausgehen.

Vor allem die grösseren Städte der Schweiz, aber auch sukzessive mehr und mehr kleine Städte und Gemeinden haben Dachbegrünungen in ihr Baugesetz integriert, als verpflichtende Massnahme beim Bau von Flachdachbauten oder als Förderprogramm für freiwillige Massnahmen (siehe Artikel Perrochet). Aktuell stehen Bestrebungen an, auch leicht geneigte Dächer in diese Begrünungspflicht einzubeziehen sowie zur Sanierung anstehende Gebäude, wenn die Dachabdichtung erneuert wird. Die Stadt Basel setzt dies seit ein paar Jahren bereits erfolgreich um.

Ein Meilenstein

Die Norm SIA 312 ist ein weiterer grosser Schritt für die Dachbegrünung in der Schweiz. Sie soll zur Rechts- und Planungssicherheit beitragen sowie zur Steigerung der ökologischen und technisch-funktionellen Qualität von Dachbegrünungen. So können Bauherren und öffentliche Institutionen, welche Dachbegrünungen von Bauherren fordern, besser Gewähr haben, dass Idee und Absichten mit der Dachbegrünung auch verwirklicht werden.

Die Norm aus dem Jahr 2013 ist nicht in Stein gemeisselt, sie wird sich nun bewähren und alle involvierten Berufsgattungen – Planer, Dachabdichter, Gartenbauer, Unterhaltsunternehmer – werden sich mit ihren Erfahrungen bei der Umsetzung einbringen müssen. Eine Revision der Norm SIA 312 muss dann in ein paar Jahren diese Erfahrungen integrieren.

In naher Zukunft wird sich zeigen, wie die aktuelle Konkurrenzsituation zur Nutzung der Dachflächen für Solarenergiegewinnung mit der Dachbegrünung beendet werden kann und besser eine Kombination beider Nutzungen anzustreben ist. Hier sind auch die Behörden gefragt, für die Interessen der Öffentlichkeit an einem optimierten Umweltschutz auf Dachflächen einzustehen.

Planungs- und Ausführungspraxis

Einen Nachteil werden viele Dachbegrünungen wohl auch in Zukunft haben: Sie sind kaum bis gar nicht sichtbar für die Öffentlichkeit und selbst den Bauherren. Was der Natur egal ist, ist aus der Sicht der Sensibilisierung von Bauherren, Baubehörden, planenden und ausführenden Unternehmungen für eine Qualitätsförderung auf jeden Fall ein Nachteil. Wer sieht es, wenn eine Dachbegrünung sich unbefriedigend entwickelt? Die Gefahr, dass der Kostendruck bei Bauprojekten die Ausführungsqualität von Dachbegrünungen negativ beeinflusst, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die stete Sensibilisierung ist deshalb sehr wichtig. Mit der neuen Norm hoffen wir, dazu einen Beitrag geliefert zu haben.

Der Dachabdichter muss durch die Norm SIA 312 mehr und klarer mit den Planern kommunizieren, und die Punkte hervorheben, welche für eine erfolgreiche Begrünung beachtet werden müssen. Wichtig ist eine klare Zielvorstellung des Bewuchses, die mit dem entsprechenden Schichtaufbau und den objektspezifischen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden muss. Oft sind es heute die ausführenden Unternehmen, welche – dank der Tätigkeit im Unterhaltssektor von Dachbegrünungen – die Resultate der Begrünungen am besten kennen. Sie müssen Planern beratend beistehen können und rechtzeitig Hinweise geben, wenn keine zielführenden Konzepte vorliegen oder ungeplante Änderungen unerwünschte oder unbekannte Auswirkungen haben können.

Viele Herausforderungen liegen in Zukunft vor allem bei den Planern. Sie müssen genauer wissen, welche Bedingungen der Schichtaufbau (Schichtdicke und vegetationstechnische Eigenschaften der Sub­strate) erfüllen muss, um den angestrebten Bewuchs zu realisieren. Dabei ist auch wichtig, die Erfahrung der Sukzession in extensiven Dachbegrünungen durch Spontanbesiedlung und den Einfluss der Unterhaltspflege auf die Bewuchsentwicklung in die Planung einzubeziehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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