Zeitschrift

Bauwelt 47.06
Wiederaufbau
Bauwelt 47.06
zur Zeitschrift: Bauwelt

Kaufhaus Tyrol und Neugestaltung der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck

7. Dezember 2006 - Eva Maria Froschauer
Wie sehr das Kaufhaus Tyrol mit seiner nun fast hundertjährigen Geschichte zum Identifikationsobjekt geworden ist, zeigt sich anlässlich eines Architekturwettbewerbs, der viel mediales Getümmel verursacht. Was man in dem grundsätzlich für neue Architektur offenen Klima in der Tiroler Landeshauptstadt über die letzten Wochen erleben konnte, gleicht einer städtischen Erregung.
Das Kaufhaus Tyrol in der Innsbrucker Innenstadt war über Jahrzehnte hinweg das einzig wirkliche Warenhaus des Landes, ein Konsummagnet, lange bevor sich Einkaufszentren in suburbanen Regionen entwickelten. Man ging ins Tyrol. Das Potential des Hau¬ses, an der geschäftigen Ader, der Maria-Theresien-Straße, gelegen, hatten die Gründer, die beiden jüdischen Familien Bauer und Schwarz, schon 1908 erkannt. Die tragischen Zeitläufte der Geschichte gingen an diesem Haus nicht vorbei – Arisierung, Kriegs¬beschädigung, Eigentümerwechsel. Trotzdem erlebte es seine Wiedereröffnung in den 60er Jahren und wuchs erneut, bis veränderte städtische Strukturen, anders ausgeprägtes Kaufverhalten und komplizierte Eigentumsverhältnisse seinen Untergang einläuteten. Verkaufs- und Umbauversuche scheiterten, und eigentlich glaubte niemand mehr so recht an die Rettung des Komplexes. Im Jahr 2004 überraschte der Tiroler Jung-Investor René Benko mit dem Kauf der Immobilie; über die begrüßenswerte Wiederbelebung, die Stärkung des innerstädtischen Handels und die Aufwertung der Maria-Theresien-Straße durch eine neue Shopping-Welt besteht seitdem grundsätzlich Einigkeit. Für den eigentlichen Shopping-Center-Bau, der die bestehende Verkaufsfläche verdoppeln soll, wurde bereits im Jahr 2004 der Innsbrucker Architekt Johann Obermoser direkt beauftragt.
Nun beginnt die Geschichte allerdings kompliziert zu werden, denn das Kaufhaus Tyrol Alt nahm ehemals drei Häuser in einer Reihe entlang der Maria-Theresien-Straße ein, eine Zone, für die schon seit 1978 Ortsbildschutz besteht und für die jüngst Ensembleschutz per Bescheid erreicht wurde.

Der Innsbrucker Stadtsenat verpflichtete den Investor zur Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs für den Bauteil an der Maria-Theresien-Straße. Ab diesem Zeitpunkt liefen die Diskussionen um Erhalt, Teilabriss, Aushöhlung, Adaption oder einen gänzlichen Neubau der drei unspektakulären, aber gut in das Gesamtensemble eingepassten Stadthäuser. Der Neubau der Mall, so der Investor, sei kaum mit den unterschiedlichen inneren Strukturen der Häuser vereinbar, worauf sich alle Gremien noch vor Beginn des Wettbewerbs auf die Möglichkeit des Abrisses zweier Häuser verständigten. Auch der Denkmalschutz wollte keine potemkinschen Fassaden. Der Wettbewerb lief in zwei Phasen ab und erbrachte im September ein Ergebnis, das eine Welle bürgerschaftlicher Entrüstung auslöste – die internationale Jury unter Vorsitz von Quintus Miller, Basel, entschied sich für die Lösung des Wiener Büros BEHF, die zwar abstrahierte Bezüge zur umgebenden Bebauung anstrebt, dies jedoch mit einer recht willkürlichen und modischen Formensprache artikuliert. Innerhalb der in den heimischen Medien in der Folge ausgetragenen Polemiken, war eine sachliche Diskussion um Wert und Unwert des Entwurfs kaum noch möglich. Stadt und Investor erhoben Einspruch gegen den Ensembleschutz, wütende Bildmontagen von konservativen Kritikern, die die Verschandelung der Straße suggerieren, wurden in der Presse kolportiert, eilige Überarbeitungen des Projekts – mehr Verschlimmbesserungen als Lösungen – wurden öffentlich. Derzeit harrt man der Dinge.
In der Zwischenzeit wurde ein zweites, davon unabhängiges Verfahren entschieden. AllesWirdGut aus Wien haben den Wettbewerb zur Neugestaltung der nördlichen Maria-Theresien-Straße gewonnen und schlagen zur Atmosphärenhebung eine Neuzonierung des Freiraums, eine veredelte Stadtmöblierung und nächtliche Inszenierungen vor.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Redaktionmail[at]bauwelt.de

Tools: