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tec21 2006|46
Lärmschutz
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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Schallfeldprognosen bei Lärmschutzbauten

Für die Lärmbekämpfung stehen heute experimentelle und rechnerische Methoden zur Verfügung, die auch in komplexen Geometrien eine zuverlässige Prognose der Schallfelder erlauben. Dies ermöglicht die wirtschaftliche Optimierung von baulichen und materialtechnologischen Schallschutzmassnahmen, beispielsweise im Umfeld von Eisenbahnen.

13. November 2006 - Kurt Heutschi
Zur Verminderung von Strassen- und Eisenbahnlärm werden vielgestaltige Lärmschutzbauten eingesetzt. Am weitesten verbreitet sind Lärmschutzwände, welche die direkte Sichtlinie von der Quelle zum Empfänger unterbrechen und damit bedeutende Dämpfungen erzielen. Im Unterschied zum optischen Fall gelangen aber in abgeschirmte Bereiche, d.h. in die «Schattenzonen», immer noch Schallanteile. Dafür verantwortlich ist das Beugungsphänomen als direkte Konsequenz des Wellencharakters von Schall und den Grössenverhältnissen von Wellenlängen und geometrischen Dimensionen. Obwohl der dahinterstehende Mechanismus relativ kompliziert ist, kann die lärmmindernde Wirkung einer einfachen Wand mit bewährten empirischen Handformeln schnell und zuverlässig berechnet werden.1 Sobald die Geometrien komplizierter werden, sei es durch komplexere Lärmschutzbauten wie Galerien oder durch reflektierende geometrische Elemente in der Umgebung, versagen die Handformeln. Hier kommen aufwändigere Verfahren wie Massstabsmodell-Experimente oder wellentheoretische Schallfeldsimulationen zum Einsatz.

Massstabsmodell-Experimente

In vielen Fällen stellen sorgfältige Messungen eine genaue Methode zur Charakterisierung der Schallausbreitung in einer komplexen Geometrie dar. Da oft die Originalsituation nicht zur Verfügung steht, behilft man sich mit einem Nachbau im Labor. Hierbei bedient man sich der Längenskalierbarkeit von Schallfeldern. Wenn Geometrie und Schallwellenlängen um den gleichen Faktor verkleinert werden, ändert sich an der Schallausbreitung nichts. Im Vergleich zum Original ist die Frequenz aber um den gleichen Faktor höher. In der im Modellmassstab von z.B. 1:16 nachgebauten Geometrie können Messungen der Schallausbreitung mit speziellen Lautsprechern und Mikrofonen durchgeführt und so Ausbreitungsdämpfungen zu interessierenden Empfängerpunkten bestimmt werden. Zwei Aspekte sind allerdings besonders zu beachten: Die Materialwahl im Modell muss so erfolgen, dass die Ober­flächen im transformierten Frequenzbereich die gleichen Ref­lexionseigenschaften aufweisen wie das Originalma­terial im Originalfrequenzbereich. Die andere Schwierigkeit ergibt sich aus der extrem starken Zunahme der Luftdämpfung gegen hohe Frequenzen. Bei den Modellexperimenten ist deshalb diese (im Originalmassstab nur stark abgeschwächt auftretende) Dämpfung abzuschätzen und abhängig vom Schalllaufweg zu kompensieren.

Über den erfolgreichen Einsatz der Modellmesstechnik bei der Überdeckung und Teilüberdeckung der A1 bei Neuenhof wurde in tec21 bereits berichtet.2 Die Bilder 1 und 2 zeigen aktuelle 1:16-Laboraufbauten zur Untersuchung der Schallausbreitung in Eisenbahneinschnitten und an Eisenbahntunnelportalen im reflexionsarmen Raum der Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Obwohl in gewissen Fällen keine direkte Sicht auf den Zug besteht, können durch Reflexionen an den Einschnittwänden bzw. am Zugskörper bedeutende Schallanteile den Weg zu einem Empfängerpunkt finden. Die vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanzierte Untersuchung stellt ein Element zur genaueren Prognose der Schallausbreitung im überbauten Gebiet dar.

Simulation von Schallfeldern

Die aktuell verfügbare Rechenleistung ermöglicht mittlerweile numerische Simulationen, die direkt auf den physikalischen Schallfeldgrundgleichungen basieren. Dazu werden der interessierende Feldbereich mit einem Gitter überzogen und für die Gitterpunkte die entsprechenden Differenzialgleichungen durch Differenzengleichungen angenähert. Bei der Untersuchung von Lärmschutzbauten ist eine Simulation im Zeitbereich günstig,3 da als Resultat eine Impulsantwort bestimmt werden kann. Die Analyse der Laufzeit einzelner Anteile ermöglicht Rückschlüsse auf den Laufweg und damit ihre Herkunft. Bei dieser Modellierung wird die Schallausbreitung exakt nachgebildet, d.h., es sind keinerlei empirische Näherungen mit nachträglichen Parameteranpassungen notwendig.

Ein Beispiel für die Anwendung einer rechnerischen wellentheoretischen Simulation zeigt Bild3. Für eine neue Tramlinie, die unter dem Brückendach verlaufen soll, interessierten die Immissionspegel an den Hausfassaden. Aufgrund der Geometrie ist von «raumakustischen» Verhältnissen auszugehen, d.h., das Schallfeld setzt sich nebst dem Direktschall aus einer Vielzahl von Ein- und Mehrfachreflexionen zusammen. Da mit konventionellen Berechnungsmodellen hier keine zuverlässigen Prognosen möglich sind, wurden durch die Empa numerische Simulationen durchgeführt. Bild 4 zeigt das sich einstellende Schallfeld in der zeitlichen Evolu­tion, wenn an der Quelle im Radbereich des Trams ein Impuls emittiert wird. Durch Aufsummation der Beiträge aller Wellenfronten, die einen Empfängerpunkt überstreichen, kann schliesslich auf den zugehörigen Immissionspegel geschlossen werden.

Aus derartigen Simulationen lassen sich zuverlässige Prognosen der Schallfelder in Lärmschutzbauten bzw. in der nahen Umgebung gewinnen. Damit können bei hohem Kosteneinsparungspotenzial wirtschaftliche Optimierungen hinsichtlich der geometrischen Gestaltung von Bauwerken oder der Oberflächenbelegung mit schallabsorbierenden Materialien durchgeführt werden.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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