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anthos 2015/3
Grün und Bau
anthos 2015/3
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Schule mit Landschaft

Das Dach der Schule Aimé Césaire in Nantes (F) wurde als atlantische Heide- und Dünenlandschaft entworfen. Es bietet den Kindern einen Ort zum Entdecken und Verstehen dieses Naturraums.

11. September 2015 - Loïc Mareschal
Das Ökoquartier Prairie au Duc nimmt den Platz der ehemaligen Werften an der Westspitze der Insel von Nantes ein. Das Projekt ist ein Baustein im Zuge der Transformation der Insel und liegt zwischen der «Galerie des machines» (dem Werk «Grand Eléphant») und dem Antillenquai, der vom «Hangar à Bananes» mit seinen Konzertsälen, Bars und Restaurants sowie der Skulptur «Anneaux» von Daniel Buren und Patrick Bouchain geprägt ist. In diesem Sektor der Stadt ist die Schaffung von 120 000 Quadratmetern Wohn- und Gewerbefläche geplant. Die Schule Aimé Césaire ist eines der ersten fertiggestellten Bauwerke, und trotz ihrer geringen Gebäudehöhe (Erdgeschoss und ein Stockwerk) im Vergleich zu den sie umgebenden neungeschossigen Bauten stellt sie ein wichtiges Teilstück des städtebaulichen Projekts dar, welches durch sein naturnahes Erscheinungsbild den «Parc des Chantiers» zu verlängern scheint.

Die Schulanlage kann zehn Klassen aufnehmen (etwa 300 Kinder der Grund- und Vorschulstufe), ein Freizeitzentrum mit 100 und einen Kindergarten mit 50 Plätzen. Die origamiartigen Dächer der um einen Patio gruppierten Gebäude reichen auf der Seite des Schulhofs bis zum Boden hinunter.

Das Wettbewerbsprojekt von Bruno Mader und Mabire & Reich (assoziierte Architekten) beruhte auf der Idee, sowohl den Schulkindern, als auch den benachbarten Anwohnern einen Blick auf grosszügige Grünflächen zu bieten. Darauf aufbauend schlug das Team Phytolab vor, eine von den Heide- und Dünenflächen des atlantischen Litorals inspirierte Landschaft zu schaffen, und somit eine hohe Biodiversität mit geringem Unterhaltsbedarf zu verbinden. Mithilfe der Erstellung eines Prototyps in unmittelbarer Nähe des Projekts und der wissenschaftlichen Unterstützung des Botanischen Gartens der Stadt Nantes konnte eine neue Begrünungstechnik entwickelt und praktisch angewendet werden.

Natur auf allen Stockwerken

Um ein den Standortbedingungen der Heiden- und Dünenvegetation möglichst ähnliches Substrat (Schichtstärke 7 bis 50 Zentimeter) zu schaffen, wurde es nicht aus Mutterboden mit Humusanteilen, sondern aus Sand und Steinschüttungen 0/31,5 für die Dünen erstellt, angereichert mit Heideerden und Ton-Lehm für den Heideboden. Ein System aus rezyklierten Fasern sorgt für die notwendige Drainage und den Wasserrückhalt in der untersten Schicht des Substrats. Es ist kein Bewässerungssystem vorgesehen. Eine die Dachform hervorhebende Bodenmodellierung spielt mit den Hangneigungen und -ausrichtungen, wodurch ganz unterschiedliche ökologischen Bedingungen entstehen: zum Teil sehr steile Hänge (bis 1/1), aber auch kleine Feuchtzonen.

Auf der Grundlage dieser variablen Standortcharakteristika erstellten wir einen detaillierten Pflanz- und Saatplan, der sich an pflanzensoziologischen Gruppierungen orientiert. Das Dach besteht aus nach  Wachstumszonen zusammengepflanzten Arten: Weisse Düne, Graue Düne, Hohe und Niedere Heidegebiete, xerophile, mesophile und meso-hygrophile Heiden, Gebüsche und andere Waldrandvegetation.

Es sollten ausschliesslich lokale Arten zur Verwendung kommen. Die Landschaftsarchitekten stellten jedoch fest, dass es für viele der gewünschten Pflanzenarten keine Produzenten gibt, sie werden überhaupt nicht kommerzialisiert. Dementsprechend wurde im Frühling und Sommer 2012, vor Erstellung der Dachflächen im Herbst, eine Samenernte-Kampagne organisiert, um das notwendige Saatgut am natürlichen Standort zu entnehmen. 150 verschiedene Arten wurden auf den Dächern gesät und gepflanzt, 30 weitere Arten kamen durch natürlichen Eintrag später hinzu, auch diese entsprechen fast alle den rekonstruierten Naturlebensräumen.

Die Ergebnisse dieser experimentalen Anlage übertreffen bei weitem die Erwartungen der Bauherrschaft und der Bauleitung. Die Vegetation entwickelt sich grossartig, die spezifischen Bodeneigenschaften führen zur Ausformung der geplanten Pflanzengesellschaften ohne ernsthafte Konkurrenz durch Ubiquisten.

Pädagogische Ziele und fachliche Begleitung

Etwa die Hälfte des insgesamt 2500 Quadratmeter grossen Dachs ist für die Kinder der Schulanlage frei zugänglich. Sie gelangen über einen Holzsteg durch die Dünen-Dachflächen vom Schulhof in den ersten Stock zu einem Multifunktionssaal. Diese permanente Zugangsmöglichkeit wird durch gezielte Führungen auf den höheren Teil des Dachs ergänzt. Die Lehrenden nutzen die botanische Vielfalt, um mit den Kindern der Grundschule diese typischen Standorte zu entdecken und näher kennenzulernen.

Sie bauen dabei auf den im Gemüsegarten der Schule erworbenen Fähigkeiten der Kinder auf.

Zusätzlich werden durch den Botanischen Garten von Nantes regelmässig die in der Anlage vorkommenden Pflanzen- und Vogelarten erhoben. Diese fachliche Begleitung ermöglicht eine Anpassung der extrem extensiven Unterhaltsmassnahmen an die ­Vegetationsentwicklung.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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