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db deutsche bauzeitung 11|2017
Wohnen im Alter
db deutsche bauzeitung 11|2017

Gemeinsam stark

Sozialzentrum »Häuser der Generationen« in Koblach (A)

Die Komposition aus drei unterschiedlichen Baukörpern bringt an einer Art Dorfplatz Pflegeheim, soziale Dienste, verschiedene Formen des Altenwohnens und sogar geförderten Wohnraum für Familien zusammen. Natürliche Belichtung mit Blickbeziehungen zur Außenwelt, sinnesanregende Farbgestaltung und die ortsüblichen Materialien Putz und Holz sorgen dabei für Übersichtlichkeit und Behaglichkeit.

2. November 2017 - Roland Pawlitschko
Integration gelingt selten so gut wie beim neuen »Haus der Generationen« in Koblach. Ausgangspunkt war ein in die Jahre gekommenes Versorgungsheim, das umfunktioniert und um ein Pflegeheim wie auch um einen integrativen Wohnungsbau ergänzt wurde, und heute tatsächlich Menschen aller Altersgruppen als Ort zum Leben bzw. als Beratungsstelle dient.

Vor nunmehr 15 Jahren schlossen sich die vier rund um den Kummenberg ­situierten Vorarlberger Gemeinden Altach, Götzis, Koblach und Mäder zur Region »amKumma« zusammen. Unter dem Motto »Vier Gemeinden – ein Lebensraum« verfolgen sie seitdem das Ziel, die Lebensqualität durch eine ­enge Zusammenarbeit und eine »umsichtige, langfristige, nachhaltige und aktive Planung« zu stärken. Inzwischen kann die Region auf viele gemeinsame Projekte und Erfolge zurückblicken: auf dem Gebiet des öffentlichen Nahverkehrs und auf wirtschaftlicher Ebene ebenso wie beim Umweltschutz, in der ­Jugendarbeit oder im Umgang mit Flüchtlingen.

Das vom Bregenzer Architekturbüro Cukrowicz Nachbaur nach einem Architektenwettbewerb realisierte Haus der Generationen in Koblach ist ein weiteres Projekt dieser bemerkenswerten Erfolgsgeschichte. Es befindet sich im Ortskern unweit des neuen Gemeindezentrums »DorfMitte« und bildet als Sozialzentrum nun einen weiteren wichtigen Treffpunkt für Jung und Alt.

Geleitet wird das von der Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft gebaute Ensemble aus zwei Neubauten und einem Altbau von den Sozialdiensten Götzis, eine Gesellschaft der Gemeinde Götzis, die eine vergleichbare Einrichtung bereits bei sich im Ort betreibt.

Vernetzung von Innen und Aussen

Dass das zweigeschossige Pflegeheim, das dreigeschossige Wohnhaus und das ehemalige Versorgungsheim nicht zufällig nebeneinander stehen, ist auf den ersten Blick zu sehen. Alle drei sind architektonisch ähnlich zurückhaltend gestaltet und verfügen über warmtonige grau-beigefarbene Putzfassaden mit hell gerahmten Fenstern. V. a. aber bilden die frei stehenden, unterschiedlich großen und hohen Gebäude einen zur Landesstraße offenen Platzraum, der zum Verweilen einlädt. Dafür sorgen z. B. neutrale EG-Zonen, Bäume, ein Brunnen, Sitzbänke und nicht zuletzt der großzügige, überdeckte Eingangsbereich des Pflegeheims, der mit gelbgrünen Stühlen und Sonnenschirmen an den Außenbereich eines Cafés denken lässt. Dass dieser Eindruck nicht ganz falsch ist, wird beim Betreten des Gebäudes klar. Gleich nach dem Passieren des Foyers stehen Besucher nämlich in einem zum Platz und zu einem Innenhof raumhoch verglasten Raum mit weiteren Tischen und Stühlen, Kuchen­vitrine und Ausgabetheke. Und tatsächlich ist dies weniger der Eingangs­bereich eines Pflegeheims als vielmehr eine Art Cafeteria und Treffpunkt, an dem sich sowohl die Bewohner und Besucher des Pflegeheims als auch Menschen aus der Nachbarschaft aufhalten – zum Mittagessen, das hier nach Vorbestellung für jedermann möglich ist, zu Kaffee, Kuchen und kleinen Snacks am Nachmittag, oder zu Veranstaltungen.

Bei letzteren werden in der angrenzenden, professionell ausgestatteten Küche Speisen zubereitet.

Drei Raumschichten rund um einen Innenhof

Die bereits im Eingangsbereich spürbare Offenheit ist auch das wesentliche Merkmal im Innern des Pflegeheims. Grundsätzlich erfolgt die Grundriss­organisation um einen zentralen Innenhof, um den sich insgesamt drei Raumschichten anlagern: zunächst Nebenräume und kleine offene Gemeinschafts- bzw. Rückzugsbereiche, dann ein ringförmiger Erschließungsgang, der sich in der Südwestecke zu einem großen Wohnbereich aufweitet, und schließlich die 36 Zimmer der beiden nahezu identisch übereinander liegenden Wohnbereiche. Durch die Aufweitungen des Flurs – mal zum Dorfplatz bzw. zum rückwärtigen Dorfbiotop mit Bachlauf, mal zum Innenhof – ent­stehen vielfältige Raum- und Sichtbezüge, die das einfache quadratische Bauvolumen durchlässig machen und viel komplexer erscheinen lassen als es ­tatsächlich ist. Dank der räumlichen Unterschiede ist für die Bewohner immer nachvollziehbar, wo sie sich gerade befinden.

Für Klarheit sorgt auch die Tatsache, dass sämtliche zum Innenhof orientierten Flurwände verputzt und weiß gestrichen sind, und sämtliche Zimmerwände auf der anderen Seite – ebenso wie der Boden und andere Einbauten – in geölter Eiche erscheinen. Die angenehme Wohnatmosphäre in den gemeinschaftlich genutzten Bereichen entsteht durch die natürlichen Materialien und die abwechslungsreiche räumliche Kleinteiligkeit, aber auch durch die vielen alten Möbelstücke, die teils von Bewohnern stammen, teils hinzugekauft wurden. Ebenso sorgfältig ausgeführt sind die einzelnen Zimmer. Wie der Rest des Gebäudes, verfügen auch sie über hochwertige Detaillösungen: z. B. präzise eingepasste Eicheneinbaumöbel, die zugleich als Bad-Trennwand dienen. Diese Wände reichen nicht ganz bis zur Decke – einerseits, um das ­innenliegende Bad mit Tageslicht zu versorgen, andererseits, damit die Pflegekräfte bettlägerige Bewohner mithilfe eines Deckenlifters zum Duschen ins Bad bringen können. Die für den Lifter entlang der Zimmerwände nötigen Decken-Laufschienen sind in allen Zimmern vorhanden, Querbalken und Hebevorrichtung werden aber nur bei Bedarf eingebaut. Diese Einrichtung stört zwar das ansonsten harmonische Bild, bietet den Mitarbeitern jedoch ­eine erhebliche Erleichterung in der täglichen Pflege. Versöhnlicher ist da der Blick in die umliegende Natur, der dank der tiefen Brüstung der Fichtenholzfenster auch vom Bett aus gut möglich ist.

Aktive Gemeinschaft und teilnehmende Beobachtung

Unabhängig vom Pflegebedarf steht im Pflegeheim die Förderung der Gemeinschaft im Vordergrund. Und so gibt es im Wohnbereich neben viel Platz für Tische, Stühle, Sofas und eine Terrasse bzw. einen Balkon auch jeweils eine große offene Küche mit frei stehender Theke. Während die Hauptbestandteile des Mittagessens aus wirtschaftlichen Gründen im Haus der Generationen in Götzis gekocht und angeliefert werden, erfolgt die Zubereitung der Beilagen vor Ort. Die Küche wird natürlich ebenso zum gemeinsamen Backen, für Frühstück und Abendessen und Anderes genutzt. Selbst wenn sich Bewohner aus gesundheitlichen Gründen nicht direkt beteiligen können, so sind sie doch Teil des Ganzen.

Von dieser Art der teilnehmenden Beobachtung dürften viele Bewohner ebenfalls profitieren, wenn es im nächsten Jahr auf der dem Pflegeheim südlich vorgelagerten Wiese Hochbeete und Hühner geben wird. Gemeinsame religiöse Erlebnisräume eröffnet eine kleine Kapelle. Sie befindet sich am Gemeinschafts- und Veranstaltungsbereich über dem Haupteingang, vom dem aus eine Brücke den Übergang zum ehemaligen ­Versorgungsheim ermöglicht.

Das ehemalige Versorgungsheim als Teil des neuen Ensembles blieb baulich nahezu unverändert, wurde aber bei gleicher Raumaufteilung grundlegend renoviert und mit neuen Böden, Fenstern, Türen und Anstrichen versehen. Hier befinden sich die Büros der Hauskrankenpflege, des Mobilen Hilfsdiensts, der Elternberatung, der Gruppe »z’Kobla dahoam« und der Beratungsstelle für Gesundheit, Pflege & Koordination sowie Besprechungsräume.

Das dritte Gebäude am Dorfplatz ist ein Wohnungsbau mit 16 um einen zentralen Lichthof gruppierten, barrierefreien Wohnungen in den beiden unteren Geschossen und einer betreuten Wohngruppe für zwölf Personen mit maximal mittlerem Pflegebedarf im 2. OG. In den Wohnungen leben Menschen ­jeden Alters, auch junge Familien, die größtenteils ohne direkten Bezug zum Pflegeheim stehen. Es besteht für sie aber die Möglichkeit, einen Betreuungsvertrag abzuschließen und zeitweise oder dauerhaft verschiedene Angebote des Pflegeheims oder des Mobilen Hilfsdiensts zu nutzen: z. B. Funknotruf, Mittagessen oder kleinere Pflege-Dienstleistungen.

In der betreuten Wohngruppe mit Bewohnern verschiedenen Alters, aber ähnlichen Bedürfnissen geht es nicht in erster Linie um körperliche Pflege, sondern um die Unterstützung im Alltag. Aus diesem Grund stehen zwischen 7 und 21 Uhr Fachkräfte in der Wohnung für Hilfeleistungen zur Verfügung – nachts sind für Notfälle die Mitarbeiter des Pflegeheims zuständig. Die Ausstattung der Wohnbereiche entspricht den Standards des Pflegeheims – auch hier prägt geöltes Eichenholz das Bild. Die Zimmer werden von den Bewohnern komplett selbst eingerichtet.

Verantwortung für Mensch und Umwelt

Durch die Nutzungsmischung innerhalb der drei Gebäude ist in Koblach ein wirklich generationenübergreifendes Sozialzentrum entstanden, das Beratungs- und Betreuungsangebote für fast alle Altersgruppen bereithält. Und selbst wer hier keine Antworten findet, begegnet fachlich kompetenten Menschen, die wissen, wohin man sich mit Fragen wenden kann. Das gleiche Verantwortungsgefühl, das die Region »amKumma« für ihre Einwohner zeigt, hat sie seit Jahren auch für den Umweltschutz. Und so erscheint es den hiermit gut bekannten Architekten beim Rundgang fast schon nebensächlich zu erwähnen, dass Passivhaus-Standard erreicht wurde und selbstverständlich ökologische, heimische Baumaterialien zum Einsatz kamen. Errichtet wurden die Neubauten in Massivbauweise aus Tonziegeln mit Vollwärmeschutz aus Mineralwolledämmung und Fensterrahmen aus Fichtenholz. Heizwärme und Warmwasser werden mithilfe von Erdwärme erzeugt.

Und da sich die Einwohnerzahl Koblachs in den letzten 40 Jahren auf rund 4 500 fast verdoppelt hat, gibt es selbst für den Fall, dass der Bedarf an Pflegeheim­plätzen weiter steigt, schon eine Lösung. Weil eine Aufstockung des Pflegeheims städtebaulich unverträglich wäre, haben die Architekten die Baukörper so platziert, dass in nördlicher Richtung auf dem eigenen Grundstück ein ­Erweiterungsbau errichtet werden könnte.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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