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db deutsche bauzeitung 10|2015
Südtirol
db deutsche bauzeitung 10|2015

Vermittelnde Zick-Zack-Form

Hauptsitz der Südtiroler Volksbank in Bozen (I)

Die Volksbank Südtirol verfügt über rund 200 Filialen zwischen Brenner und Venedig, die Mehrheit der Mitglieder stammt aus Südtirol und der größte Teil des Kapitals liegt in Südtiroler Händen. So bekennt sich auch der erst im März bezogene neue Hauptsitz der Bank klar zum Standort Bozen, indem er vermittelnd auftritt, sich zur heterogenen Umgebung hin öffnet und damit einen neuen Identifikationspunkt schafft.

11. Oktober 2015 - Roland Pawlitschko
Das Umfeld des neuen Hauptsitzes der Südtiroler Volksbank könnte diffuser nicht sein. Im Umkreis von 200 m befinden sich neben Einfamilienhäusern, Geschosswohnungsbauten und Tennisplätzen auch ein Bürohochhaus, ein weiterer Verwaltungsbau, Gewerbehallen und ein Multiplexkino – das Ganze eingeklemmt zwischen einem Rangierbahnhof und einem entlang des Flusses Eisack angelegten Straßengeflecht, das diesen Ort über eine Bundesstraße mit der am anderen Ufer vorbeiführenden Brennerautobahn verknüpft. Die traditionsreiche Bank ließ sich u. a. deshalb in dem von der Innenstadt isolierten Quartier an der Schlachthofstraße nieder, weil sie hier bereits seit 30 Jahren Büros unterhält. Eine eher untergeordnete Rolle für die Standortentscheidung, mit Blick auf die Zukunft aber dennoch nicht ganz unwichtig, spielte die Tatsache, dass es seit dem 2011 durchgeführten Städtebauwettbewerb zum Bahnhofsareal die begründete Hoffnung einer besseren Anbindung an die Stadt gibt.

Da der Vorgängerbau weder hinsichtlich der räumlichen Potenziale noch in Bezug auf die Bausubstanz den heutigen Ansprüchen der Volksbank entsprach, entschloss man sich, diesen abzureißen und an seiner Stelle einen maßgeschneiderten Neubau zu errichten. Hierzu lobte die Bank 2008 einen Planungswettbewerb aus, der es nicht zuletzt ermöglichen sollte, die bislang auf mehrere Standorte verteilten Abteilungen zusammenzulegen. Für Christian Rübbert, den Architekten des Siegerprojekts, war sehr schnell klar, dass »man mit einer herkömmlichen Baukörperdisposition entweder keine innenräumlichen Qualitäten oder zu wenig Bürofläche erzielen würde«. Und so präsentiert sich sein Projekt – anders als die meisten Arbeiten der 62 weiteren Wettbewerbsteilnehmer – nicht als orthogonal gereihte oder mäandrierende Baustruktur, sondern in Zick-Zack-Form. Mit dieser Konfiguration entsteht ein durchgängig schlanker Baukörper mit viel Fassadenfläche und großen zusammenhängenden Geschossebenen, der das lange, schmale Grundstück optimal ausnutzt.

Eigenwilliger, aber integrierender Baukörper

Erscheint die Zick-Zack-Form aus der Vogelperspektive, z. B. von den umliegenden Bergen, recht eigenwillig und extravagant, wirkt der Baukörper aus der Fußgängerperspektive eher zurückhaltend, unprätentiös und wie selbstverständlich in sein Umfeld integriert. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist die – mit Ausnahme der Straßenseite – als hinterlüftete Lochfassade ausgebildete Gebäudehülle mit eigens entwickelten Keramikplatten bekleidet, deren anthrazitfarbene und kleinmaßstäblich gefaltete Oberfläche an das Gestein der steil aufragenden Felswände Bozens erinnert. Die matt glasierten Platten sorgen außerdem für ein feingliedriges Erscheinungsbild und lebhafte Reflexionen, die die Fassaden je nach Tageszeit und Sonneneinstrahlung unterschiedlich schimmern lassen. Zum anderen führt die mehrfach geknickte Gebäudeform zur Ausbildung von dreiecksförmigen Außenbereichen, die angenehm unregelmäßige Übergänge zur Nachbarbebauung schaffen. Während auf den Längsseiten klar definierte Freiflächen für eine hauseigene Kindertagesstätte, die Anlieferung und einen Mitarbeiterbereich entstehen, sorgt der asymmetrisch gesetzte Knick in der verglasten Nordfassade für die Aufweitung des Straßenraums. Auf diese Weise entsteht ein kleiner öffentlicher Vorplatz mit Sitzskulpturen, durch den sich der Neubau deutlich von den in der Straßenflucht platzierten Nachbargebäuden abhebt. Dennoch wirkt das Gebäude nicht aufdringlich inszeniert: »Es gibt nichts Auftrumpfendes an dem Projekt, keine Symmetrien, keine Achsen, keine Überhöhungen, keine Erhabenheit, keine großspurigen Gesten, keinen Schnickschnack«, sagt Rübbert, der damit auf das geschäftliche Selbstverständnis der Volksbank Bezug nimmt.

Kommunikationsräume überall

Die räumliche Begrenzung des Vorplatzes übernimmt eine Glasfassade mit vorgelagerter Rahmenstruktur, die dem Neubau Maßstäblichkeit verleiht und ihn gleichermaßen verträglich und selbstbewusst in das heterogene Umfeld integriert. Die Glasfassade dient der Bank darüber hinaus als »Kommunikationsfenster zur Stadt und zur Gesellschaft«, das die im Innern stattfindenden Tätigkeiten sichtbar macht und Kundenfreundlichkeit, Offenheit und Transparenz signalisieren soll. Wer dieser symbolischen Einladung folgt und sich ins Innere begibt, findet sich in einem weitläufigen und frei zugänglichen Eingangsbereich mit großem Empfangstresen, offen gestalteter Bankfiliale, Foyer eines auch extern zu mietenden Veranstaltungsraums sowie Cafeteria wieder. Im rückwärtigen Teil des EG befindet sich ein großer Besprechungsbereich mit unterschiedlich gestalteten und ausgestatteten Konferenzräumen. Hier sind Meetings in großer oder kleiner Runde möglich (in Loungeatmosphäre, im Stehen oder an Konferenztischen) – mit dem Vorteil, dass Gäste weder unerwünschte Einblicke in den Arbeitsalltag erhalten noch die rund 300 Mitarbeiter der oberen Bürogeschosse stören. Das gesamte Innenraumkonzept geht auf das Büro Innocad (Graz) mit bergundtal (Bruneck) zurück.

Dass die als »space4dialogue« bezeichnete kommunikative Offenheit auch in den Arbeitsbereichen der drei nahezu identischen Obergeschosse im Mittelpunkt steht, ist auf den ersten Blick erkennbar. Sämtliche Büroarbeitsplätze – auch jene der Geschäftsführung, der Personal- und Finanzabteilung – befinden sich im Open Space. Die grundsätzlich einzelnen Mitarbeitern fest zugeordneten Schreibtische sind in Vierergruppen entlang der Fassaden aufgereiht – der Eindruck eines unangenehmen Großraums entsteht dabei dennoch von keinem Standpunkt der gut 2000 m² großen, jeweils als ein Brandabschnitt konzipierten Fläche. Visuelle und akustische Privatsphäre entsteht nämlich schon allein durch die Zick-Zack-Form des Gebäudes, die den Grundriss in überschaubare Zonen aufteilt. Hinzu kommen immer wieder zwischen den Arbeitsbereichen für maximal zwölf Mitarbeiter eingeschobene, verglaste Besprechungs- und Rückzugsinseln, das eichenholzfurnierte Ablage-, Raumteilungs- und Akustikmöbel »Bergundtal« sowie die organisch geformten mittigen Kernzonen, die Treppenhäuser, Sanitär-, Kopier- und andere Nebenräume enthalten. Sämtliche Kerne sind von der Künstlerin Esther Stocker mit schwarzen Farbmustern versehen worden, die diesen »tragenden Säulen« des Gebäudes ein einheitliches, inspirierend kreatives, auf Dauer vielleicht aber auch etwas zu lebhaftes Erscheinungsbild verleihen.

Einbeziehung der Mitarbeiter

Trotz anfänglicher allgemeiner Vorbehalte gegenüber Open-Space-Lösungen werden die Büroräume von der Belegschaft heute durchwegs als positiv bewertet. Dies hat v. a. damit zu tun, dass sich bereits zwei Jahre vor dem Umzug 17 »Nutzervertreter« aus den unterschiedlichen Abteilungen zusammengeschlossen haben, um als Ansprechpartner sowohl für die übrigen Mitarbeiter als auch für die Geschäftsführung und die intern am Bau beteiligten zur Verfügung zu stehen. In insgesamt sechs Workshops untersuchte die Gruppe z. B., welche Erwartungen an die zukünftigen Arbeitsplätze bestehen und welche Arbeitskultur mit welchen Spielregeln dort gelebt werden soll. Zusätzlich wurden Umfragen durchgeführt und ein Internetportal eingerichtet, das alle wichtigen Informationen zum Neubau bereithielt. Ein unmittelbares Ergebnis der von den Mitarbeitern vorgetragenen Wünsche ist beispielsweise die Kindertagesstätte im südlichen Teil des EG, die 15 Betreuungsplätze für Kinder bis drei Jahre bietet und Volksbank-Mitarbeitern ebenso offensteht wie Mitarbeitern der umliegenden Unternehmen.

Zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz trägt neben dem partizipativen Ansatz und der Vielfalt an Arbeits- und Rückzugsbereichen (z. B. Cafeteria, Lounges, Besprechungsnischen und -inseln, »Telefonzellen«, Regenerationsräume) auch der Raum selbst bei. Zum einen in Form einer ergonomischen Möblierung und einem zurückhaltenden Farbkonzept, zum anderen mit hellen Innenräumen, einer zonenweise steuerbaren Heiz- und Kühldecke sowie großen Doppelfenstern mit hinterlüfteter Prallscheibe und innenliegendem Sonnenschutz. Durch diese Doppelfenster gelangt bei geöffnetem Innenfester beruhigte Luft in die Büroräume, während der Zwischenraum bei geschlossenem Fenster als sommerlicher und winterlicher Klimapuffer dient. Zusammen mit den gut gedämmten Außenwänden erreicht der nach dem Südtiroler KlimaHaus-A-Standard errichtete Neubau einen Heizwärmebedarf von lediglich 15 kWh/m²a. Ohne mechanische Lüftungsanlage kommt das Gebäude aufgrund der vielen Sonnenstunden und der hohen sommerlichen Temperaturen im Bozener Talkessel allerdings nicht aus. Das Ziel der Bank, einen Ort der Offenheit und Kommunikation sowohl nach innen als auch nach außen zu schaffen, ist ebenso mühelos gelungen wie die Vorgabe, ein identitätsstiftendes und in sein Umfeld integriertes Gebäude zu realisieren.

Dass der neue Hauptsitz der Volksbank das Interesse der Menschen geweckt hat, zeigen die zahlreichen Berichte in den lokalen Medien und die Zugriffe auf die ausführlich über Planung und Realisierung informierende Website, aber auch die Tatsache, dass die immer wieder angebotenen Hausführungen regen Zulauf verzeichnen. Ein Teil dieses Interesses ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass es im insgesamt eher landwirtschaftlich geprägten Südtirol bislang kaum andere beispielhafte Bürogebäude dieser Größe gibt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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