Zeitschrift

anthos 2018/03
Stadtklima & Frischluft
anthos 2018/03
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Regenwasser zur Kühlung der Luft

Klimaverbesserung auf dem Campus Artem in Nancy (F) durch alternatives Regenwassermanagement. Ein Überblick.

10. September 2018 - Claire Alliod
Artem ist ein Campus im Herzen der Grossstadt ­Nancy. Das Bildungs- und Forschungsprojekt will fachbereichsübergreifende Synergien schaffen, ganz im Geiste der legendären École de Nancy. ARTEM steht für ARt – TEchnologie – Management und vereint drei Hochschulen unter einem Dach: die Staatliche Hochschule für Kunst und Design ENSAD, die Inge­nieurschule ENSMN und das Managementinstitut ICN der Universität Nancy sowie die Labors des Forschungsinstituts Jean Lamour IJL. Die geplanten Gebäude mit einer Fläche von rund 70 000 Quadratmetern auf einem fast zehn Hektaren grossen Gelände sollen etwa 5000 Personen fassen.

Die Anordnung von Gebäuden und Gärten spiegelt den Gedanken von Öffnung und Mischung wider, der dem pädagogischen Konzept zugrunde liegt. Eine grosse gläserne Passage, die Galerie, verbindet die Hochschulgebäude und setzt sie als strukturierendes Element zueinander in Beziehung. So entsteht ein grosser, halboffener Gemeinschaftsraum, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Ein Luft-Erdwärme-­Tauscher sorgt für die Temperierung der Galerie
und damit auch der Gebäude, die wiederum über die Ga­lerie mit vorgewärmter oder vorgekühlter Luft ­versorgt werden. Garteninseln unterstützen diese wärmeregulierende Funktion.

Offenes System

Die geplante Aussengestaltung fügt sich ein in das Netz der bestehenden öffentlichen und privaten Grünflächen des Quartiers. Es sollen unterschiedliche Milieus geschaffen werden – bewaldete Flächen, Senken, Wiesen, Gärten und begrünte Dächer –, welche sich positiv auf das Klima und die Diversität von Flora und Fauna auswirken. Bepflanzung und Wasser werden genutzt, um den Komfort der Nutzer zu verbessern. Die Regenwasserretention ist komplett offen vorgesehen und bietet die Gelegenheit, die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung des Projekts in Szene zu setzen und zu verwirklichen: Biodiversität im städtischen Raum, Einbeziehung der Natur in die Gebäude, Schonung der (Wasser-)­Ressourcen, Energieeinsparung (Wärme­regulierung durch Wasser), Teilhabe und Wohlbefinden der Nutzer:innen.

Für die Bepflanzung wurden, ausser in der Galerie, standortheimische Sorten ausgewählt, die auf die verschiedenen Ökosysteme der Grossstadt verweisen: die Ahorne und Eichen der umgebenden Hügel, die Pinien der Pflanzungen in den ehemaligen Steinbrüchen am Rand des Plateaus, die Feuchtgebietspflanzen der Sumpfgebiete im Meurthe-Tal.

Lösung für aussergewöhnliche Regenfälle

Für das Regenwassermanagement auf dem Campus ist ein überwiegend offenes System vorgesehen, wie es für die Dach- und die Niederschlagsentwässerung von Verkehrsflächen im dichten städtischen Raum üblich ist. Dieses System erfordert die getrennte Retention von normalen und aussergewöhnlichen Wassermengen, damit die von den NutzerInnen beanspruchten Flächen nicht zu häufig feucht sind. Das gesamte «normale» Regen­wasser wird in Regen­wassersammlern (begrünte Gräben, Wasserrinnen: aus Stein, gepflastert oder aus Kieseln) aufgefangen. Aussergewöhnliche Wassermengen bei heftigen Gewittern oder starken und wiederholten Regengüssen werden in begrünten Gräben und muldenförmig ausgebildeten überflutbaren Flächen gesammelt. Ausserhalb der Zeiten starker Niederschläge sind diese Sickerflächen trocken und öffentlich nutzbar.

Komponenten des Regenwassersammelsystems

– Gräben entlang der Hauptverkehrsflächen, in denen das Niederschlagswasser von diesen Verkehrsflächen (oder gegebenenfalls der Fussgängerallee) und von allen davor liegenden Steinflächen aufgefangen wird. Sie enthalten Regelorgane und regeln die gesamte vorgeschaltete Retention.
– Grosse Trockenbecken auf dem Freizeitgelände.
– Wasserrinnen in den Innenhöfen für das Wasser von den umgebenden Dächern. Das Dachwasser wird über die Fallrohrauslässe in diese Rinnen geleitet und dann den Versickerungsbecken oder -mulden zugeführt.
– Mit Gras bewachsene Bodenwellen in den bepflanzten Innenhöfen. Sie bilden Mulden, in denen das Wasser je nach Bedarf zurückgehalten wird. Einige sind als Trockenbecken, andere als Feuchtbecken ausgelegt. In den Feuchtbecken gedeiht die ganze Vielfalt der Feuchtgebietsflora und -fauna. Diese Innenhofgestaltung als wellige Graslandschaft bringt Abwechslung in das Erleben der Nutzer.
– Zwei Wasserbecken mit Wasserpflanzen fangen ebenfalls das Regenwasser auf und reichern es mit Sauerstoff an. Am tiefsten Punkt der bepflanzten Innenhöfe gelegen, bilden sie die letzte Etappe des offenen Regenwassersammelsystems vor der Einleitung ins Netz. Dies sind «biologische Becken», die von Pflanzen gereinigt werden. Das Wasser in diesen Becken sorgt im Sommer für Kühle, im Winter für milde Temperaturen und in jeder Jahreszeit für eine grosse biologische Vielfalt.

Die Verbesserung des Stadtklimas spielte in der Konzeption des Campus Artem eine übergeordnete Rolle. Eine Phase der Suche nach den besten Instrumenten zur Bewertung der Qualität der getroffenen Massnahmen ist im Gange. Sie umfasst thermische Messungen des Luft- und Regenwasserverbrauchs für die Bewässerung auf Galerieebene, die Überwachung der Biodiversität in Gärten und Aussenhydrauliksystemen sowie eine Umfrage zur Nutzerzufriedenheit.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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