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Fouquet’s Barrière – Neue Fassaden in Paris

30. November 2006 - Axel Sowa
Als Louis Fouquet die Kutscherkneipe betrat, wurden seine Sinne augenblicklich benebelt von der stickigen Luft. Es roch nach Pferd, Tabak und billigem Wein. Doch Fouquet war nicht gekommen, um seinen Durst zu löschen, sondern um den gan¬zen Laden zu kaufen. Das geschah 1899, in dem Jahr, als die Pariser Droschkenpferde zum ersten Mal motorisierte Konkurrenz bekamen. Aus der Kneipe Ecke Champs Elysées, Avenue George V machte Fouquet ein Restaurant und nannte es Fouquet’s, was britisch klang und der Mode entsprach, die, wie alle Moden an den Ufern der Seine, bald von der nachfolgen¬den weggespült wurde. Das Restaurant konnte aber seinen Namen behalten. Er wurde im Verlauf einer hundertjährigen Geschichte zum Namen einer Institution, zum Synonym von „tout Paris“. Seit 1990 steht Fouquet’s auch auf der Liste der Baudenkmäler und gehört heute zur Gruppe „Lucien-Barrière“, die ausschließlich im Bereich der Kasinos, Thermalbä­der und Luxushotels operiert. Am 3. November wurde das „Fouquet’s Barrière“, ein Hotelbau mit Restaurantanschluss, eröffnet. Die Übernachtung mit Frühstück kostet 690 Euro, eine Deluxe-Suite 1900 Euro. Die Hoteliers hoffen auf einen treuen Kundenstamm aus den Golfstaaten.
Die Fusion von Hotel und Restaurant war weniger ein geschäftliches Problem als ein bauliches. Edouard François wurde gerufen, um die heterogene Bausubstanz von sieben Häusern mit unterschiedlichen Stilen und Deckenhöhen zu ordnen und für neue Aufgaben nachzurüsten. Er wurde dem bereits designierten Innenarchitekten Jacques Garcia zur Seite gestellt. Von einer Zusammenarbeit im engeren Sinn kann allerdings nicht die Rede sein. Begriffe wie Integration, konstruktive Ehrlichkeit, Korrespondenz von Innen und Außen usw. sind in den Darstellungen beider nie gefallen. Während der eine mit schweren Stoffen, weichen Teppichböden, Blattgold und besticktem Leder arbeitet, experimentiert der andere mit Gusstechniken und Löchern in Lochfassaden, die streng genommen keine sind.

Metropolen sind Brutplätze von Widersprüchen. Da diese so zahlreich sind und niemals vollständig von den Metropolenbewohnern aufgelöst werden können, müssen sie eben ausgehalten werden. Obwohl die Pariser kein besonders stoisches Volk sind, haben sie dennoch beim Ertragen des Unvereinba¬ren erstaunliche Leistungen erbracht. Unvereinbar sind nicht nur Rohmilchprodukte und Europa-Normen, Kinderwunsch und Mietpreis, Autodichte und Busspur, sondern auch die Forderung nach zeitgenössischer Gebäudetechnik bei gleichzeitigem Erhalt historischer Bausubstanz. Doch da es die Pariser beim schlichten Ertragen nicht belassen wollen, erfinden sie täglich neue Widersprüche.

In Edourad François haben sie einen Architekten gefunden, der ihnen dabei unter die Arme greift. Der Architekt erfindet Äste aus Aluminium und Steinfassaden aus Beton; er veredelt den Kitsch und verkitscht den Luxus ; er spielt Verstecken und blinde Kuh mit Haussmann, Napoléon III, den Denkmalpflegern und seinen reichen Bauherren. Edouard François hat für die Architektur ein Gebiet erschlossen, das bisher auf die Plateaus von Film und Fernsehen beschränkt war. Er arbeitet mit Attrappen, Kulissen und Effekten. Immer so, dass sich schließlich die Widersprüche, da an Auflösung ohnehin nicht zu denken ist, zu einem bizarr-barocken Geflecht verknäulen. Das Gütesiegel Edouard François’scher Architektur ist jenes leise und leicht beschwippste Kichern, welches den vollendeten Werken entweicht und zuweilen auch auf ihre Betrachter übergeht.

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