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db deutsche bauzeitung 2020|05
Potenzial Topografie
db deutsche bauzeitung 2020|05

Wogende Insel im ruhigen Fluss

Baakenpark in der Hamburger HafenCity

Das einstige Hafengelände, auf dem die HafenCity weiterwächst, ist ein von Orthogonalität und Rationalität geprägter Ort. Ein neuer, in einem Hafenbecken als Halbinsel mit bewegter Topografie realisierter Park bildet nun innerhalb dieses von Funktionalität bestimmten Ordnungssystems einen markanten Kontrapunkt.

7. Mai 2020 - Claas Gefroi
Selbst unter den Hamburgern ist nur wenigen klar, auf welch geschichtlich bedeutsamem Terrain die HafenCity entstand. Das langgezogene Areal des Grasbrooks an der Norderelbe bildete einst den Auftakt für den modernen Hamburger Hafen. Ende der 1830er Jahre wurde der Hafen – damals noch aus wenigen Hafenbecken bestehend, in denen die Schiffe an Dalben festmachten – zu eng. Hafenbaudirektor Dalmann ließ, anders als beispielsweise in London mit den Dockhäfen, eine Reihe tideoffener Hafenbecken bauen: Sandtorhafen (1866), Magdeburger Hafen (1872), Grasbrookhafen (1876) und schließlich der Baakenhafen (1887), dem heutigen Standort des neuen Baakenparks.

Die Hafenbecken erhielten damals befestigte Uferkanten (Kais), an denen die Schiffe festmachen konnten. Die Verbringung der Güter in Schuppen erfolgte zeitsparend mit Dampfkränen. So verkürzten sich die Liegezeiten der Schiffe und Umschlagzeiten der Waren erheblich, was den Hamburger Hafen zu einem der schnellsten der Welt machte.

Stadt am Wasser

Etwas mehr als 100 Jahre später, in den 1990er Jahren, hatte sich das Bild stark gewandelt: Der einst moderne Hafen war unwichtig geworden, weil die Waren in Containern in den großen Terminals weiter westlich umgeschlagen wurden. Die Hafen- und Logistikwirtschaft trachtete danach, die Becken zu verfüllen um dort große Lagerhallen errichten zu können. Der Architekt Volkwin Marg (gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner) wollte das nicht akzeptieren und fand im Chef des städtischen Hafenkonzerns HHLA, Peter Dietrich, einen Partner. Beide wussten um die topografische und historische Bedeutung des Areals und die Lagegunst nahe der Hamburger Innenstadt. Sie überzeugten den damaligen Bürgermeister Henning Voscherau von der Notwendigkeit eines Erhalts und einer Umnutzung des Grasbrooks. Die Idee für eine Erweiterung der Innenstadt auf den ehemaligen Hafenflächen war geboren, die bedeutsamen Hafenbecken gerettet.

Eine zentrale Frage für den neuen Stadtteil war, wie dort Land und Wasser ineinandergreifen und die reizvolle Lage an der Elbe genutzt werden konnte. Dass die Hafenbecken tideoffen sind, hatte für die HafenCity wichtige Konsequenzen: Es gibt dort Ebbe und Flut und bei Sturmflut wurde das Gelände regelmäßig überschwemmt. Die Umnutzung des Hafenareals zu einem ­Stadtteil mit Wohn-, Büro- und Freizeitnutzungen machte deshalb einen besonderen Flutschutz notwendig: Man entschied sich für die Aufschüttung der Land­flächen um mehrere Meter auf sicheres Niveau – die sogenannte Warftenlösung. Zwar hatte man so ausreichend Distanz zum Wasser hergestellt, aber die (vertikale) Trennung zwischen Wasser und Land wurde zu einem gestalterischen Problem, sollte doch das Leben am Wasser zum größten Reiz des neuen Stadtteils werden. Bei Ebbe ist der Pegel so tief, dass das Wasser aus Fußgängerperspektive kaum sichtbar ist. Die Masterplaner (Kees Christiaanse und ASTOC) versuchten deshalb, den Niveauunterschied des Geländes zu vermitteln und zu nutzen: Die Kopfenden der großen Hafenbecken treppen sich von der neuen, höheren Ebene mittels breiter und langgezogener Terrassenanlagen hinab auf das alte Geländeniveau. Auf diesen Terrassen lässt es sich gut sitzen und flanieren, ebenso wie auf den seitlichen Uferpromenaden auf dem einstigen Geländeniveau. Im Sandtorhafenbecken wurde zudem eine Pontonanlage festgemacht, an der kleinere Museumsschiffe liegen. Im benachbarten Grasbrookhafen soll in Zukunft ein Segelboothafen entstehen.

Dennoch: Das Wasser erscheint in der HafenCity oftmals weit weg. So stand die Überlegung im Raum, in den neuen Vierteln rund um den Baakenhafen einen stärkeren Bezug zum Wasser herzustellen. Der städtebauliche Entwurf von APB Architekten sieht deshalb sechs im Hafenbecken stehende (noch nicht gebaute) »Wasserhäuser« vor. Und der wichtigste Bezugspunkt des Quartiers, ein Park für Sport, Spiel und Erholung, wurde gar als eine Halbinsel im Hafenbecken geplant. Dieser »Baakenpark« nach Plänen des Berliner Landschaftsarchitekturbüros Atelier Loidl wurde bereits eröffnet, während rundherum noch die Wohn- und Bürohäuser entstehen. Haben die Planer diese besondere Lage mit Gewinn nutzen können?

»Himmelsberg« und »Inselweg«

Um den Baakenpark erreichen zu können, muss man von der neu angelegten Baakenallee zunächst eine Treppenanlage herab auf das alte Geländeniveau steigen. Von dem dort liegenden Vorplatz aus präsentiert sich die Parkanlage recht unspektakulär mit sanft ansteigenden Grashügeln, auf denen Spiel- und Sportplatz liegen. Ein barrierefreier Pfad führt dann sacht hinauf ins ­bewegte Gelände. Es offenbart sich rasch, dass dies ein Rundweg ist, der zu den verschiedenen Attraktionen des Parks führt. Drei Plateaus besitzt die Anlage: im Westen der Sport- und Spielbereich, in der Mitte eine Spiel- und Liegewiese und schließlich im Osten der höchste Punkt: der sogenannte Himmelsberg. Er ist aus mehreren Schichten Elbsand aufgeschüttet worden, denen Geogitter Halt geben. Die drei steilen Seiten wurden mit Stahlgitterelementen versehen, auf denen dann Rasenmatten befestigt wurden, um den Hügel zu begrünen. Mit seinen 15 m Höhe ist er noch nicht einmal für Hamburger Verhältnisse ein Berg, aber der Steigungswinkel ist eindrucksvoll und macht das Erklimmen der rostroten stählernen Stufen zum Erlebnis. Das Aussichtsplateau ist bekrönt von einem hölzernen Sitz- und Liegemöbel, aus dem überraschenderweise zwei kleine Bäume wachsen, die im hier beständig wehenden Wind wohl kein ruhiges Leben haben werden.

Auf dem Plateau bietet sich ein schöner Blick nicht nur auf das werdende Quartier, sondern auch auf Bernhard Hermkes’ Großmarkthallen, die Elbbrücken und die Elbe. Von hier oben erschließt sich zudem der Zuschnitt der Park-Halbinsel: Mit ihren spitzen Winkeln erinnert die Grundform ein wenig an eine Bastion der längst geschliffenen barocken Befestigungsanlage Hamburgs. Die winkelförmige Figur setzt einen klaren Kontrapunkt zur ­Orthogonalität des Baakenhafens. Erkennbar wird auch, wie weit die Anlage in das Hafenbecken ragt und es dadurch einschnürt. Vom östlichen Kopfende aus gesehen wird so die Gesamtansicht des Baakenhafens verstellt, was ­bedauerlich ist.

Volles Programm

Der »Inselweg« durch den Park führt dann mit mehreren Knicken und Wendungen weiter entlang von Sitzstufen, Schaukeln, Fitnessbereich und Liegewiese schließlich zum Spielbereich und dem Sportplatz: Hier haben die Planer ein wildes und kurzweiliges Ensemble von schräg eingegrabenen Holzmöbeln geschaffen: Spiel- und Kletterhäuser oder der Mannschaftsunterstand des Sportfelds wirken wie über Bord gegangene und an den Elbstrand gespülte Kisten. Dazu passt eine Kletterlandschaft aus ineinander gekeilten Holz­pfählen und Netzen.

Hier wurde viel gewollt und auch erreicht – was 2019 mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis honoriert wurde. Bemerkenswert gelungen ist der Ansatz, dem orthogonal und horizontal geprägten Gelände eine komplexere Geometrie und die dritte Dimension hinzuzufügen. Auch Details ­bestechen: die Auswahl und Zusammenstellung der Pflanzen und Materialien, die Originalität der eigens ­geschaffen Möbel und Geräte. Doch all das zusammen ist schon fast eine Reizüberflutung: Auf dem Rundweg durch den nur 1,6 ha großen Park fühlte sich der Rezensent ein wenig wie Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer auf ihrer Fahrt über die winzige Insel Lummerland. Es geschieht unglaublich viel auf engstem Raum, das Auge findet kaum Ruhe. Diese extreme räumliche, funktionale und optische Verdichtung dürfte nicht jedem gefallen. Es ist dies ein Park für eine eher junge Generation, die in ständiger Aktion ist und visuelle und haptische Reize sucht. Ob sich die Nähe von Sport-, Spiel- und Ruhebereichen in der Praxis bewährt, wird die Zeit zeigen. Man hätte sich gewünscht, dass dieser ambitionierte und hochspannende Park doppelt so groß geworden wäre, sodass er nicht nur ins Wasser, sondern auch ins Land wachsen würde. Dadurch wäre das Programm etwas mehr verteilt und der Park auch landseitig stärker sichtbar geworden. Das aber, ist zu vermuten, vertrug sich nicht mit dem Streben der Stadt, die Landflächen zu verkaufen. Schade: Mehr wäre hier mehr gewesen.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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