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Coole Schmiede

Sanierung der Metallwerkstatt am Technischen Schulzentrum in Heilbronn

Gründliche Abwägung und ein klares Ziel, gepaart mit umfassender Abstimmung mit allen Beteiligten und dem Vertrauen des Gemeinderats: So entstand in Heilbronn ein überzeugendes, robustes und nachhaltiges Stück Baukultur.

1. Dezember 2015 - Dagmar Ruhnau
Das Technische Schulzentrum entstand seit den 50er Jahren auf einem ehemaligen Krankenhausgelände am Rand der Heilbronner Innenstadt. Heute bieten zwei Schulen zahlreiche Bildungsmöglichkeiten an, von der Berufs- über Meister- und Technikerausbildungen bis zum Technischen Abitur. Im Lauf der Jahre wuchs das Ensemble in mehreren Etappen. Dominiert wird es heute von den viergeschossigen Schulgebäuden aus den 60er Jahren, die das Gelände in einen südlichen, »vorderen« und einen nördlichen, »hinteren« Hof teilen. Während der südliche Hof im Zuge des Ausbaus der Mensa neu geordnet wurde, bietet der nördliche noch ein Durcheinander von Anbauten, Lüftungsanlagen und Pflanzenbewuchs. Hier befindet sich das eingeschossige, 1954 errichtete Werkstattgebäude, das sich mit Sägezahndach und prägnanter Metallfassade selbstbewusst gegen den Schulbau der Wilhelm-Maybach-Schule behauptet.

Nach über 50 Jahren Betrieb waren der technische und energetische Standard, selbstverständlich auch der Brandschutz dringend überholungsbedürftig, und auch das Innere war durch unkontrollierte Ausbauten unübersichtlich geworden. Dass ein Neubau günstiger sein würde als eine Sanierung, lag auf der Hand. Doch das hätte bedeutet, einen üblichen Flachdachbau zu errichten. Das Hochbauamt als planende und ausführende Behörde legt großen Wert auf Baukultur und fand es wichtig, die Qualitäten des vorhandenen Gebäudes zu erhalten: das identitätsstiftende Äußere der Backsteinfassade, die klare, industrielle Architektursprache der 50er Jahre und nicht zuletzt die Sheddächer und das damit verbundene blendfreie Nordlicht sowie die großzügige Raumhöhe. Um den Gemeinderat von ihren Vorstellungen zu überzeugen, luden die Planer die Volksvertreter zu einer Begehung ein. In deren Verlauf erinnerten sich einige an Unterrichtsstunden in dieser Werkstatt während ihrer eigenen Lehrzeit – und nahmen über die Erinnerung den Wert des Orts auf einer ganz persönlichen Ebene wahr.

Natürlich musste das Projekt auch finanziell plausibel sein. So entwickelten die Planer ein Konzept über zwei Phasen: 2010/11 wurde das Gebäude energetisch ertüchtigt, finanziert mithilfe des Konjunkturpakets II, dann folgte 2013/14 die innere Neuordnung. Lange war überlegt worden, die Backsteinfassade zu erhalten, doch dafür hätte man eine Innendämmung anbringen müssen; was wiederum bedeutet hätte, u. a. die nachträglich eingebauten Innenwände abzureißen. Das aber wäre im Rahmen des Budgets nicht möglich gewesen. So wurde die Fassade von außen gedämmt und erhielt die vorgehängte, hinterlüftete Kupferfassade, die auf die Metallberufe verweist, die im Innern ausgebildet werden, ebenso neue Oberlichter aus Polycarbonat. Der industrielle Ausdruck ist nach wie vor erhalten, modernisiert und sogar gestärkt. Zehn Monate später schloss sich Phase zwei mit der inneren Umstrukturierung an. Seit Herbst 2014 ist die runderneuerte Werkstatt wieder in Betrieb.

60 % Technik, »nur« 40 % Architektur

Im Lauf der Jahre waren in der eigentlich offenen Werkstatt ohne Rücksicht auf die Tragstruktur Büros nach Bedarf aufgemauert, ebenso die Entlüftung fallweise gesetzt worden. Der Bau bekam aufgrund seiner zahlreichen unterschiedlichen Kamine, die durch das Dach stießen, sogar den Spitznamen »Dampflok«. Ein sauberes, übergeordnetes Konzept, unterstützt von durchgängig heller Farbgebung, verleiht der Halle nun Klarheit und erneut Großzügigkeit. Ein robuster, mit schwerem Gerät befahrbarer hellgrauer Industrieestrich zieht sich durch alle Räume, die Wände wurden nachträglich eingebaut. Um einen zentralen Kern, der drei Klassenzimmer und einen Raum zur Unterrichtsvorbereitung enthält, ordnen sich die Werkstätten an, sodass jedem Klassenraum direkt eine Werkstatt zugeschaltet ist. Entlang des Kerns bildet die Erschließung eine Art unsichtbarer Zwischenzone, die in großzügiger Breite durch alle Werkstätten verläuft. Durch Schiebetüren können diese voneinander abgetrennt werden – aus Gründen des Brandschutzes, aber auch, um Lärm und Gerüche einzudämmen –, doch zumeist stehen sie offen, um die Weitläufigkeit und das Gefühl für den Gesamtbau nicht zu schmälern. In zwei Achsen führt die Verkehrszone direkt zu den Außentüren zum Hof, die innen auch nach vier Jahren noch kupfern schimmern.

Die Klassenzimmer sind weiß gestrichen, die Werkstätten hellgrau. Sämtliche Arbeitsgeräte vom Schweißstand bis zum Schraubstock sind entsprechend hell lackiert. Damit bekam diese nüchterne technische Umgebung eine fast ätherische Qualität – die Räume wirken sehr luftig, das Gebäude nimmt sich stark zurück. Die gedämpfte Akustik, das neutrale Raumklima und die angenehme Beleuchtung tragen dazu bei, im Wesentlichen bestimmt aber die Haustechnik mit ihrer stringenten Ordnung das Ambiente. »In einem üblichen Schul- oder Verwaltungsbau ist der Anteil der Haustechnik 40 % zu 60 % für die Architektur«, erläutert Projektleiterin Daniela Branz. »Hier ist es genau umgekehrt.« Sämtliche Wandflächen wurden freigehalten, die Technik befindet sich ausschließlich unter der Decke: Heizkörper, Stromleitungen, die riesigen Be- und Entlüftungsrohre, die Leitungen für die zahlreichen Schweißgase sowie die Feuerlöschanlage. Ein kräftiges Gegengewicht bekommt der Hintergrund in Weiß, Hellgrau und reflektierendem Metall durch den gezielten Einsatz von starkem Rot und hier und da Dunkelblau. Richtig aufsehenerregend sind die rundum verlaufenden dunkelroten Kunststoffschürzen an den Ständen für das Wolfram-Inertgas- und das Metallaktivgasschweißen. Hier fühlten sich die Nutzer zunächst an einen Nachtclub erinnert. Diese Stände wurden auf besondere Anforderung des DVS (Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren) ausgestattet, für den die Schule hier überregionale Kurse und Prüfungen durchführt. Allerdings war zuvor einiges an Verhandlungen nötig: Die Anforderungen sahen u. a. eine gleichzeitige Absaugung aller 51 Stände vor " was die Lüftungsanlage sowohl in den Kosten als auch in ihren Dimensionen gesprengt hätte. Ohnehin nimmt die Lüftungstechnik jetzt das gesamte UG der Halle plus einen umfangreichen Aufbau im Schulhof ein. Man einigte sich auf eine 75 %-ige Absaugung, mit dem Argument, dass kaum an allen Ständen zugleich Abgase entstehen würden.

Baukultur in allen Facetten

Auch in anderen Bereichen war viel Abstimmung gefragt. Auf über 100 Jours fixes mit allen Beteiligten kam man für dieses Projekt. Neben sämtlichen Behörden mussten selbstverständlich auch die Lehrer und weitere Nutzer ins Boot geholt werden, um deren Anforderungen und Wünsche mit den Vorstellungen der Planer in Einklang zu bringen. »Natürlich gibt es fertige Einrichtungen für Schweißerstände«, kommentiert Daniela Branz. »Doch uns waren diese zu raumgreifend. Wir ließen eine reduzierte Sonderanfertigung entwickeln, sodass der Arbeitsplatz nun perfekt nutzbar ist. Auch die Gaszuleitungen sind sauberer angeordnet als üblich.« Besonders wichtig war den Planern, über die Farbgebung Ruhe in die Hallen zu bringen. Bei neuen Geräten wurde darauf geachtet, sie in »Papyrusweiß« zu bestellen, bereits vorhandene wurden vom Maler umlackiert, selbst die Beine der Tische haben diese Farbe. Seitdem angeschaffte oder reparierte Geräte fallen sofort ins Auge, denn die Ersatzteile und Neuzugänge zeigen mit Gelb oder Blau schon wieder erste Ansätze eines Farbsammelsuriums. Doch damit muss man wohl leben (oder in Abständen nachlackieren), denn die Nutzer tragen das Konzept zwar mit und fühlen sich hier auch wohl, doch ist ihnen der Erhalt des Farbkonzepts (erwartungsgemäß) nicht so richtig in Fleisch und Blut übergegangen.

Mit einem weiteren übergeordneten System wird die Werkstatt in das Gebäudekonglomerat eingebunden. Von einer Grafikerin ließ das Hochbauamt ein Leitsystem für das Schulzentrum entwickeln, das sich von den inhomogenen Strukturen und Farben absetzt. Es beruht auf einem schlichten schwarzen Quadrat, das bezeichnet, wo man sich gerade befindet " mit Bauteil, Raumnummer und Raumnamen. In der Funktion als Wegweiser wird die Form nur durch einen schwarzen Rahmen um diese Angaben gebildet, kombiniert mit einem Richtungspfeil. In der Werkstatt sind die Quadrate auf den Boden gemalt – wiederum, um die Wände freizuhalten –, an den Gebäuden dagegen sind sie als Schilder an der Fassade angebracht.

Da capo

Der Erfolg der Werkstatt – sie hat eben erst die Auszeichnung »Beispielhaftes Bauen« der Architektenkammer Baden-Württemberg erhalten – hat die Planer beflügelt. Auf dem südlichen Hof befindet sich die Schwesterwerkstatt noch in unsaniertem Zustand. Hier sind die Schreiner untergebracht. Naheliegend im Sinne »sprechender Architektur« wäre es, sie mit Holz zu bekleiden, doch den Planern ist viel mehr an einer Beruhigung des Geländes gelegen (mit der neuen Hofgestaltung wurde ja bereits ein Anfang gemacht). Deshalb soll diese Werkstatt ebenfalls mit Kupfer bekleidet werden. Doch bis es so weit ist, kommt erst einmal die Fassade der 60er-Jahre-Viergeschosser dran – auch hierin liegt viel Potenzial für eine ruhigere Ausstrahlung auf die Umgebung.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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