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Auf den Kopf gestellt

Gitterschale Mannheim

25. September 2005 - Eda Schaur
Die Gitterschale in Mannheim bezaubert durch ihre Transparenz, Leichtigkeit und ungewöhnliche Form. Die inzwischen 30 Jahre alte Schale überspannt 7400m² bei einer maximalen Spannweite von 60 m und einer maximalen Höhe von 20 m. Die Leichtigkeit dieser Struktur liegt in der Kenntnis des Zusammenhangs von Form und konstruktiver Effizienz begründet. Welche aber, aus der Vielfalt möglicher Formen, zeichnet solche Eigenschaften aus und wie findet man sie?

Die Gitterschale Mannheim gehört zur Familie der Hängeformen. Das einfachste Beispiel dafür ist die hängende Kette – an beiden Enden aufgehängt bildet sie eine Gleichgewichtsfigur aller wirkenden Kräfte. Je flacher der Stich, desto größer ist die (Zug-) Kraft in der Kette. Spiegelt man diese Form an der Horizontalen, dann erhält man die ideale Stützlinie eines Bogens. Dieser trägt Lasten, die gleichmäßig entlang seiner Achse verteilt sind, über reine Druckbeanspruchung ab.

Dieses Prinzip lässt sich auch auf Flächen übertragen. Die Form der Gitterschale Mannheim wurde in einem Formfindungsmodell im Maßstab 1:98,5 gefunden. Es bestand aus einem biegeweichen Netz, gebildet aus Häkchen und Ringen, das, in der Ebene ausgebreitet, quadratische Maschen aufwies. Die Hängeform, entsprechend den architektonischen und konstruktiven Ansprüchen optimiert, wurde in die Realität übertragen. Das Netz des Modells wurde aus Vollholzlatten – gehobelten Hemlockpine-Latten 50x50mm (72km) – gebildet. Auf der Baustelle wurden die Latten mit Bolzen zu einem Gitter mit verdrehbaren Knoten und einer Maschenweite von 50cm verbunden. Dieses Holzgitter wurde dann nach und nach in die Form des Hängemodells gehoben, an den Rändern befestigt, justiert und fixiert und schließlich mit einem PVC-beschichteten Polyestergittergewebe überdacht.

Die Gitterschale Mannheim ist ein Pionierbau. Sie hat – abgesehen von kleinen, in den 1960er Jahren von Frei Otto realisierten Gitterschalen – keine Vorläufer und basiert auf Ergebnissen der Forschungsarbeit, die am Institut für Leichte Flächentragwerke der Universität Stuttgart in Kooperation mit Seibu Company, Tokio, und dem japanischen Architekten Kenzo Tange geleistet wurde.

Planung und Bauleitung: Carlfried Mutschler und Joachim Langner, Mannheim

Beratung und Entwicklung der Gitterschale: Frei Otto, Stuttgart

Statische Berechnung: Ove Arup + Partners, Structures 3 und Ted Happold mit Ian Liddell, London

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

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