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ARCH+ 179
O.M. Ungers Architekturlehre
ARCH+ 179
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Die Berliner Vorlesungen von Oswald Mathias Ungers

Mit dieser Ausgabe veröffentlichen wir zum ersten Mal die Berliner Vorlesungen von Oswald Mathias Ungers aus den Jahren 1964–65. Sie sind mittlerweile legendär. Im internationalen Kontext kann man sie in eine Reihe mit solch bedeutenden Schriften wie „Die Architektur der Stadt“ von Aldo Rossi und „Komplexität und Widerspruch in der Architektur“ von Robert Venturi stellen. Während letztere das Verständnis von Stadt und Architektur zu verändern suchten, versuchte Ungers in der Umbruchzeit der 1950er und 1960er Jahre, die Architekturlehre neu zu begründen. Das Thema der Vorlesungen ist zwar auf das Museum beschränkt, es hätte jedoch auch jedes andere Thema sein können, da OMU typologisch-morphologisch argumentiert. Aus diesem Grunde formulieren die Vorlesungen jenseits der thematischen Bindung ein architektonisches Denken, das Allgemeingültigkeit beansprucht.
OMU entwickelt mit den Vorlesungen eine Art Grundrisstypologie, die er in der Hauptsache auf formal-ästhetische, d.h. in diesem Kontext architektonisch-strukturelle Aspekte konzentriert. Dabei bedient er sich der in den Kunstwissenschaften verbreiteten kompara-tistischen Methode, wie sie z.B. in der vergleichenden Bildbetrachtung zur Anwendung kommt. Mit dem Mittel der morphologischen Reihung sucht OMU die Kompositionsregeln der einzelnen Bauwerke in eine synoptische allgemeine Betrachtung einzubinden und Entwicklungslinien herauszuarbeiten. Diesen Aspekt haben wir mit ausklappbaren Grundrisstableaux und analytischen Zeichnungen nachvollzogen, die als Lesehilfe dienen sollen. Exkurse zu einzelnen kunsthistorischen Aspekten begleiten die Ausführungen und dienen der Vertiefung des Verständnisses, ohne den Anspruch zu erheben, kunsthistorisch korrekt zu argumentieren. Im Gegenteil, OMU geht mit dem Material ausgesprochen virtuos und frei um, was von einer großen Souveränität und einem freien Denken zeugt.

Die Vorlesungen sind nach dispositiven, räumlichen Kriterien strukturiert und untersuchen, ob die Räume koordiniert, subordiniert, kontinuierlich ineinander übergehen oder durch einen Korridor verbunden werden. Damit stellt OMU die Frage nach den Regeln der Raumdisposition in den Mittelpunkt, für die Robin Evans erst viel später mit „Menschen, Türen, Korridoren“ die historische Rechtfertigung liefern sollte.
OMU verfolgt mit diesem Ansatz etwas, was in den 1960er Jahren vollständig unzeitgemäß war: nach der Regelhaftigkeit von Architektur zu fragen, mehr noch, in der Architektur „die Kunst (zu sehen), Bindungen zu schaffen.“ (vgl. Antrittsvorlesung S. 12 ff.) Er sucht die Architektur nicht nur vom Bauen, sondern auch von der Baukunst abzugrenzen und als eine Disziplin zu etablieren, die weder im Zweck noch in der Idee aufgeht, sondern zwischen den beiden Polen des architektonischen Schaffens vermittelt. vermittelt. In der Kompositionslehre als Entwurfsinstrument meint er diesen Mittelweg gefunden zu haben. Und so ist es nur folgerichtig, dass er den Vorlesungszyklus zum Museum mit einer Vorlesung zum architektonischen Regelwerk eröffnet, während die anschließenden Vorlesungen einzelne Dispositionen diskutieren.
Um zu zeigen, wie sich die Architekturlehre vom OMU ausgewirkt hat, haben wir den Vorlesungszyklus um eine Auswahl von beispielhaften Studentenarbeiten erweitert, die durch die legendären „Veröffentlichungen zur Architektur“ des Lehrstuhls einen größeren Kreis erreicht und namhafte Architektenbiographien wie jene von Rem Koolhaas beeinflusst haben.

Im Gespräch mit Rem Koolhaas und Hans-Ulrich Obrist in diesem Heft (S. 6 ff.) beklagt sich OMU bitter über das jähe Ende seiner Berliner Jahre. Er hatte einen Kongress zur Architekturtheorie mit internationaler Beteiligung geplant, der „in einer Katastrophe (endete)“, wie er heute resümiert. Die Studenten entrollten zur Schlussdiskussion ein Transparent mit der Aufschrift: „Alle Häuser sind schön – hört auf zu bauen.“ OMU sah in dieser Aufforderung einen Angriff auf seinen Versuch, „in die Architektur in Deutschland wieder Intelligenz, Nachdenklichkeit und Kreativität hinein(zu)bringen“.
Während er mit einer noch heute in den Publikationen spürbaren Neugierde, Offenheit und Experimentierfreude an der Rückeroberung des Bauens für die Architektur arbeitete, schickten sich die Studenten an, den Aufstand zu proben. Rem Koolhaas trifft diesen Punkt, wenn er nach der Spannung fragt zwischen der zeitgleichen Wiederentdeckung von Schinkel als dem eklektischen Genie des 19. Jahrhunderts und den nicht weniger eklektischen politischen Maskeraden an der TU Berlin. Und in der Tat ging die vom Establishment gefürchtete „Gefahr“ weniger von den revolutionären Maskeraden aus als vielmehr von den kulturrevolutionären Elementen, die die Studentenbewegung mittransportierte. Als Gegenkultur gelang es der Studentenbewegung, in die Gesellschaft einzuwirken und andere soziale Schichten zu ergreifen. Und obwohl sie politisch nie das studentische Milieu überwand, ließ sie die Lebenspraxen explodieren, auf denen neben der bürgerlichen Gesellschaft auch das Studium selbst basierte. Anders ausgedrückt: Mit der Studentenbewegung zeichneten sich, wenn auch politisch verklärt, schon die konsumistischen Lebensmodelle der sich anbahnenden Massengesellschaft ab, während die Architekturlehre von Ungers noch auf das humanistische Bildungsideal der bürgerlichen Gesellschaft zurückging und damit fast zu einem Fremdkörper wurde in den politischen Auseinandersetzungen. In diesen Konflikten mit wechselnden Fronten liegt u.E. der Grund für das Scheitern von OMU an der TU Berlin.

On The Eve of Destruction ...

Diese politischen Auseinandersetzungen sind nur vor dem Hintergrund einer größeren Krise zu verstehen. Denn das Projekt der Moderne schien in den 1960er Jahren an einen Wendepunkt gelangt zu sein. Der anti-klassische Impuls, der die Moderne seit Anbeginn des Jahrhunderts antrieb, nämlich die Kunst in die Lebenspraxis zu überführen, war offensichtlich verbraucht, mehr noch, die allgegenwärtige Banalität der zum Bauwirtschaftsfunktionalismus herunter gekommenen Moderne erübrigte jeden Hinweis auf ihre ganz anderen Ursprünge. Die Krise war da und nicht mehr zu verleugnen. Wie man sich zu ihr verhielt, war auch eine Frage, wie man zu Oswald Mathias Ungers stand. Kündigte die Krise das Ende des Anti-Klassizismus der Moderne an und den Beginn einer neuen Architektur mit OMU als einem ihrer Protagonisten, wie es Heinrich Klotz mit der „Revision der Moderne“ einforderte, oder barg die Krise auch andere Möglichkeiten?

Die Zeit schien damals beiden Positionen Recht zu geben. Der schon totgesagte Anti-Klassizismus der Moderne erlebte eine erste wissenschaftliche Renaissance durch die Aufarbeitung der heroischen Moderne. Die historisch kritische Revision der Moderne setzte mit den Arbeiten von Giulio Argan mit „Gropius und das Bauhaus“ und Manfredo Tafuri mit „Projekt und Utopie“, sowie grundsätzlich mit der Zeitschrift Casabella continuità ein. Aber auch die politischen Auseinandersetzungen begannen in den Fachdiskurs einzugreifen, wo sie zu heftigen Verwerfungen führten. Sie zielten auf ein verändertes Verständnis von Planung und wurden getragen von der Hoffnung auf eine neue Planungskultur.
Nach einer wechselvollen Geschichte von Niederlagen und erst langfristig sich auswirkenden Erfolgen hat sich die Hoffnung auf eine neue Planungskultur bis heute nicht erfüllt. Die Entgrenzung in die Sozialwissenschaften und mit ihr der Traum nach Verwissenschaftlichung der Architektur, den auch diese Zeitschrift mitgetragen hat, ist grundsätzlich gescheitert, während die Öffnung des Planungsprozesses für neue Koalitionen bis in die Gegenwart fortwirkt. (vgl. hierzu archplus 173 Shrinking Cities, Mai 2005).

Die klassizistische Wende

Demgegenüber setzte sich der Klassizismus der Moderne auf breiter Front durch. Er verwies seinen gegenkulturellen Widerpart in die Randbereiche der Planungs- und Politikwissenschaften, über die er erst heute, angesichts der Governancedebatte, wieder in die Disziplin zurück zu strahlen beginnt. Die Kritik am Anti-Klassizismus beherrschte die Debatte, mehr noch, er wurde als Grund für das Scheitern der Moderne überhaupt denunziert, verstärkt noch durch das sich abzeichnende Ende des „realen Sozialismus“, das dazu verführte, die Moderne mit dem gescheiterten Menschenexperiment gleich zu setzen.

Einen Ausweg aus der Krise sah man in einer „reflexiven Modernisierung“ (Ulrich Beck). Und meinte damit, dass die Moderne sich aus sich selbst heraus modernisieren muss, indem sie sich zu sich selbst in Beziehung setzt. Und so kann man folgerichtig die reflexive Wende der Architektur mit den ersten Schritten zur Historisierung der Moderne in den 1950er Jahren datieren. Neben Argan und Tafuri sollte der Beitrag von Colin Rowe für die weitere Entwicklung so bedeutsam werden. Während sich die italienische Debatte um eine kritisch historische Aufarbeitung der heroischen Moderne bemühte, und mit Tafuri das Scheitern des gesellschaftspolitischen Projekts der Moderne einklagte, suchte Rowe andere Wege einzuschlagen. Anhand verschiedener Studien, am bekanntesten ist diejenige zum Transparenzbegriff geworden, suchte Rowe die Moderne als einen Formalismus zu charakterisieren, der nach bestimmten Regeln funktioniert. Mit dieser Bloßstellung verliert die Moderne ihren eindeutigen Charakter als eine Bewegung mit offenem Ende, die, wie der Benjaminsche Engel, durch den Sturm des Fortschritts angetrieben, der Utopie einer neuen Gesellschaft entgegenschreitet. Eine Bewegung, die sich durch die Ausrichtung der Aufgabe am Sozialutopischen, der Konstruktion am technisch Neuen, des Materials am technologisch Möglichen definiert. Colin Rowe öffnete damit die Tür zur Moderne als einem eigenständigen, aber auch historischen Stil und korrigierte dadurch stillschweigend zwei moderne Glaubenssätze: ihren Bewegungscharakter und ihren Traditionsbruch, also mehr zu sein als nouveau und ein bloßer Formalismus.
Dieser Angriff auf die Modernität der Moderne legte die Grundlinien fest, innerhalb derer sich die weitere Diskussion bewegen sollte. Mit Rowe deutete sich eine Richtung an, die bis heute um die Vorherrschaft streitet. Zum einem wurde dadurch die gesuchte Beziehung zur Gesellschaft getilgt. Architektur wird von nun an (oder wieder) als ein ausschließlich architektonisches Phänomen gesehen. Und zum anderen ordnete man sich in die überkommenen Traditionen ein, zu denen nunmehr auch die Moderne zählt, und sieht den Referenzraum der Architektur in der Architekturgeschichte und nicht mehr in den vorgreifenden Welten des Maschinenzeitalters oder heute der Wissensgesellschaft. Die Architekturgeschichte gewinnt dadurch eine besondere Bedeutung als vornehmer und vordringlicher Bezugspunkt des Entwerfens. Nicht, dass damit einem neuen Historizismus das Wort geredet würde, wie es vereinzelte Irrläufer wie Leon Krier tun, Geschichte wird vielmehr im Malrauxschen Sinne zum imaginären Museum, zum Referenzraum des Entwurfs.

OMU

Ungers Postulat, dass „das Thema und der Inhalt der Architektur nur die Architektur selbst sein kann“, legt zwar nahe, ihn als Beleg für den Anspruch der Architektur nach Autonomie heranzuziehen, aber er erschließt sich erst richtig, wenn man beide Seiten des Arguments reflexiv aufeinander bezieht, das gesuchte Thema einerseits, die Architekturgeschichte als sein Referenzraum andererseits.
Welche Möglichkeiten dieses Verständnis von Architekturgeschichte eröffnet, sei an einem Beispiel demonstriert, auf das OMU immer wieder zurückkommt: Schloss Glienicke von Karl Friedrich Schinkel. „Man sieht im Park eine Anzahl verstreut liegender Baumstümpfe, Fragmente in der Landschaft. Man geht weiter und entdeckt Fragmente behauenen Steins, die herumliegen, dann ein Arrangement von fragmentierten Säulenkapitellen und Basen, dann eine Wand, die aus Fragmenten zusammengesetzt ist, und schließlich einen Gebäudekomplex, der wie aus Fragmenten kombiniert erscheint: ein florentinisches Landhaus, ein Renaissancepalast und ein klassizistischer Schloßbau.“ OMU verweist auf Glienicke, weil es „ein Spektrum von Interpretationen des gleichen Themas“ demonstriert. Dieses morphologische Kontinuum von der Landschaft mit Fragmenten bis zur Architektur aus Fragmenten ist das Vorbild seiner Entwürfe und der Referenzraum seines architektonischen Denkens – sein „retroaktives Manifest“, wie Rem Koolhaas treffend bemerkt.

Welche Möglichkeiten dieses Verständnis von Architekturgeschichte eröffnet, sei an einem Beispiel demonstriert, auf das OMU immer wieder zurückkommt: Schloss Glienicke von Karl Friedrich Schinkel. „Man sieht im Park eine Anzahl verstreut liegender Baumstümpfe, Fragmente in der Landschaft. Man geht weiter und entdeckt Fragmente behauenen Steins, die herumliegen, dann ein Arrangement von fragmentierten Säulenkapitellen und Basen, dann eine Wand, die aus Fragmenten zusammengesetzt ist, und schließlich einen Gebäudekomplex, der wie aus Fragmenten kombiniert erscheint: ein florentinisches Landhaus, ein Renaissancepalast und ein klassizistischer Schloßbau.“ OMU verweist auf Glienicke, weil es „ein Spektrum von Interpretationen des gleichen Themas“ demonstriert. Dieses morphologische Kontinuum von der Landschaft mit Fragmenten bis zur Architektur aus Fragmenten ist das Vorbild seiner Entwürfe und der Referenzraum seines architektonischen Denkens – sein „retroaktives Manifest“, wie Rem Koolhaas treffend bemerkt.

In seinen Entwürfen hat Ungers das Prinzip des morphologischen Kontinuums verwandt, um einen Dynamismus der Form zu gewinnen, den man historisch vom deutschen Expressionismus, beispielsweise von Erich Mendelsohn, und gegenwärtig von der Blobarchitektur kennt. Nur lösen sich bei ihm die Übergänge zwischen den Formen nicht auf, sondern die Fragmente zeigen gerade aufgrund ihrer Fragmentarität die Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten auf, ein Thema zu entwickeln.
OMU hat diesen Ansatz „Thematisierung der Architektur“ genannt und unter diesem Titel auch eine Studie publiziert, die deren Chancen und Grenzen aufzeigt. Mit der morphologischen Reihe gelingt es ihm ein neues Entwurfsinstrument zu entwickeln, das repetitiv und nicht seriell ist, und das die Mannigfaltigkeit an Bedeutungen zeigt, die ein architektonisches Element annehmen kann: etwa die Wand im Entwurf zum Museum Morsbroich in Leverkusen: „Die Raumfolge in diesem Wandgebäude durchläuft eine stufenweise morphologische Transformation von allseitig geschlossenen Zellen über nischenartige Öffnungen und Galerie-Einbauten bis zu einem in Stützen aufgelösten Gerüst, das sich in einem Baumraster fortsetzt, der schließlich in eine vorhandene Baumgruppe übergeht. So werden in diesem Gebäude zwei Kontraste – auf der einen Seite der als Zelle konzipierte künstliche Raum und auf der anderen Seite die natürlich gewachsene Baumgruppe – durch das Mittel der räumlichen Transformation in einem Konzept zusammengefaßt.“ Die Wand wird zu einer kontinuierlichen Form und in diesem Sinne zu einem architektonischen Ereignis. Damit gelingt es OMU analog zu Schinkel die architektonischen Elemente neu zu ordnen und morphologisch zu entfalten, nur macht Ungers den in Glienicke lediglich angedeuteten Zusammenhang explizit. Während die Grenzen dieses Ansatzes dort liegen, wo die neue architektonische Ordnung, nach Jacques Rancière die neue Form von Sichtbarmachung (vgl. archplus 178 Die Produktion von Präsenz, Juni 2006), den architektonischen Raum verlassen und in die Lebenspraxis übergreifen müsste, sie ordnend, gestaltend, in jedem Fall in sie eingreifend. Aber genau das findet nicht statt. Der Abstand zwischen Architektur und Gesellschaft, auf den Ungers beharrlich verweist, bleibt gewahrt.
Hatte der Anti-Klassizismus immer eine gewisse Formlosigkeit kultiviert, besonders in den 1960er Jahren, so sein Widerpart einen Hang zur Selbstgenügsamkeit, gerade was gesellschaftspolitische Fragen betrifft. Denn interessant wäre es doch gewesen, das „Beweglich-werden“ des architektonischen Denkens auf die Fragen zu beziehen, die seiner bedürfen, beispielsweise auf die Frage des Wohnens. Ungers hat es früh mit dem Entwurf für das Studentenheim in Enschede versucht. Hier wäre anzuknüpfen. Warum ist das nicht geschehen? Das liegt z.T. daran, dass sich unterschiedliche Milieus mit gegenseitigen Bornierungen gegenüberstehen, die einen Ideentransfer so gut wie ausschließen. Vielleicht können wir sie mit dieser Ausgabe ein Stück weit abtragen helfen und das architektonische und städtebauliche Denken, das hierin eindrücklich formuliert ist, als Teil unserer Tradition begreifen und weiterentwickeln.

Die hier kurz skizzierten Auseinandersetzungen zwischen Anti-Klassizisten und Klassizisten sind in ihren Verwerfungen fast noch handgreiflich gegenwärtig. Während Ungers’ erste Schülergeneration, abgesehen von wenigen Ausnahmen, an den Widersprüchen dieser Kämpfe gescheitert ist, ist die zweite Generation seiner Schüler heute der Träger der klassizistischen Wende der Architektur. Und OMU? Er sucht weiterhin durch Architekturexperimente oder Laborversuche, wie jüngst mit dem „Haus ohne Eigenschaften“, unbeirrt seinen Weg zu gehen. Bei diesem Projekt wurde alles „subtrahiert auf den absoluten Kern der Abstraktion. Weiter geht es nicht mehr.“ Mit diesen Worten umreißt OMU den Manifestcharakter des „Hauses ohne Eigenschaften“, das ein klassisches, anti-klassizistisches Manifest ist, das sich gleichwohl klassizistischer Elemente bedient was die Gliederung der Fassade, das Verhältnis zur Natur etc. betrifft. Dieses Beispiel haben wir zitiert, um zu zeigen, das es OMU bei der Architekturlehre, bei seinen Projekten und Bauten, unabhängig davon, welchen Fronten er sich zurechnet oder zugerechnet wird, darum geht, die herkömmlichen Grenzen zu verschieben – das zeichnet seine Größe aus.
Danksagung
Wir danken Erika Mühlthaler für die Anregung, zum 80. Geburtstag von Oswald Mathias Ungers diese Ausgabe herauszugeben und dem Ungers Archiv für Architekturwissenschaft, insbesondere Oswald Mathias und Liselotte Ungers, Sophia Ungers und Anja Sieber-Albers für vertrauensvolle Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch Jörg Pampe für zahlreiche erhellende Gespräche und nicht zuletzt dem M:AI, Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW, namentlich Wolfgang Roters, Kerstin Gust und Peter Köddermann für die Kooperation und großzügige Unterstützung, ohne die wir dieses umfangreiche Vorhaben nicht hätten in Angriff nehmen können.

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