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db deutsche bauzeitung 2023|05
Stadtquartiere
db deutsche bauzeitung 2023|05

Qualität des Mittendrin

Nachverdichtender Geschosswohnungsbau in Basel

Mitten in Basel haben HHF Architekten mit dem »Landskronhof« eine grüne Oase mit familiärer Atmosphäre geschaffen. In ruhiger Hoflage wirken Nähe, Blickbeziehungen und Topografie. Das neue Wohngebäude gliedert sich als leichter, heller Pavillon in die bestehende Stadtstruktur ein. So konnten ein vergessener Ort reaktiviert und die Stadt verdichtet werden.

5. Juni 2023 - Nele Rickmann
Das Projekt Landskronhof befindet sich im Stadtteil St. Johann in Basel unweit des Verkehrsknotens Kannenfeldplatz, von dem man den Basler Hauptbahnhof innerhalb von 15 Minuten mit Bus oder Tram erreicht. Eine familiäre und vertraute Atmosphäre durchströmt die Straßen – man kennt und grüßt sich. Das Quartier ist geprägt von einer klassischen Blockrandbebauung, die sich aus kleinteiligen Häusern zusammensetzt; demnach gliedern sich die Höfe in mehrere Parzellen. Im Unterschied zu den umliegenden Höfen ist der, in dessen Mitte sich das Projekt Landskronhof befindet, von einer starken Topografie geprägt: Von Nord nach Süd wie auch von West nach Ost fällt das Gelände konstant ab. Mehrere hohe Mauern durchziehen den Hof und terrassieren so die Höhenunterschiede. Eine Situation, die vor Herausforderungen stellt – wie schon die Nähe zu den Bestandsbauten. Fluch und Segen zugleich, denn HHF Architekten haben nach einer langen Planungs- und Bauphase von insgesamt neun Jahren ein Pilotprojekt der innerstädtischen Verdichtung geschaffen. Die Architektur besticht durch spannende innenräumliche Situationen, die durch Nähe und Ferne, Durchblicke und eine konstante Beziehung zum Außenraum geprägt sind – v. a. ist dies möglich durch die komplexen kreuzförmigen Grundrissstrukturen und mehrere Staffelgeschosse.

Zwar zeigt dieses architektonische Prinzip für solche Hofsituationen Perspektiven auf. Dennoch ist die von HHF Architekten hier vorgeschlagene Lösung individuell und maßgeschneidert für den topografisch geprägten Ort. Dieser war vor dem Bau des Landskronhofs von versiegelten Flächen, Parkplätzen und Garagen geprägt – identitäts- und beziehungslos, ein sogenannter Nicht-Ort eben. HHF Architekten haben mit dem Projekt zukunftsweisend ein Stück Stadt realisiert, das die Herausforderungen der Situation geschickt in architektonische Qualitäten umwandelt.

Oben, unten, nah und fern

Das im Hof gelegene Grundstück, auf dem sich der Landskronhof befindet, ist von Norden und Osten durch unscheinbare Einfahrten zugänglich, die jeweils auf unterschiedlichen topografischen Ebenen liegen. Die untere ist von der Davidbodenstrasse aus erreichbar. Hier liegt die Einfahrt zur Tiefgarage, die in den Höhenversprung integriert ist, neben einem der zwei Hauseingänge. Im Unterschied dazu ist die obere Ebene von der Landskronstrasse ausschließlich für Fußgänger und Fahrradfahrer zugänglich, hier befindet sich der andere Hauseingang. Im Inneren sind beide Eingänge geschickt durch Blickbeziehungen verbunden, welche durch verspiegelte Wände und eine frei stehende Wendeltreppe spielerisch inszeniert werden. Eine klare Zonierung lässt sich ablesen; das Konzept überzeugt durch ein komplexes Gefüge und stetige Blickbeziehungen, die trotz der Höhenversprünge eine gesamtheitliche Zugehörigkeit möglich machen.

Das Thema der visuellen Verbindungen zieht sich durch das ganze Haus. Hier befinden sich 15 Wohnungen, die mit Größen von 50 bis 150 m² unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen. Fast vollständig werden die Wohneinheiten von jungen Familien bewohnt. Durch die Versprünge der einzelnen Geschosse ist überall ein Bezug zum Außenraum gegeben; jede Wohnung präsentiert sich anders, kein Geschoss ist gleich. Was jedoch alle Wohnungen gemein haben, ist das gekonnte Spiel der Architekten mit Ausblicken in die Nähe und Ferne. Das Prinzip der nahen Wand entdeckten HHF Architekten bereits zuvor im Projekt Byfangweg (ebenfalls in Basel) für sich, verrät Simon Frommenwiler, Architekt und einer der drei Bürogründer. Der kreuzförmige Grundriss des Landskronhofs ermöglicht das Prinzip der durchgesteckten Wohnungen an jedem der vier Arme, sodass sich weite Ausblicke in den Hof und Garten ergeben. An den kurzen Stirnseiten sind die Ausblicke v. a. in den unteren Wohnungen durch die Mauern der nahen Brandwände beschränkt. Jedoch beeinträchtigt das die Wohnungen nicht – ganz im Gegenteil, die Situationen profitieren von den Kontrasten. Damit gegenseitige Einblicke vermieden werden, sind die inneren Ecken je einer Wohnung zugeteilt. Ein ausgetüfteltes Spiel der verschachtelten Einheiten prägt den Landskronhof und ist von außen auf den ersten Blick so nicht ablesbar.

In den unteren Geschossen wie auch im DG finden sich Maisonettewohnungen. Auf jedem einzelnen Geschoss hat man durch die Höhenversprünge das Gefühl, im EG zu sein respektive sich in dessen unmittelbarer Nähe zu befinden – und das, obwohl das Haus insgesamt sechs Geschosse umfasst. Terrassen und Gärten verstärken die Beziehung zum Außenraum. In den oberen Etagen sind diese begrünt, ebenso die Dachflächen. Einblicke von den umgrenzenden Häusern lassen sich hier allerdings nicht vermeiden. Die verschachtelten Volumen tragen jedoch dazu bei, dass jeder Wohnung gleichermaßen ein zurückgezogener Bereich zur Verfügung steht.
Auch die das Haus komplett umlaufenden Balkone auf jeder Etage fungieren als Pufferzone zwischen halböffentlichem Hofraum und privater Wohnung. Sie werden in Zukunft bewachsen sein, sodass die angrenzenden Häuser von einer grünen Vertikalen als Gegenüber profitieren. Zudem bilden diese eine Art verbindendes Element. Ein Bewohner erzählt, wie v. a. die Kinder schnell zwischen den Wohnungen wechseln und spontane Besuche stattfinden. Auch über die einzelnen Etagen hinaus wird kommuniziert, von oben nach unten gerufen, gegrüßt und sich verabredet. Ein Konzept, auf das man sich einlassen muss, wenn man sich entscheidet, im Landskronhof zu wohnen. Vielen wäre das u. a. auch zu viel Nähe, zu viel Gemeinschaft, zu viel Offenheit. Dass sich die gegenwärtige Bewohnerschaft allerdings vollkommen auf dieses Konzept eingelassen hat und es mit Freude lebt, zeigen der Verzicht auf abgrenzende Hecken im Garten oder gar Trennwände auf den umlaufenden Balkonen. Damit das auch so bleibt, wurde sogar jüngst ein gemeinsames Statement der Bewohnerschaft verfasst, verrät Frommenwiler. Und das, obwohl sich die Bewohnerschaft anfänglich willkürlich zusammengefunden hat. Die Wohnungen wurden als Eigentumswohnungen vergeben, eine vorherige Absprache, wie man es von Baugruppen kennt, gab es hier nicht. Ein Wunder also – oder eher ein Zeichen gelungener Architektur –, dass das Prinzip der Gemeinschaft hier so einwandfrei funktioniert.

Nicht nur das Leben im Landskronhof bedarf gemeinschaftlicher Zusammenarbeit, auch der vorangegangene Planungs- und Bauprozess war eine Arbeit von vielen. Ein Projekt dieser Art, das einem bereits vergessenen Hinterhof neues Leben einhaucht, ist das Resultat eines langjährigen und teils auch zähen Zusammensitzens von Grundstückseigentümer:innen, Hausbesitzern, Bewohnerschaft, Planenden und der Stadt Basel. Man arbeite gemeinsam an Ideen, nicht genutzte Flächen in Basel zu reaktivieren und Potenziale von innerstädtischen Lagen zu nutzen, so Frommenwiler. Dass dies möglich ist, zeigen HHF Architekten mit dem Projekt vorbildlich, und verweisen damit auf eine zukunftsfähige Lösung, die in der Innenstadt fast schon suburbanen Charakter hat. Eine ruhige, mikro-parkähnliche Atmosphäre ist rund um den Landskronhof entstanden: Im grünen Hof finden sich eine Reihe von öffentlichen und halböffentlichen Gärten, die nicht nur für die Bewohnerschaft des Landskronhofs, sondern auch für die angrenzende Nachbarschaft Aufenthaltsqualitäten schaffen.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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