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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Miturheberschaft – gemeinsames Urheberrecht

Werke der Baukunst werden oft von mehreren Planern – Architekten, Ingenieuren – gemeinsam geschaffen. Bei Architekturwettbewerben wirken in den Teams neben Architekten häufig auch Bau- und Spezialingenieure mit, in Generalplanerteams erst recht. Aber auch innerhalb von Architektur- oder Ingenieurbüros arbeiten oft mehrere Personen an einem Projekt. Wird dabei ein geschütztes Werk geschaffen, steht das Urheberrecht allen mitwirkenden natürlichen Personen gemeinsam zu. Nach Gesetz können sie das Werk nur gemeinsam nutzen.

4. November 2005 - Urs Hess-Odoni
Innerhalb eines Architektur- oder Ingenieurbüros und innerhalb eines Planungsteams besteht daher ein grosser urheberrechtlicher Regelungsbedarf. Dieser sollte in einem schriftlichen Immaterialgüterrechtsregelement oder in einem Teamvertrag bereinigt werden. Besondere Bedeutung hat die Miturheberschaft für öffentliche Beschaffungen: Vergaberechtlich ist in diesem Fall die öffentliche Ausschreibung sowohl für die Architekten- als auch für die Ingenieurverträge ausgeschlossen.

Urheberrecht für den Schöpfer

Das Urheberrecht entsteht – sofern ein Werk im Sinne einer geistigen Schöpfung der Literatur und Kunst mit individuellem Charakter vorliegt und somit die Schutzvoraussetzungen erfüllt sind – automatisch in der natürlichen Person des Schöpfers. Primärberechtigt ist also immer der einzelne kreative Mitarbeiter, nicht etwa der Büroinhaber (natürliche oder juristische Person).
Wirken bei der Projekterarbeitung mehrere natürliche Personen mit, so entsteht eine gemeinsame Berechtigung der mehreren Miturheber (Art. 7 URG). Jeder der Miturheber kann sich zwar selbstständig gegen jede Rechtsverletzung wehren (Art. 7 Abs. 3 URG), die Nutzung des Werks kann jedoch nur gemeinsam erfolgen (Art. 7 Abs. 2 URG). Obwohl ein Miturheber seine Zustimmung zur Nutzung des gemeinsamen Werkes nicht gegen Treu und Glauben verweigern darf, sind in diesem Zusammenhang erhebliche Schwierigkeiten möglich. So können sowohl das Nutzungsrecht als auch das Änderungs- und das Veröffentlichungsrecht nur gemeinsam umgesetzt werden. Bestehen darüber Meinungsverschiedenheiten, so drohen – wenn intern keine klaren Regeln vereinbart sind – Verzögerungen, Streitigkeiten oder Prozesse.

Notwendigkeit eines Immaterialgüterrechtsreglements

Zwar darf das Büro nach der Zweckübertragungstheorie, die – obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich verankert – allgemein anerkannt ist, das urheberrechtlich geschützte Werk für die Abwicklung des Auftrages verwenden, bei dessen Erfüllung es geschaffen wurde. Weitergehende Rechte hat das Büro aber aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht. Insbesondere hat der Büroinhaber kein Recht zu einer späteren Weiterverwendung der massgebenden Projektidee. Tatsächlich beantworten die Gesetze die Fragen nach der Berechtigung an den Immaterialgüterrechten (Urheberrechte, Designs, Patente usw.), die in einem Arbeitsvertragsverhältnis entstehen, nicht bzw. unvollständig. Das Arbeitsvertragsrecht spricht zwar von den Erfindungen und vom Design, nicht aber von anderen Immaterialgüterrechten (Art. 332 OR). Für Architektur- und Ingenieurbüros ist vor allem von Bedeutung, dass in den gesetzlichen Vorschriften über das Arbeitsvertragsrecht jegliche Regelung über das Urheberrecht im Anstellungsverhältnis fehlt. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, müssen daher die Planungsbüros die Berechtigungen an den Projekten und Schöpfungen über ein Immaterialgüterrechtsreglement vertraglich klar regeln. Dieses Reglement soll eine faire, aber auch praxistaugliche Regelung aufstellen und so die lückenhafte gesetzliche Ordnung ergänzen.

Urheberrecht bei Teamleistungen

Wirken in einem Generalplanungs- oder Wettbewerbs-team mehrere Büros bei der Schaffung eines geschützten Werks mit, so steht das Urheberrecht nach Art. 7 URG wiederum allen beteiligten Büros gemeinsam zu. Sofern die Büros intern die immaterialgüterrechtlichen Fragen nicht sauber geregelt haben, kann sich gar die Zuständigkeit der einzelnen Mitarbeiter der verschiedenen Büros ergeben. Wiederum können daraus erhebliche Probleme entstehen.

Um solche Probleme zu vermeiden, sollten die Planerteams (juristische einfache Gesellschaften nach Art. 530 ff. OR) von Anfang an einen sauberen Teamvertrag abschliessen, der – selbstverständlich neben den übrigen Fragen der einfachen Gesellschaft wie Kostentragung, Haftung usw. – speziell auch das gemeinsame Urheberrecht klar regelt. Dabei geht es um die Aspekte der Ausübung des Nutzungs- und Änderungsrechts und des Publikationsrechts, vor allem aber auch um Fragen, wie bei Nachfolgeaufträgen usw. mit dem Urheberrecht umzugehen ist. Diese Fragen sollten in jedem Einzelfall auf eine den konkreten Verhältnissen angepasste Weise beantwortet werden.
Zudem liegt es im Interesse eines jeden Partnerbüros, dass die übrigen Teammitglieder intern die Immaterialgüterrechtsfragen über ein Reglement vertraglich klar geregelt haben.

Auswirkungen auf das Vergaberecht

Die Existenz einer Miturheberschaft und ihrer urheberrechtlichen Konsequenzen hat auch tief greifende Auswirkungen auf die öffentlichen Beschaffungen: Ist nämlich auf ein Immaterialgüterrecht, also insbesondere auf ein Urheberrecht, Rücksicht zu nehmen, so schreibt das öffentliche Beschaffungsrecht (Art. XV Ziff. 1 lit. b GPA; Art. 3 Abs. 2 lit. c BoeB; Art. 10 Abs. 2 lit. c IVöB) vor, dass der Auftrag nicht öffentlich auszuschreiben, sondern freihändig an den Immaterialgüterrechtsberechtigten zu vergeben ist. Zwar sind diese Normen sprachlich nur als Kann-Vorschriften formuliert. Wegen der immaterialgüterrechtlichen Spezialgesetzgebung und speziell wegen des internationalen TRIPS-Vertrags (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum) besitzen sie aber inhaltlich zwingenden Charakter zu Gunsten der Immaterialgüterrechtsberechtigten: Ist ein Immaterialgüterrecht zu beachten, so darf keine Ausschreibung erfolgen, sondern der Auftrag muss direkt an den immaterialgüterrechtlich Berechtigen vergeben werden. Sind mehrere Miturheber beteiligt, so gilt diese Regelung für alle Miturheber.

Beispiel Architekturwettbewerb

Dies lässt sich an einem Beispiel wie folgt erläutern: In einem Projektwettbewerb (Architekturwettbewerb) für ein öffentliches Gemeinwesen haben im Planungsteam neben dem Architekten auch ein Bauingenieur und ein HLK-Ingenieur mitgearbeitet. Beide Ingenieure haben mit ihren internen Anregungen und Lösungsvorschlägen zum Gesamtprojekt beigetragen, ohne dass ihr Anteil exakt ausgemittelt werden könnte. Das gemeinsame Projekt wird von der Jury auf den ersten Rang gesetzt und prämiert. Für die öffentliche Beschaffungsstelle ist ohne weiteres klar, dass sie den Architektenauftrag nicht auszuschreiben, sondern direkt an den Preisträger zu vergeben hat. Aufgrund der genannten Regeln des Urheberrechtsgesetzes und des öffentlichen Vergaberechts sind aber auch der Bauingenieur- und der HLK-Ingenieurvertrag ohne Ausschreibung direkt an die Mitglieder des Wettbewerbteams zu vergeben. Diese entscheidende Rechtsfolge der Miturheberschaft ist oft nicht genügend bekannt.

Auch unter diesem Aspekt ist die klare Regelung der Immaterialgüterrechte im Teamvertrag wichtig. Dabei sollten die richtigen Miturheber bei der Eingabe des Projekts genannt werden. Zwar wird durch eine solche Nennung keine Änderung an der immaterialgüterrechtlichen Berechtigung herbeigeführt. Es werden aber Unklarheiten und Schwierigkeiten vermieden.

[ Urs Hess-Odoni ist Rechtsanwalt und Notar in Luzern ]

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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