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tec21 2006|35
transformiert
tec21 2006|35, Foto: Kai Konopacki
tec21 2006|35, Foto: Kai Konopacki
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Neue Gebäudetechnik im Kunsthaus Zürich

Kunstmuseen müssen heute einen grossen technischen Aufwand leisten, um die internationalen Klima- und Sicherheitsstandards für Leihgaben zu erfüllen. Ist wie im Fall des Kunsthauses Zürich auch das Gebäude schützenswert, müssen bei der Sanierung die Bedürfnisse von Kunst, Gebäude und Publikum sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

8. September 2006 - Katja Hasche
Das Kunsthaus Zürich besteht aus drei Gebäudeteilen: Der Hauptbau von 1910 mit niedrigerem Seitenflügel sowie die erste rückwärtige Erweiterung von 1924 stammen von Karl Moser. Den Anbau mit dem grossen Bührle-Saal für Wechselausstellungen, Restaurant und Vortragssaal bauten 1958 die Gebrüder Pfister; die rückwärtigen Erweiterungsbauten erstellte Erwin Müller 1976.

Um weiterhin Leihgaben zu erhalten und mit international renommierten Kunstmuseen konkurrieren zu können, muss das historische Gebäude die gleichen klimatischen Normwerte erfüllen wie ein Neubau. Während der vier Jahre dauernden Renovation (2001–05) wurde deshalb die Haustechnik vollständig erneuert. Die einzelnen Ausstellungsräume wurden auf den neusten Stand von Klima-, Licht- und Sicherheitstechnik gebracht und denkmalpflegerisch restauriert; strukturell wurde nur wenig verändert. Um den Museumsbetrieb aufrechtzuerhalten, wurden die Arbeiten in Abschnitte unterteilt. Insgesamt verursachten die gebäudetechnischen Massnahmen mit den begleitenden Baumassnahmen rund zwei Drittel der gesamten Renovationskosten von rund 50 Mio. Franken.

Seit Herbst 2005 ist das gesamte Museum wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Doch die Optimierung des technischen Betriebs wird erst in diesem Sommer abgeschlossen sein, denn die hochflexible Gebäudetechnik bedingt eine präzise Justierung. Sie muss grosse jahreszeitliche und betriebliche Schwankungen berücksichtigen. Dazu gehören auch Extremsituationen wie die Monet-Ausstellung im letzten Herbst mit bis zu 900 Besuchern im Saal. Doch bereits wenige Monate nach der Sanierung wiesen die gemessenen Temperatur- und Feuchtewerte ein so konstantes Raumklima aus, dass momentan die Optimierung der Energiekosten im Vordergrund steht.
Die Überwachung der technischen Anlagen erfolgt heute während 24 Stunden. Die Gebäudeautomation umfasst die Bereiche Gebäudetechnik, Raumluftklimatisierung, Kunst- und Tageslichtregulierung sowie die Alarmierung von Brand- und Diebstahlschutz. Diese wird bei einem Totalausfall durch ein redundantes Meldesystem ersetzt.

Wenig Platz für die Haustechnik

Die Sanierung der Haustechnik konzentrierte sich aus Kostengründen auf die älteren Gebäudetrakte und sparte den Müller-Bau aus. Das zentrale Anliegen sowohl von Seiten der Denkmalpflege als auch der Gebäudetechniker war, die lüftungstechnischen Anlagen aus den Dachräumen über den Oberlichtern in die Kellerräume zu verlegen. Denn die Installationen verringerten den ursprünglich beabsichtigten Tageslichteinfall in die Ausstellungsräume, und sie waren bei den extremen Temperaturen im Dachbereich von bis zu 70°C schadenanfällig.

Ein grosses Problem stellten die begrenzten Räumlichkeiten des Kunsthauses dar. Laut Arnold Brunner vom Ingenieurbüro Brunner Haustechnik AG, das für die Planung der Gebäudetechnik zuständig war, sollten bei einem Museum normalerweise etwa 30 % des Gebäudevolumens für Gebäudetechnik zur Verfügung stehen. Im Fall des Kunsthauses Zürich waren es jedoch nur 15 %. In den Moser-Bauten wurde nur wenig Platz für die gebäudetechnische Ausstattung vorgesehen. Da-mals wurde über die Fenster oder die in den Oberlichtern integrierten Lüftungsklappen gelüftet. Auch begnügte man sich mit weniger Kunstlicht als heute und passte die Öffnungszeiten an das Tageslicht an. Zwar wurden die obersten Räume der Moser-Bauten später klimatechnisch nachgerüstet, trotzdem wiesen sie vor der Sanierung grosse Temperatur- und Feuchteschwankungen auf. Erst die jüngeren Erweiterungsbauten der Gebrüder Pfister und von Erwin Müller verfügten über ein integriertes Lüftungs- und Beleuchtungssystem.

Die Verlegung der Technikzentralen in die Untergeschosse erforderte aufgrund des begrenzten Raums eine präzise Koordination. Für die Optimierung der Installationen innerhalb der Technikzentralen wurden deshalb sogar 3-D-Planungen erstellt. Heute befindet sich in den Untergeschossen der Moser-Bauten 2 und 3, des Pfister- und des Müller-Baus je eine Lüftungszentrale. Um die darüber liegenden Ausstellungsräume akustisch nicht zu beeinträchtigen, wurden die Lüftungsgeräte und -kanäle mit Schalldämpfern ausgestattet.
Die Aussenluftaufbereitung ist für insgesamt etwa 1250 Personen konzipiert und erfolgt leistungsbezogen: Je mehr Besucher sich im Museum befinden, desto mehr Aussenluft wird der Umluft beigemischt. Zur Energiekostensenkung wird die bei der Aufbereitung entstehende Wärme, ebenso wie die Abluftwärme, in die Wärmerückgewinnung eingespeist und wieder verwendet. Ab einer Aussentemperatur von >5°C fungiert auch die Kältemaschine als Wärmepumpe. Die Wärme- und die Kältezentrale im Untergeschoss des Pfister-Baus sind so ausgerüstet, dass sie im Notfall durch den Anschluss einer mobilen Heiz- bzw. Kältezentrale unterstützt werden können.

Prinzip Quelllüftung

Die Verteilung der gebäudetechnischen Leitungen vom Untergeschoss in die einzelnen Obergeschosse erfolgt über zwei neue Schächte zwischen den Moser-Bauten 1 und 3. Sie wurden als Wandverdickungen ausgebildet und übernehmen gleichzeitig eine statische Funktion für die erhöhten Anforderungen an die Erdbebensicherheit. Die horizontalen Lüftungsinstallationen werden in den meisten Bereichen unter den abgehängten Decken installiert.
Gelüftet wird nach dem Prinzip der Quelllüftung. Dabei strömt die Zuluft im unteren Wandbereich ein, steigt auf und wird über die Staubdecke geführt, wo sie gefasst wird. Die Abluftauslässe befinden sich immer im Deckenbereich; von Raum zu Raum wurden hier individuelle Lösungen gefunden. In den Räumen ohne Brüstungen strömt die Zuluft über offene Schlitze im unteren Wandbereich ein. Durchgangsräume werden mit der überströmenden Zuluft aus den benachbarten Räumen belüftet, was allerdings zu leichten Temperaturunterschieden (maximal 1°C) von Raum zu Raum führen kann.

Neue Klimatechnik und Denkmalpflege

Die Planungen bewegten sich im Spannungsfeld zwischen technischen Anforderungen, denkmalpflegerischen Anliegen und baulichen Vorgaben und Vorschriften. Die denkmalpflegerischen Auflagen waren für die Ausstellungsräume innerhalb der kantonal geschützten Moser- und Pfister-Bauten unterschiedlich. Die höchste Schutzstufe umfasste die zentrale Erschliessung und die T-förmige Raumabfolge im ersten Obergeschoss (Böcklin-Saal, Füssli-Saal und anschliessende Kabinette) sowie den Munch-Saal mit gegenüberliegendem Loggia-Saal in den Moser-Bauten.
Peter Baumgartner, Leiter Bauberatung bei der kantonalen Denkmalpflege und Dozent für historische Haustechnik, legte bei der Renovation auch Wert auf den Erhalt schützenswerter Haustechnikanlagen. In den Ausstellungsräumen wurden die denkmalgeschützten Heizkörpernischen für die Einführung der Zuluft und die Kabelkanäle genutzt. Im Bührle-Saal konnten die denkmalgeschützten Zuluftauslässe als Abluftelemente umgenutzt werden. In den anderen Oberlichtsälen wurden einzelne Glaselemente durch eigens entworfene Lüftungsgitter ersetzt, und die originalen, in den Oberlichtern integrierten mechanischen Lüftungsklappen blieben erhalten. Die bestehende Bodenheizung im Bührle-Saal wurde zum Change-over-System umfunktioniert und kann heute bei publikumsstarken Wechselausstellungen als Bodenkühlung eingesetzt werden.

Beim Abwägen zwischen Denkmalpflege und der Anforderung, überall ähnliche Klimawerte zu erzielen, musste man gewisse Kompromisse eingehen. So wurden saisonal unterschiedliche Grundtemperaturen bei einem langsamen Wechsel toleriert, ausserdem einigte man sich darauf, die geforderten Raumluftqualitäten nur bis zu einer für die Kunstwerke ausschlaggebenden Höhe von etwa 2.50 m einzuhalten. Theoretisch sei heute eine unabhängige Bespielung der Räume möglich, erklärt Sacha Wiesner vom ausführenden Architekturbüro sam Architekten, seiner architektonischen Qualitäten wegen werde aber nach wie vor der Bührle-Saal für Wechselausstellungen genutzt.

Im Eingangsfoyer wurden im Bereich des Cafés das Fussbodenniveau erhöht und eine Fussbodenheizung integriert. Hier strömt die Luft über ebenerdige Gitter entlang der Glasfassade zum Museumshof in das Foyer ein und wird in den Deckenfeldern im Bereich der indirekten Beleuchtung abgesogen. Im Foyer erfolgten die grössten architektonischen Eingriffe. Um den Raum in seiner ganzen Breite zu öffnen, wurden die Garderobe und der Museumsshop in den rückwärtig angrenzenden Moser-Bau 3 verschoben.

Gemischte Beleuchtung

Das Beleuchtungskonzept für die Ausstellungsräume basiert auf einer Kombination von indirektem Tageslicht, indirektem Kunstlicht und direktem Kunstlicht in Form von Spots. Im Moser-Bau waren noch zwei originale Lampen vorhanden. Um in den Oberlichtsälen einen nahtlosen Übergang vom indirekten Tageslicht zum Kunstlicht zu erreichen, wurden oberhalb der Lichtdecken Leuchtstoffröhren angebracht. Die Menge des einfallenden Tageslichts wird durch ein mechanisches Sonnenschutzsystem aus Rollos (Moser Bau 2) und Lamellen (Moser Bau 1 und 3 sowie Pfister-Bau) reguliert. Zwischen der inneren Staubdecke und der äusseren Glashaut wurde eine zusätzliche dampfdichte Isolierglasdecke eingefügt, die eine für die Bilder schädliche UV-Strahlung filtert und gleichzeitig ein Aufsteigen von Feuchte verhindert.

Insgesamt haben die teilweise aufwändigen Planungsprozesse zu einem beeindruckenden Ergebnis geführt. Die Gebäudetechnik wurde so gut integriert, dass man sie bei einem Besuch der Ausstellungsräume kaum wahrnimmt.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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