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tec21 2006|33-34
Glas
tec21 2006|33-34
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Schattenriss

Das Bauvolumen der in die Jahre gekommenen Gebäude ist gross. Vor allem die 1970er-Jahre-Architektur genügt heute den technischen Anforderungen nicht mehr, ebenso wenig wie jenen an die Innenaumstrukturen für Büroräume. Wie aus einer Sanierung eine städtebauliche Präzisierung entstehen kann, zeigt der «fast selbstverständlich wirkende» Eingriff an der Mühlebachstrasse 7, Zürich.

21. August 2006 - Lilian Pfaff
Die Mühlebachstrasse beim Bahnhof Stadelhofen erinnert im Namen noch an die Eindolung des Mühlebachs, der hier das Gebiet Riesbach von der Altstadt Ende des 19. Jahrhunderts abgrenzte. Die meist zu Wohn- oder Gewerbezwecken genutzten Gebäude standen als Einzelgebäude in einem lockeren Verband und wurden in den 1960er-Jahren zunehmend verdichtet. Mit dem Umbau von Dolenc Scheiwiller Architekten AG, der die 1970er-Jahre-Erscheinung des Gebäudes vollständig verändert, wird der Strassenzug der Mühlebachstrasse ergänzt und der südliche Abschluss des Platzes am Bahnhof Stadel-hofen präzisiert. Obwohl eigentlich nur die Fenster, kaum das Volumen tangiert wurden, ergibt sich heute eine neue städtebauliche Situation. Zusammen mit dem Ensemble von Wohnhäusern aus den 1920er-Jahren, die von Romero&Schaefle 1994 und 1999 als Bürohaus für das Ingenieurbüro Ernst Basler&Partner umgebaut wurden, reparieren sie die Stadt und lassen die 80 m lange Strassenfront in ihrer Länge erlebbar werden. Das Haus Nr. 7 bildet nun in der Verlängerung einen neuen Kopfbau zum Bahnhof Stadelhofen aus. Der Vorgängerbau war 1971 mit einer Rasterfassade «curtain wall» im internationalen Stil der Nachkriegsmoderne errichtet worden und wurde bis auf die Tragkonstruktion abgerissen. Die Intervention umfasst zum einen die Schliessung der Baulücke mit einem neuen Anbau zum Nachbargebäude von Romero&Schaefle, zum anderen die vollständige Sanierung der Fassade und das Aufsetzen eines zusätzlichen Geschosses auf dem Dach.

Haus auf dem Haus

Das neue Attikageschoss auf dem fünfgeschossigen Gebäude dient mit einer grossen umlaufenden Terrasse als Sitzungszimmer. Es ist ein gestaffeltes Volumen (mit integriertem Liftturm), das in seiner Form den im Baugesetz vorgesehenen Richtlinien und Begrenzungen folgt und dadurch eine skulpturale Gestalt erhält, die noch deutlicher von der Terrasse zwischen den beiden Häusern ins Auge sticht. Denn hier wird die Häuserzeile unterbrochen, und das Attikageschoss präsentiert sich als aufgesetztes Haus, dessen Hauptfassade dem Platz zugeneigt ist – während der Terrasse die Eingangsfassade mit drei unterschiedlich tiefen und grossen Fenstern zugewandt ist. Die eigentliche Sanierung fand vor allem an der Fassade statt – nicht nur optisch, sondern auch die Technik wurde an ihrer Innenseite implementiert.

Fassadenspiel

Die einstigen eng aneinandergereihten Fenster wurden zu grossen hochrechteckigen Fenstern mit Massen von 2.3031.60 m, die durch ihre Grösse und klare Unterteilung ohne Brüstungen an Wohnhäuser erinnern und sich in das bestehende Stützenraster von 1.35 m einpassen. Die zweiflügligen Fenster sind wegen der Akustik und der Klimatisierung als dreifach verglaste Strukturgläser ausgeführt. Die Fensterlaibungen wurden mit gelbem Glas eingefasst, das asymmetrisch um 8–22 cm hervorsteht und gleichsam einen rechteckigen Guckkasten – also ein Gehäuse – um das flache Fenster zieht. Dieses verändert die Fassadenoberfläche je nach Lichteinfall einerseits zum Schattenriss des Fensters, andererseits durch die transparenten überlagernden Schatten zu einem dreidimensionalen Umraum mit perspektivischer Tiefe. Die goldfarbenen aussen liegenden Storen geben dem Haus in geschlossener Form wiederum ein anderes Gesicht. Der gesamte Fassadenaufbau besteht aus Holzrahmen in vorfabrizierten Elementen, auf denen der Kratzputz aufgetragen wurde.

Haustechnik

Das Gebäude ist mit energieschonenden Heizungs- und Lüftungssystemen ausgerüstet. Die neue Apparatetechnik befindet sich auf dem Dach im zusätzlichen Technikgeschoss. Alle Büroräume werden von dort mit konditionierter Aussenluft versorgt, die auf dem Niveau der Raumlufttemperatur in die Büros gelangt. Die verbrauchte und erwärmte Abluft strömt zur Zentrale, wo sie über Wärmetauscher geführt die Aussenluft aufwärmen kann. Geheizt und gekühlt wird mit der Brüstungs-technik. Stromsparende Umluftventilatoren führen die Raumluft über grossflächig dimensionierte Wärmetauscher, die entweder Wärme abgeben oder im Sommer Wärme übernehmen können. Jeder Benützer kann seinen Bedürfnissen entsprechend sowohl die Raumlufttemperatur als auch die Ventilatordrehzahl wählen. Automatische Aussenstoren reduzieren den Lichteinfall, weitgehend frei liegende Massivdecken ermöglichen die Massenbewirtschaftung, und zusammen mit dem eingerichteten Nachtauskühlbetrieb wird der Stromaufwand bei der Kältemaschine auf ein Minimalmass reduziert.

Büronutzung

Um die Dachaufbauten tragen zu können, wurde die zentrale Stütze verstärkt und in der Höhe erweitert. Auf ihr liegt im Dachbereich ein grosses Stahlkreuz, an dem die neuen Aufbauten hängen. Das vorhandene Stützen-raster im Abstand von 1.35 m wurde beibehalten. Obwohl es vornehmlich immer noch Einzelbüros sind, liegen diese an einem grosszügigen offenen inneren Gangsystem, von dem sie nur über Glastüren abgetrennt sind. Im Erdgeschoss führt ein schräger Dachvorsprung, auf dem in grossen Buchstaben die Strasse angeschrieben ist, die Bewegung vom Platz in Richtung Eingang. Im Unterschied jedoch zum Vorgängerbau, bei dem eine leichte Gebäudeauskragung den Strassenverlauf nachzeichnete, wird diese nun zu einem eigenständigen Vordach entwickelt.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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