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Bauwelt 8.07
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Bauwelt 8.07
zur Zeitschrift: Bauwelt

Wohnort: München. Zukunft findet Stadt

Auch die Reichen müssen irgendwohin. Wohnort: München

16. Februar 2007 - Jochen Paul
Die Jahresausstellung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung widmet sich dieses Mal dem Thema Wohnen und stellt anhand von 17 Projekten das Spektrum des Münchner Wohnungsbaus vor. Dabei reicht die Bandbreite vom genossenschaftlichen bis zum ökologischen Bauen, vom Studentenwohnheim auf der ehemaligen Panzerwiese bis zum Loft in der vormaligen Schaltzentrale der Post, vom Clearinghaus für Obdachlose bis zu Eigentumswohnungen für Wohlhabende. Im Zentrum steht dabei unter dem Slogan „Eigentum bilden, Wohnen fördern“ der Anspruch der Stadt, bezahlbaren Wohnraum für Familien zu schaffen. Die Ausstellung „Wohnort: München. Zukunft findet Stadt“ ist also nicht nur Leistungsschau, sondern gewissermaßen auch ein Stück politisches Vermächtnis der scheidenden Stadtbaurä­­­­tin Christiane Thalgott – ihre Nachfolgerin Elisabeth Merk übernimmt das Amt im Mai.

Nach dem Wegfall der degressiven Abschreibungsmöglichkeiten entstanden zwischen 1996 und 2005 mit dem „München Modell“ (Ansatzpunkt des Modells ist eine Ermäßigung beim Grundstückspreis) insgesamt 2600 Wohnungen für Familien mit mitt­lerem Einkommen; die Stadt hat dafür 115,2 Mio. Euro aufgewendet – das entspricht 45.000 Euro pro Wohnung. Und weil der anhaltend hohe Bedarf an geförderten Wohnungen nicht allein im Neubau gedeckt werden kann, soll preisgünstiger Wohnraum langfristig auch durch den Ankauf von Belegungsbindungen an einzelnen freien Wohnungen sowie über den Erwerb von Wohnungsbestand gesichert werden. Zwischen 2007 und 2011 stellt die Stadt insgesamt 625 Mio. Euro für die Wohnungsbauförderung bereit. Soweit die Zahlen und Absichtserklärungen.

Dass bezahlbarer Wohnraum in der Innenstadt für (Durchschnitts-)Familien größtenteils Illusion bleibt, thematisiert „Wohnort: München“ nur indirekt: Allein sechs der gezeigten Projekte liegen am Ackermannbogen in Schwabing-West und in der Messestadt Riem, fünf sogar außerhalb des Mittleren Rings. Obwohl es heute in der Altstadt mehr Wohnungen als 1970 gibt, hat sich die Zahl der Bewohner seitdem von über 14.000 auf etwa 7000 halbiert. 2003 stellten die sogenannten Sinus-Milieus der allesamt gut verdienenden „Etablierten“, „Postmaterialisten“ und „Modernen Performer“ (ihr Anteil an der Bevölke­rung beträgt zusammen 29 Prozent) in Bogenhausen, Schwabing und im Zentrum zwischen 40 und 60 Prozent der Bewohner. Der Trend wird sich verfestigen: Die Wohnungen im Alten Hof sind ver­kauft, im alten Arbeitsamt an der Thalkirchner Straße errichtet die Vivacon Townhouses von Philippe Starck für bis zu 6850 Euro/m2, und die Frankonia Eurobau bewirbt ihre Lenbach-Gärten gleich mit dem Claim „Leben im Geist der Könige.“

Im Begleitheft zur Ausstellung benennt Stadtbaurätin Christiane Thalgott freimütig die Vorzüge der Gentrifizierung: „Die Reichen müssen schließlich auch irgendwohin, warum nicht in die Altstadt? Sonst verdrängen sie die Anwohner aus den Gründerzeitvierteln.“ Sarkasmus, Einsicht in die Realitäten oder Altersmilde? Die Zeiten ändern sich: Noch im Vor­jahr (Heft 7.06) wollte man in der Innenstadt der Kommerzialisierung und Privatisierung Grenzen setzen. So mag Wohnen in München denn „innovativ und viel­fältig, bezahlbar und qualitätsvoll sein“ – aber nicht überall und nicht alles gleichzeitig.

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