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Wieder naht Weihnachten und damit Holz in der Stadt. Üblicherweise in Form von Christbäumen, heuer auch als aktuelle Ausgabe des Zuschnitts. Nicht ganz unerwartet, aber dennoch überraschend waren die Reaktionen auf das Thema während des Entstehungsprozesses: Holz in der Stadt polarisiert und während die einen denken, dass nichts naheliegender ist, als die konstruktiven, bauphysikalischen und atmosphärischen Vorteile des Materials auch und gerade in der Stadt einzusetzen, glauben andere, dass Holz in der Stadt wenn schon nicht abwesend, dann zumindest unsichtbar zu sein hat. Wir sind anderer Meinung und zeigen Beispiele dafür, wie zeitgemäß, vielfältig, bereichernd und sinnvoll Holz auch im urbanen Kontext eingesetzt werden kann.

Joost Meuwissen, den wir als Autor für einen einleitenden Essay gewinnen konnten, betrachtet das Thema aus erfrischend distanziertem Blickwinkel, indem er die historischen und aktuellen Aspekte von Holz in der Stadt einerseits fundiert analysiert, andererseits jede moralische Diskussion darüber verweigert und insgesamt das Bild einer spannenden Herausforderung zeichnet. Diese Herausforderung ist auch anhand der beschriebenen Projekte nachvollziehbar: Egal um welches der gezeigten Beispiele es sich handelt: Die ArchitektInnen wissen um die Qualitäten, aber auch um die Irritationen, die Holzbauten in der Stadt hervorrufen, und gehen daher umso bewusster mit dem Material um, bringen sein Wesen und die Konnotationen, die es hervorruft, umso präziser ins Spiel.

Einen wesentlichen Beitrag zur konkreten Verwirklichung von Holzbauten leisten aber auch die Behörden vor dem Hintergrund der Baugesetze. Wir freuen uns daher besonders, dass Senatsrat Heinz Fuchs von der Wiener Baupolizei und Johannes Kaufmann, der gemeinsam mit Hermann Kaufmann zur Zeit in Wien ein Wohnhaus in Mischbauweise mit hohem Holzanteil baut, für ein Gespräch zur Verfügung gestanden sind und von ihren guten Erfahrungen miteinander berichten. Dabei wird deutlich, dass Kooperationswille, Offenheit, Diskurs- und Lernfähigkeit auf beiden Seiten – Architekten und Baupolizisten – unabdingbar sind für einen positiven Bewilligungs- und Umsetzungsprozess und ein bestmögliches Ergebnis im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten.

Zugleich startet im Zuschnitt 20 eine Serie über Forschungs-, Lehr- und Fortbildungseinrichtungen im Bereich des Holzbaus. Als erste Institution stellen wir das ITI, das Institut für Architekturwissenschaften: Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau der Technischen Universität Wien vor, das kürzlich sein zehnjähriges Bestehen in heutiger Form feierte und für das Konzept eines postgradualen Studienlehrgangs mit dem Schweighofer Innovations Prize ausgezeichnet wurde. Wir gratulieren und wünschen unseren Leserinnen und Lesern erholsame Weihnachtsfeiertage und viel Vergnügen bei »Holz urban«. Eva Guttmann

Zum Thema

Editorial
Eva Guttmann

Gastkommentar –
Wie werden wir in der Zukunft bauen?
Text: Wolfgang Winter

Holzauge wandert durch Wien
Die Stadt ist aus Stein, Glas und Stahl
Text: Thomas Rottenberg

Essay – Holz und Stadt
Text: Joost Meuwissen

wienwood 05 – Holzbaupreis Wien

Projekte

Transformation des Stadtraums
Markthalle in Aarau
Text: Roman Hollenstein

Wie kommt das Holz in die Stadt?
Gespräch mit Quintus Miller

Punk Architektur in massivem Holz
Wohnhaus in Trondheim
Text: Karin Triendl

Stadtbaustein aus Holz
Geschäfts- und Wohnhaus, Sursee
Text: Christoph Gunßer

Haus Sigmund
Mehrfamilienhaus in Wien-Nussdorf
Text: Anne Isopp

Baupolizist und Architekt
Gespräch mit Heinz Fuchs und Johannes Kaufmann

Balkonien mitten in der Stadt
Stadtplatz in Namur
Text: Wojciech Czaja

In Planung – »Stadtbühne« Feldkirchen i. K.
Text: Eva Guttmann

Good wood in Brentwood – Railway Station
Text: Eva Guttmann

Wien – Stadt im Wald
Text: Andreas Schwab

Weitere Informationen zu diesem Thema auf den proHolz Seiten:
Forschung

Serie Forschung und Lehre (I)
ITI, Technische Universität Wien
Text: Wolfgang Winter

Holzrealien

Daniel und die Gartenzwerge
Pro und Contra Schrebergarten

Die urbane Gegenwelt des kleinen Mannes
Text: Manfred Russo

Daniel und die Gartenzwerge
Pro und Contra Schrebergarten

Wenn schon, dann aber richtig!
Text: Mia Eidlhuber

Holz(an)stoß

Doubletake
Text: Stefan Tasch

Artikel

18. Dezember 2005 zuschnitt

Holz und Stadt

Wie Holz in der Stadt auch gestaltet wird, es bleibt ein intimes Material, wie die Kleidung der Leute auf der Straße. Holz ist wie ein Mensch, jemand lebendiger, dem man begegnet, den man grüßt oder mit Misstrauen beobachtet. Das hat sowohl mit der natürlichen Textur des Materials an sich, mit seiner Haptik, als auch mit der Vertrautheit zu tun, die wir für Holz empfinden, weil wir es als Möbel, als Böden, als Decken, Fenster, Türen und Dachböden aus der eigenen Wohnung kennen und ganz selbstverständlich behandeln.

Diese Intimität des Materials in der Stadt entweder bewusst einzusetzen oder aufzuheben – je nach der Situation, in der ein Holzbau realisiert werden soll –, ist eine schwierige Aufgabe, auch weil die entsprechende Tradition der (inner)städtischen Gestaltung von Holzbauten lange unterbrochen war. Durch moderne Holzbautechnik und Bauvorschriften muss heute niemand mehr Angst vor Feuer in der Stadt haben, daher ist zu erwarten, dass sich hier eine neue Holzbaukultur etablieren wird und Holz nicht auf die Peripherie oder ländliche Regionen beschränkt bleibt, wo das Material immer akzeptiert wurde, weil vor allem Solitärbauten entstanden sind.

Somit lautet im Grunde genommen die städtebauliche Hauptfrage, inwieweit ein Holzbau ins Stadtzentrum oder in die Kontinuität bereits bestehender geschlossener Fassadenflächen entlang von blockrandbebauten Straßenzügen aufgenommen werden kann oder die Wahrnehmung derselben zu verändern vermag.

Aus der Geschichte gibt es viele Beispiele gelungener‚ holzstädtischer Ensembles, wie Zaansche Schans oder Hindeloopen in den Niederlanden oder die beeindruckenden, auf Pfählen stehenden Lagerhäuser im alten Trondheimer Hafen, wobei es aber vermutlich gerade die Geschlossenheit des Ensembles ist, weshalb sie so geschätzt werden.

Ähnliches trifft auf die berühmten Amsterdamer Grachtenhäuser zu, wo das Holz der Fensterrahmen – überall ähnlich hell gestrichen, damit noch etwas Tageslicht in die Wohnungen hinein reflektiert wird – stärker als die Ziegelflächen dazwischen in die Wahrnehmung vordringt. Bei den Grachtenhäusern muss noch betont werden, dass es sich bautechnisch um eine verfeinerte Holzskelettbauweise handelt, bei der zuerst die sichtbar bleibenden Holzrahmen und Türgerüste aufgestellt und dann erst die Ziegel hinzugefügt wurden. Diese Bauweise, deren technischer Hintergrund damals vielleicht nicht allen Leuten bewusst war, weil sie nach der Baufertigstellung nicht mehr nachvollziehbar war, die jedoch wegen ihrer ästhetischen Qualitäten sehr geschätzt wurde, spielte in den Niederlanden bis vor ungefähr vierzig Jahren eine große Rolle. Seither werden die entsprechenden Bauteile industriell hergestellt und anders verarbeitet.

Das Erscheinungsbild der Stadt, ihrer Straßen und Plätze, basiert möglicherweise genau darauf, dass die Häuser sich kaum voneinander unterscheiden, dafür im Inneren aber umso unterschiedlicher sind. Die Entwicklung der Materialien – und das gilt nicht nur für Holz – führte aber in der Folge fast genau zum Gegenteil. Nachdem beinahe alle Baumaterialien, besonders jene für Fassaden, egal ob Glas, Ziegel oder Holz, aus konstruktiven oder bauphysikalischen Gründen industriell geschichtet ausgeführt wurden, entstand aus technischen Gründen eine »Glattheit« der Fassaden, die nun zu reinen Oberflächen ohne Volumen wurden. Mit der Loos’schen Bekleidungstheorie hat das wenig zu tun, weil Glas, Ziegel und Holz zwar immer noch gleich aussahen, aber die dahinterliegende Struktur für die Wirkung der Fassade an Bedeutung verloren hatte, sodass es auch weniger zu bekleiden gab. Die Fassaden wurden entleert und im Grunde genommen genauso anonym wie die steinernen Fassaden einer steinernen Stadt.

Die gestalterische Lösung dieses Problems fanden die Architekten weltweit im Minimalismus der bildenden Kunst der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre – gerade zu einem Zeitpunkt, als diese Strömung in der Kunst bereits nachzulassen begann. Die Fassaden wurden damit nicht nur glatter, sondern in ihrem Aufbau auch tektonisch abstrahierter, das Holz wurde von einem Gerüst zu einer Platte.

Da der Minimalismus in der Kunst in dem Moment entstanden war, als die industrielle Gesellschaft von der Informationsgesellschaft abgelöst wurde, die gesellschaftliche Ausrichtung aber zum Teil die gleiche geblieben war, wurde diese Ausrichtung sozusagen in einem Rückblick durch serielle gestalterische Ordnungen aus Materialien der industriellen Vergangenheit wie Cortenstahl, Blech, Farbglas oder Pressspanplatten in den Arbeiten von Donald Judd, Richard Serra und anderen ästhetisch dargestellt.*

Die Architektur übernahm diese Ästhetik dann jedoch ohne deren speziellen Bedeutungshintergrund, welcher ohnehin begonnen hatte sich zu erschöpfen. Statt als aufrüttelndes Mahnmal wurde sie im Bau als schöne Oberfläche genützt, was auch damit zu tun hat, dass das Bauwesen zu spät industrialisiert wurde, um über diesen Fortschritt hinaus noch die Schrecken des industriellen Zeitalters ausdrücken zu können oder zu wollen.

Nach den großen Erneuerungen der Gusseisenanwendung in der Mitte und des Stahlbetonbaus am Ende des 19.Jahrhunderts hatte sich das Bauwesen kaum verändert, auch weil seit den 1920er Jahren seine Industrialisierung hauptsächlich in einer Standardisierung an der Baustelle, anstatt in der Vorfertigung der Materialien gesucht worden war.

Diese Gründe mögen dafür verantwortlich gewesen sein, dass die abstrahierte Ästhetik der entleerten Fassaden in den 1980er Jahren ziemlich rasch als allzu langweilig betrachtet wurde und Architekten wie etwa Herzog&de Meuron Glas als Träger für wesenlose Beschriftungen und ornamentale Muster einsetzten, um mehr Lebendigkeit zu suggerieren. Holz hingegen braucht – egal wie abstrahiert seine vorgefertigte Erscheinung auch sein mag – kein zusätzliches Ornament, weil es auch im höchsten Abstraktionsgrad seine natürlich erscheinende Lebendigkeit, sein Wesen oder die Erinnerung daran bewahrt.

Aus welchem Material auch aufgebaut, erscheint die neuere, technisch entleerte Architektur als Solitär in der historischen Stadt. Wenn es um vereinzelt stehende Objekte geht, wie ein Museum im Park oder eine Markthalle auf einem Platz, stellt sich das ästhetische Problem der Eingliederung nicht. In die Kontinuität einer herkömmlichen Fassadenreihe gestellt, bildet sie aber immer eine Lücke. Dann gibt es die freche Möglichkeit, wie beim Sporthaus ok von Wolfgang Pöschl in Innsbruck, eine Baulücke deshalb auch konsequenterweise als eine gebaute Lücke auszufüllen. Sie bleibt Lücke. Das Gebäude schämt sich kaum dafür, muss aber sozusagen sein Bewusstsein des nun einmal nicht zu vermeidenden, zu großen Kontrasts des vereinzelten Objekts in seiner Umgebung dadurch überspringen, dass es im minimalistisch objektmäßig gestalteten, auskragenden Holzbalkon wiederholt und betont wird. Es ist eine gewisse Einsamkeit des Holzvolumens in der Stadt, die dargestellt wird, indem Holz als herkömmliches, versöhnliches Material eingesetzt wird, welches das Gebäude in verkleinertem Maßstab charakterisiert. Sehr schön!

Da es in der Geschichte der Holzarchitektur eigentlich keine Verbindung gibt zwischen der Semper’schen leichten Tektonik aus Pfeiler- und Gebälkgerüst und der entleerten minimalistischen Plattenstruktur der heutigen Bauweise, müssen alle ArchitektInnen, die Holzbauten in der Stadt entwerfen und daher eine gewisse Fassadengliederung gestalten sollten, zu eigenständigen, oft idiosynkratischen Lösungen kommen, was diese Versuche ungemein spannend macht. Das Haus Sigmund in Wien von Hubert Rieß ist dafür ein gutes Beispiel. Der Zusammenhang zwischen einer regelmäßigen Pfeilertektonik und ebenen Oberflächen aus dem gleichen Material bewirkt, dass das Gebäude wie aus einem Guss erscheint. Der Bau ist monomateriell. Zugleich wird seine Objekthaftigkeit aber durch die Symmetrie, welche die Mitte betont und sozusagen das Auseinanderfallen in zwei gleiche Teile bewirkt, aufgehoben, wodurch die Selbständigkeit des Gebäudes betont wird.

Diese fast Josef-Hoffmann-artige akzeptierte Schwäche erzeugt eine weitere, großmaßstäblichere Gliederung, welche den Bau im letzten Augenblick in die Umgebung zu verankern weiß. Auch sehr schön – und für die zu erwartende Weiterentwicklung von Holz in der Stadt sehr vielversprechend.

* Peter Halley, »The Crisis in Geometry«, Collected Essays 1981–87 (Zürich: Bruno Bischofsberger Gallery, 1988), S.74–105

18. Dezember 2005 zuschnitt

Wie kommt das Holz in die Stadt?

Gespräch mit Quintus Miller

Zuschnitt Warum haben Sie sich bei der Markthalle in Aarau für Holz als Baumaterial entschieden? Das ist im Zentrum einer Stadt doch ungewöhnlich?

Quintus Miller Finden Sie das?

Zuschnitt Ja, schon. Finden Sie das nicht?

Quintus Miller Eigentlich nicht, aber für Aarau ist das keine Frage, die so einfach zu beantworten wäre. Die Entscheidung war insgesamt in einen komplexen Prozess eingebettet. Ursprünglich gab es durchaus die Absicht, ein massives Bauwerk zu schaffen. Die Vorgaben des Wettbewerbs forderten allerdings eine leichte Struktur, eigentlich nur ein schützendes Dach. Wir haben uns dann aus städtebaulichen Überlegungen dazu entschlossen, ein Gebäude mit Wänden zu entwerfen. Und weil wir uns in unserer Entwurfsarbeit für unsere menschliche Wahrnehmung interessieren, für die verschiedenen Zustände von Dingen, für ihr Wesen und die möglichen Sichtweisen davon, haben wir etwas gemacht, was zugleich auch etwas anderes ist.

Zuschnitt Wie kann man das verstehen?

Quintus Miller Auf einer Ebene kann das ganz direkt verstanden werden: Das Gebäude ist zugleich offen und geschlossen, die Durchsicht wird durch die Lamellenkonstruktion zugleich gewährt und verwehrt. Aber es gibt natürlich noch weitere Aspekte. Das Gebäude liegt nicht direkt an der Hauptstraße, sondern etwas abseits, im ehemaligen Gewerbeareal. Die Wahl des Materials hat auch mit diesem historischen Kontext zu tun und damit, dass wir die Halle auch als etwas Provisorisches betrachten; nicht im wörtlichen Sinn, aber gedanklich.

Zuschnitt Es geht also um die Tradition des Ortes?

Quintus Miller Ja, aber nicht um die formale Anbiederung an eine Tradition, sondern um die Erinnerungen, die die mittelalterliche Stadt in uns hervorruft. Es geht um die Dinge und Assoziationen, die im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert sind, um eine Art der Vertrautheit, die vielleicht nicht bewusst vorhanden ist, aber bei gewissen Themen mitschwingt. In diesem Fall war das für uns die Erinnerung an Holzgewerbebauten aus dem 18. und 19.Jahrhundert. Diese Vertrautheit wird aufgegriffen und in die Arbeit eingebunden, zugleich findet aber auch die Umkehrung des Vertrauten statt, der Bruch, der das Bauwerk aus der Tradition löst und zu etwas absolut Zeitgemäßem macht.

Zuschnitt Wodurch entsteht dieser Bruch in Aarau?

Quintus Miller Er entsteht durch die Art der Ausführung des Bauwerks, durch seine extrem präzise Form und Umsetzung und natürlich durch die metallisch wirkende Oberfläche. Das hat nichts mehr zu tun mit provisorischen Gewerbeschuppen und entzieht dem Holz in der Wahrnehmung seine Vergänglichkeit. Das Material beinhaltet die Anknüpfung an Vertrautes, an die Wurzeln eines Ortes. Seine Anwendung und Verarbeitung lassen die formale und konstruktive Tradition jedoch weit hinter sich und stellen das Gebäude ganz deutlich in einen modernen, eigenständigen Zusammenhang.

18. Dezember 2005 Christoph Gunßer
zuschnitt

Stadtbaustein aus Holz

Stadtbaustein – bis in die Terminologie ist der Städtebau Massivbau geblieben. Holzbauten gelten bislang als ländlich und werden in Stadtlagen allenfalls als Provisorien geduldet. Doch, wie dieses Beispiel zeigt, kann ein Holzbau, richtig geplant, durchaus eine städtische Sprache sprechen.

Die Kleinstadt Sursee, verkehrsgünstig zwischen Luzern und Olten gelegen, stand in den letzten Jahren unter erheblichem Entwicklungsdruck. Dabei gelang es ihr aber, Augenmaß zu behalten: »Das ehemalige Landstädtchen hat sich zu einem Schrittmacher im Bereich Stadtplanung und Stadtgestaltung gemausert«, lobt die Jury des Schweizer Heimatschutzes, die Sursee unlängst den Preis für vorbildliche Siedlungsentwicklung zugesprochen hat. Mit wegweisenden baulichen Zeichen habe die Stadt den historischen Kern vor der Musealisierung bewahrt und den umliegenden, lange vernachlässigten Siedlungsraum aufgewertet.

Am Übergang von Alt zu Neu, wo die von Geschäftshäusern gesäumte Bahnhofstraße auf das eigentliche Städtli trifft, sind jüngst gleich zwei solche Zeichen entstanden: der wuchtige »Stadthof« vom Büro Luigi Snozzi und die Zentrale der Holzhausfirma Renggli, die mit ihren Dienstleistungen vom Werksgelände »zu den Menschen« gezogen ist. Wer mit seinen Produkten auf Nachhaltigkeit setzt, muss diese auch selbst leben, heißt es hier – schließlich ist Renggli Marktführer bei Minergie-Häusern, die nicht mehr als 45 kWh/ m2 im Jahr benötigen.

So übernahm man 1999 das schwierige, an das Flüsschen Suhre grenzende Grundstück einer ehemaligen Möbelfabrik, für das bereits 1991 ein Wettbewerb stattgefunden hatte. Bei Renggli stand bald fest, dass neben der Konstruktion auch die Fassade des Hofhauses aus Holz sein sollte (und nicht etwa aus Glas, was frühere Investoren erwogen hatten). In ihrem Wettbewerbsprojekt hatten die Architekten Scheitlin –Syfrig+Partner diese Neuerung bereits vorgesehen, birgt Holz doch die Möglichkeit, durch seine Feingliedrigkeit auch große Volumen maßstäblich zu gestalten. Gewiss, die Nähe zum Naturraum spielte ebenso eine Rolle. Die »sumpfige« dunkelgrüne Farbe, welche die sägeraue Lattenschalung am Ende erhielt, passt so nicht nur zur zurückhaltenden Firmenphilosophie (deren Leitfarbe Lindgrün das Innere bestimmt), sie vermittelt auch etwas von der amphibischen Qualität des Terrains: Der Neubau steht mit einer weißen Wanne 1,20 m im Grundwasser.

Die Hofform hat aber noch einen anderen Bezug: Wie Grabungen ergaben, unterhielten schon die Römer hier eine Siedlung am Fluss. Ein öffentlicher Fußweg folgt nun den freigelegten Wasserläufen, er quert den Hof zwischen dem Tiefgaragensockel und der exponierten Inselbebauung, wo ein Atelier und eine Wohnung eingerichtet wurden, aber auch ein Laden oder eine Fluss-Bar denkbar wären.

Diese Möglichkeit einer Nutzungsänderung und -mischung ist ebenfalls ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, den das Gebäude leistet: Weder Brandschutznormen noch räumliche Zwänge verhindern sie normalerweise, sondern eingefahrene Gewohnheiten, vor allem bei der Vermarktung. Die Ausstrahlung des Gebäudes ist so neutral gehalten, dass sich viele Nutzungen darin wiederfinden können.

Die gedrungene Lochfassade, leider durch einen Streifen Stellplätze etwas aus der Bauflucht gedrängt, fügt sich ruhig ins Straßenbild; die steilen Dächer mächtiger Nachbarbauten nehmen den Neuling gleichsam unter ihre Fittiche. Breite metallene Laibungen betonen die Fenster – ein wohl aus dem historischen Steinbau entlehntes, dezidiert städtisches Motiv, das im Kontrast zur rauen Lattung den Reiz der Detaillierung ausmacht. Es ist vor allem die Maßstäblichkeit dieser wenigen Elemente, welche das Gebäude vom anonym und überzogen wirkenden Rasterbau des »Stadthofes« vis-à-vis unterscheidet.

Weitgehende Vorfertigung führte übrigens dazu, dass der hölzerne Stadtbaustein den Solitär nebenan beim Bau »überholt« hat. Nach nicht einmal einem halben Jahr wurden die Räume bezogen.

Zur Konstruktion Die drei massiven Türme, die im Sommer 2002 als erstes aus der Baugrube wuchsen, übernehmen mehrere Funktionen: Sie sind Erschließungskerne, die – neben den beiden offenen bürointernen Treppen – die verschiedenen Nutzungseinheiten feuersicher zugänglich machen. Zusätzlich ist das Gebäude mit einer Sprinkler-Anlage ausgestattet (was nach der neuen Schweizer Brandschutznorm schon nicht mehr nötig gewesen wäre).

Die Betonkerne dienen zudem der Aussteifung der Holzrahmenkonstruktion. Sie wurde geschossweise vorgefertigt, die Fassaden komplett mit Fenstern und einem Großteil der Schalung vormontiert vom Werk in Schötz geliefert – Grenzen setzten hier nur die Maße der Tieflader (12,50 m Länge). Innerhalb von vier Wochen war der Holzbau abgeschlossen.

Mit den Mitteln des eigenen Hausbausystems trimmte man den Entwurf mit großen Wandstärken und Holzquerschnitten auf Energieeffizienz – rechnerisch liegt der Gebäudebedarf 41 Prozent unter Minergiestandard, zwei Wärmepumpen sorgen für das Äquivalent von 5600 Litern Heizöl; pro Geschoss gibt es zwei Anlagen zur Wärmerückgewinnung, Frischluft wird vor den Fenstern eingeblasen, die Abluft in den Nassräumen abgesaugt. Eine Fußbodenheizung unterm Parkett heizt die Räume. Der Aufbau der Decken – mit abgehängter Decke ist er rund 60cm stark – gewährleistet auch den im Holzbau stets kritischen Schallschutz.

18. Dezember 2005 Karin Triendl
zuschnitt

Punk Architektur in massivem Holz

»To start with, I‘ll tell you what I think Punk isn‘t – it isn‘t a fashion, a passing phase of knee-jerk rebellion against your parents, the latest ‘cool‘ trend or even a particular form of style or music; it simply is an idea that guides and motivates your life. And what is this idea? Think for yourself, be yourself, don‘t just take what society gives you, create your own rules, live your own life.«
Don Letts

Im Fall von Brendeland&Kristoffersen ist das Resultat jener Überzeugung ein Wohnprojekt, das traditionelle Methoden der Gebäudeplanung, -finanzierung, und -konstruktion in Frage stellt.

Aus einer Kombination modernster Holzkonstruktionstechniken und urbaner Entwicklungskonzepte entstand ein Vorzeigeprojekt in einem von der Alternativszene besetzten Stadtviertel Trondheims.

Die ehemaligen Hausbesetzer wünschten sich bezahlbaren Wohnraum, der den Charakter des alten Arbeiterviertels bewahrt. Die Stadtverwaltung machte Finanzen frei, gab Mitspracherecht und entschärfte damit einen sozialen Brennpunkt. Nach Jahren des Kampfes zogen Politiker und Bewohner von Svartlamon aus einem Interessenkonflikt gleichermaßen Gewinn. Man hörte einander zu und verhandelte. Um die weitere bauliche Entwicklung von Svartlamon zu sichern und das Gebiet vor einem »Ausverkauf« seitens der Stadtväter zu bewahren, wurde bald ein Entwicklungsplan festgelegt. Eines der Schlüsselprojekte war der Wettbewerb für ein gemeinschaftliches Wohnhaus, der von BKArk im Jahre 2001 gewonnen wurde.

Schon in der Wettbewerbsausschreibung wurden der innovative Umgang mit Holz und maximale Dichte gefordert. Das bedeutete für die Architekten nicht nur möglichst viele Geschosse, sondern auch die Verwendung von Massivholz aufgrund seiner brandschutztechnischen und tragenden Eigenschaften. (Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch kein fünfgeschossiges Massivholzgebäude in Norwegen.)

BKArk überzeugten nicht nur mit höchster entwerferischer Qualität und progressiver Gebäudetechnik, sie bewiesen auch, dass ein derartiges Projekt mit niedrigen Kosten durchsetzbar ist. Damit bilden sie einen starken Gegentrend zur bisherigen Strategie der Stadtväter, den Wohnbau dem freien Markt zu überlassen. Nachdem der Wettbewerb gewonnen war, konnten die beiden jungen Architekten sofort das Vertrauen der zukünftigen Bewohner gewinnen. Mit der notwendigen Sensibilität für den Bestand und das soziale Gefüge wurde so ein Ensemble aus zwei Gebäuden mit jeweils unterschiedlichen Qualitäten und differenziertem Raumangebot entwickelt.

Das entlang der Straße platzierte Hauptgebäude besteht aus einem gemeinschaftlich genutzten Erdgeschoss und vier Wohngeschossen mit je 120 m². Das kleinere Volumen nimmt Bezug auf den Bestand und schließt das Ganze zu einem geschützten Hof. Jede der sechs Einzelwohnungen mit großzügiger Terrasse blickt auf den damit definierten Freiraum.

In letzter Zeit verschwinden rund um das neue Gebäude die Zäune – statt dessen tauchen Hängematten, Sandkisten und spielende Kinder auf. Die Strategie der Gemeinsamkeit scheint also zu funktionieren!

Das sehr einfache Raumkonzept des Hauptgebäudes erlaubt maximale Flexibilität auf allen Ebenen.

Jedes Geschoss verfügt über einen langgezogenen Gemeinschaftsraum und vier bis fünf kleine Schlafzimmer. Durch die Kombination diverser Funktionen wie z.B. Wohnen, Küche und Gangflächen oder die Nutzung der Stiege als Balkon, konnte die Anzahl der Quadratmeter pro Person auf 20 verringert werden. Zum Vergleich: der norwegische Standard liegt bei 50!

Dem zugrunde liegt die Überzeugung der Architekten, dass sich jede intelligente Entscheidung über die Raumaufteilung auf Baukosten, Energieverbrauch und schließlich auch die Miete positiv auswirkt.

Das daraus entstandene Organisationsschema ermöglicht zudem individuelle Lösungen für verschiedenste Arten des gemeinschaftlichen Wohnens: So wohnen zum Beispiel im zweiten Stock zwei Frauen mit drei Kindern, im fünften Geschoss haben sich fünf Studenten eingerichtet. Die gesamte Konstruktion wurde aus Holzbauelementen der österreichischen Firma Santner gefertigt und außen mit norwegischem Lärchenholz verkleidet. Innenwände und Böden lassen die unbehandelte Holzoberfläche der tragenden Elemente sichtbar.

Extreme Raumhöhen und Fenstergrößen machten neue Standards notwendig. Eine großartige Leistung, wenn man bedenkt, dass im geförderten Wohnbau das erlaubte Minimum oft auch schon das gebaute Maximum ist. Im Gegensatz zur allgemeinen Praxis, ein Projekt auf die Glanzseiten der Architekturmagazine abzustimmen, wurde das »Finish« ganz und gar den zukünftigen BewohnerInnen überlassen, die damit die gebaute »Basis« auf individuelle Weise interpretieren.

BKArk haben es geschafft, ein sehr zeitgenössisches Stadthaus zu errichten, das die Notwendigkeit sozialer und ökologischer Verantwortlichkeit nicht ignoriert. Das Ergebnis: ein markanter Entwurf eines hölzernen Hochhauses, der Aspekte von Alternativkultur, Punkgeist, experimenteller Architektur und nationaler Forstpolitik integriert. Der zunächst unlösbare politische Konflikt zwischen Hausbesetzern und Gemeindeverwaltung ist schlussendlich in einem einzigartigen, kostengünstigen und ökologischen Wohnungsbauprojekt aufgegangen.

18. Dezember 2005 Anne Isopp
zuschnitt

Mehrfamilienaus in Wien-Nussdorf

Nussdorf zählt zu den besseren Wohnadressen der Hauptstadt. Hier in der Nussberggasse, am Fuße des Kahlenbergs, steht eine alte Villa neben der anderen. Seit ein paar Monaten aber hat sich ein Fremdkörper in das homogene Gefüge eingeschlichen: Ein warm leuchtender Holzbau steht inmitten der herrschaftlichen Steinbauten. Die Rede ist von Haus Sigmund, einem vom Grazer Architekten Hubert Rieß entworfenen Wohngebäude. Auf einem massiven Stahlbetonsockel, der sich tief ins Gelände hineinschiebt und die Autostellplätze birgt, sind 20 Holzmodule über- und nebeneinander gestapelt. Sie bilden zwei parallele Riegel, der vordere zwei- und der hintere dreigeschossig, in denen sechs Wohnungen untergebracht sind. Trotz der schlichten und zurückhaltenden äußeren Gestalt zeigt der Bau eine erstaunlich starke Präsenz in dieser Wohngegend – dank der in seiner Farbe und Materialität einladenden horizontalen Eichenholzverschalung, die das äußere Erscheinungsbild prägt. Er habe immer wieder Autofahrer beobachtet, erzählt Rieß, die langsam und neugierig an dem Haus vorbeifuhren. Der Grazer Architekt ist überzeugt, dass Holz die Kraft hat, Menschen anzusprechen; vorausgesetzt – so räumt er ein – es ist entsprechend gut verarbeitet. So wie ihm dies beim Haus Sigmund gelungen ist.

Dabei kam der Wunsch, hier an diesem Ort in Holz zu bauen, von den Bauherren, da sie sowohl die optischen als auch die haptischen Qualitäten des Materials als ansprechend und wohltuend schätzen. Das Ehepaar Sigmund besaß neben ihrem Haus in der Nussberggasse ein freistehendes Grundstück. Es bat den Architekten Rieß, ein Konzept für ein Mehrparteienhaus zu erarbeiten, das die Fläche optimal ausnützt und – das war das wichtigste Anliegen – nicht die Aussicht aus den benachbarten Giebelfenstern verstellt. Es dauerte sieben Jahre, bis man sich in allen Punkten geeinigt hatte und die 10,4×4,3 Meter großen Holzmodule, die komplett mit Fenster, Dämmung, Sanitär- und Elektroeinrichtung im Werk vorgefertigt wurden, auf einem Lkw zur Baustelle geliefert werden konnten. Die Vorteile der gewählten Modulbauweise aber liegen auf der Hand: Sie ermöglicht eine extrem kurze Bauzeit – was dem Wunsch der Bauherren nach einer geringen Belästigung der Anrainer entsprach. Zudem ist der Bau sofort bezugsfertig.

Eine Konzeptänderung innerhalb der langen Planungszeit aber darf nicht unerwähnt bleiben: Anstelle der zur Straße hin geplanten, ebenerdigen Ordinationen und Büros befinden sich hier nun zwei Wohnungen. Vier weitere erstrecken sich über das erste und zweite Obergeschoss. So ist aus der ursprünglich als Reihenhaus geplanten Anlage ein Geschosswohnbau geworden. Damit kamen auch andere baurechtliche Gesetze zur Geltung: Die Behörde forderte nun eine Fassade in B1, schwer brennbar. Anstelle der oft verwendeten Lärche musste für die Verschalung die teurere Eiche zum Einsatz kommen. Der mehrgeschossige, ebenfalls von Hubert Rieß in Holzbauweise errichtete Wohnbau in der Spöttelgasse in Wien-Floridsdorf, musste genau aus diesen Gründen, so der Architekt, verputzt werden.

18. Dezember 2005 zuschnitt

Baupolizist und Architekt

Das Verhältnis zwischen Planenden und Behörde ist nicht immer ungetrübt. Johannes Kaufmann hat mit der zuständigen Abteilung der Baupolizei in Wien im Zuge der Bewilligung eines Wohnbauprojekts am Mühlweg im 21.Bezirk jedoch gute Erfahrungen gemacht und traf sich mit Senatsrat DI Heinz Fuchs und seinen MitarbeiterInnen zu einem Gespräch über Holz in der Stadt und die Voraussetzungen für eine positive Zusammenarbeit.

Zuschnitt Herr Senatsrat, wie beurteilen Sie die Situation zwischen Behörden und Planenden?

Heinz Fuchs Diese Situation ist eindeutig: Die Behörde vollzieht die Gesetze, indem sie prüft und kontrolliert. Die prinzipielle Verantwortung liegt jedoch beim Planer, bei der Planerin.

Zuschnitt Die Gesetze erlauben aber einen Spielraum und ein Bewilligungsprozess ist ja nicht nur Kontrolle, sondern auch Interaktion.

Heinz Fuchs Das stimmt, obwohl es Bestrebungen gibt, die Arbeit der Behörde auf Stichproben zu beschränken und die gesamte Verantwortung auf die Planenden zu übertragen. Ich finde das nicht richtig, denn die Behörde hat Aufgaben gesellschaftspolitischer Natur, die nicht aus Gründen der Sparsamkeit und auf Kosten der Qualität eingeschränkt werden sollten.

Zuschnitt Wie stehen Sie zu den Entwicklungen im Holzbau, speziell in der Stadt?

Heinz Fuchs Zurzeit ist der Holzbau stark im Vormarsch, auch im Wohnbau. Das schlägt sich in der Gesetzgebung nieder, wo seit der Novellierung der Wiener Bauordnung 2001 (Techniknovelle) drei Hauptgeschosse und ein Dachgeschoss aus Holz bzw. vier Hauptgeschosse, wobei das Erdgeschoss jedoch in allen für die Tragfähigkeit und den Brandschutz wesentlichen Bestandteilen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen muss, erlaubt sind. Es gab Bestrebungen, vier Vollgeschosse und zwei Dachgeschosse zu erlauben, aber da wäre auch ich dagegen gewesen. Generell sind Wohnbauten aus Holz schwierig – vor allem aufgrund der bestehenden Brandvorschriften, des Schallschutzes und der geringen Erfahrungswerte. Aber natürlich sind individuelle Lösungen möglich und ich bin absolut dafür, solche Lösungen zu forcieren, um der Individualität eines Bauvorhabens Rechnung zu tragen.

Johannes Kaufmann In so einer Situation sind alle Beteiligten gefordert: Als Planer muss man Alternativen anbieten können, als Behörde muss man darauf reagieren können. Beim Bauvorhaben Mühlweg hat die MA37 zum Beispiel alternative Lösungsmöglichkeiten miteinbezogen. Zusätzlich erfordert der moderne Holzbau viel mehr Know-how als die mineralische Bauweise, wo sich in den letzten Jahren längst nicht so viel geändert hat wie etwa bei der Massivholzbauweise und die in der Ausbildung auch nach wie vor an erster Stelle steht.

Heinz Fuchs Wesentlich ist, dass laut oib-Richtlinien künftig mit entsprechenden Sachverständigengutachten »gleichwertige Lösungen« ausgeführt werden können.

Johannes Kaufmann Solche Lösungen gibt es aber nur, wenn der Planer kompetent und die Behörde zum Dialog bereit ist. Das ist eine große Herausforderung an die Beamten, denn künftig gelten nicht nur die Bestimmungen der Bauordnung, sondern auch äquivalente Lösungen, die auf die geforderten Schutzziele hin zu überprüfen sind.

Heinz Fuchs Wenn man drei Juristen zu einem Thema befragt, erhält man im Allgemeinen drei verschiedene Antworten. Bei uns ist das ähnlich, weil für individuelle Projekte auch unterschiedliche Lösungsansätze möglich sind. Trotzdem: Wir, und ich spreche hier für diese Abteilung, sehen uns nicht nur als Vollzugsorgane, sondern auch als Baumanager und im Wesentlichen als »Bewilligungsbehörde«. Dass man sich dabei nicht in den fahrlässigen Bereich begeben darf, liegt auf der Hand.

Zuschnitt Es geht also um Flexibilität, Offenheit, technisches Verständnis und Diskurs?

Heinz Fuchs Genau so ist es. Wir sind nicht gegen ein bestimmtes Material, sondern wollen das Beste in einer bestimmten Situation erreichen. Die Behörde ist neutral.

Zuschnitt Das gilt für die Behörde, aber nicht für jeden einzelnen Beamten. Dass der Holzbau unter Vorurteilen und auch Benachteiligungen zu leiden hat, ist nicht von der Hand zu weisen.

Heinz Fuchs Ja, und hier muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, um diese Vorurteile und Benachteiligungen auszuräumen. Es gibt einen Rechtsanspruch auf jedes Material, das die Anforderungen der Bauordnung erfüllt.

Zuschnitt Kann man sagen, dass es Informationsdefizite bei Planern und Behörden hinsichtlich des modernen Holzbaus gibt?

Heinz Fuchs Das kann man so sagen und daher haben wir etwa Informationsveranstaltungen zum Thema organisiert, um diese Defizite auszuschalten. Dabei liegt es natürlich an jedem Einzelnen, sich für neue Entwicklungen zu interessieren und damit auseinanderzusetzen, um am Laufenden zu bleiben. Aber das wäre auch für andere Berufsgruppen gut.

Johannes Kaufmann Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch die bevorstehende Harmonisierung der Gesetzgebung. Die großen Unterschiede in den Landesbauordnungen verkomplizieren jeden Bauprozess, durch die Harmonisierung wird es zu einer Bündelung von Wissen und Erfahrung kommen. Auch sollte die Holzlobby mehr Aufklärungsarbeit leisten und die Standardisierung im Holzbau vorantreiben.

Zuschnitt Für den Planenden ist eine offene, diskussionsbereite und interessierte Behörde ein idealer Partner. Was wünscht sich die Behörde von den Architekten?

Heinz Fuchs Wir wünschen uns Architekten mit guter Plankultur und rechtlichem Grundwissen. Es benötigt Unmengen von Energie, dementsprechende Grundlagen zu vermitteln.

Johannes Kaufmann Unser Planungsverlauf war auch deshalb so positiv, weil Schwierigkeiten von Beginn an in Vorbesprechungen beigelegt wurden. Dadurch konnten genauere und richtigere Planunterlagen erarbeitet werden und Bewilligung und Umsetzung schneller erfolgen.

Heinz Fuchs Das ist richtig. Die Vorbesprechungen waren auch für uns ein Lernprozess und ich muss sagen, dass alle Holzbauten, die bisher bei uns eingereicht wurden, gut vorbereitet und geplant waren.

18. Dezember 2005 Wojciech Czaja
zuschnitt

Balkonien mitten in der Stadt

Neue Umstände verlangen nach neuen Lösungen. Die belgische Stadt Namur beispielsweise kann von dieser Kausalitätskette ein Klagelied singen. Knapp 100.000 Einwohner zählte die nur 60 Kilometer von Brüssel entfernte Stadt, als 1986 beschlossen wurde, Namur zur wallonischen Regionalhauptstadt zu erklären. Mit der Veränderung der Stadt in ein administratives Zentrum gingen freilich institutionelle und stadtplanerische Veränderungen einher, nicht alle nur von positivem Ausmaß.

Mehr Verwaltung und mehr Menschen verlangten in erster Linie – abseits aller architektonischen Überlegungen – nach mehr Raum. Dieser Notwendigkeit Folge leistend, entrückte ein urbaner Aspekt nach dem anderen, neben Menschen mussten in der Stadt schließlich auch noch ihre dazugehörigen Fahrzeuge Platz finden. Erst verschwand daher der Markt auf dem zentral gelegenen Rathausplatz, bald einmal auch noch die umliegenden Fußgängerzonen. Vor ein paar Jahren zog die Stadtregierung der zum Parkplatz gewordenen Stadt die Notbremse, verbannte sämtliche Parkflächen in den Untergrund und schrieb einen Wettbewerb zur Neugestaltung aller öffentlichen Freiflächen aus.

Das atelier 4d konnte das Revitalisierungsprojekt für sich beanspruchen, 2004 wurde die umstrukturierte Innenstadt von Namur feierlich eröffnet. Manche Straßenzüge wurden miteinander wieder verwoben, Barrieren entfernt, Autos unter die Erde verbannt.

»Das Herzstück des neuen Projekts aber bildet die zentral gelegene Place d’Arme. Dany Poncelet und Jean Liard, die beiden Köpfe des Architekturateliers, haben das Unmögliche gewagt und den gesamten Platz – bis auf einen schmalen rundum gepflasterten Streifen – in Holz beplankt. Wieder die vermisste Sinnlichkeit in einen sonst so harten Freiraum der anonymen Stadtlandschaft zu bringen, war die Motivation der beiden Architekten. Und tatsächlich: In der Haptik warm und wohlig vertraut, knirscht der Platz leicht, schwingt bei jedem Schritt ein wenig und ist Teil eines subtil eingearbeiteten Wegleitsystems, doch diesmal auch für Sehende. Drei Brunnen im leichten Abseits, ein halbes Dutzend Holzbänke, das war’s dann auch schon mit der Möblierung.

Die gesamte Konstruktion besteht aus Ipé, einem robusten und strapazierfähigen tropischen Hartholz, das auch Lapacho oder Guayacan genannt wird und in Zentral- und Südamerika wächst. Verlegt wie ein herkömmlicher Industrie-Parkettboden, doch hier ausnahmsweise in einem etwas anderen Maßstab. Um selbst bei Regen eine rutschfeste Oberfläche zu garantieren, befindet sich zwischen zwei aneinander stoßenden Holzplanken jeweils ein schmaler Steg aus Edelstahl, der die glatte Holzebene um einen Hauch überragt. Bei schönem Wetter wird die Place d’Arme zur öffentlichen Terrasse für die Stadt. Während sich die einen dem Sonnenschein hingeben, betreten andere den Platz als Bühne, um ihr skatendes und tanzendes Können zum Besten zu geben. An den Wochenenden hingegen wird er endlich wieder seiner historischen Nutzung zugeführt. In den frühen Morgenstunden beginnt sich der längst schon verloren geglaubte Markt über den neuen/ alten Rathausplatz auszubreiten; das klackende Geräusch der regen Arbeiten auf dem hölzernen Boden gibt selbst dann noch Aufschluss über die Besonderheit der revitalisierten Place d’Arme.

18. Dezember 2005 Eva Guttmann
zuschnitt

Good wood in Brentwood

Vancouver – einem Ranking zufolge die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität – baut vor: Ziel aktueller stadtplanerischer Bemühungen ist es, einer unkontrollierten Ausbreitung des »urban sprawl« entgegenzuwirken und das Wachstum auf einige wenige neue Zentren rund um Vancouver zu konzentrieren. Parallel dazu wird an attraktiven öffentlichen Alternativen zum Individualverkehr – vor allem für die große Zahl an Pendlern – gearbeitet, um die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten und die Lebensqualität zu sichern.

Ein Teil dieses umfassenden Konzepts ist der Bau der »Millennium Line«, die mit dreizehn Bahnhöfen das zweite Netz des elektrischen Skytrain-Systems ist. Zwei dieser neuen Bahnhöfe wurden von Busby + Associates entworfen, einer davon – die »Brentwood Skytrain Station« – befindet sich in Burnaby, einem Vorort im Osten von Vancouver und gilt als Flaggschiff der neuen Linie.

Im Vorfeld seiner Planung wurden in einem öffentlichen Entscheidungsprozess die Aspekte der Erkennbarkeit, der Erreichbarkeit, der Sicherheit, des Komforts und der formalen Gestaltung als wesentlich erarbeitet und, im Sinne der Umweltverträglichkeit, die Verwendung rezyklierbarer Materialien mit niedriger Herstellungsenergie gewünscht. Unter diesen Voraussetzungen entwarfen Busby + Associates eine flache, ovale Scheibe mit einem ebenfalls ovalen, mittigen Oberlicht über ihre gesamte Länge, die über den Schienen schwebt, welche ihrerseits genau über einer Autobahn verlaufen. Die Maße des Bahnhofs ergeben sich aus Zuggrößen und Passagieraufkommen, seine gebauchte Form entstand durch die vertikalen Erschließungen, die jeweils in der Mitte der Längsseiten liegen. Der Baukörper selbst wirkt zweifach: am Tag und von außen als große, transparente Landmark auf einer die Autobahn überspannenden Stahlbetonkonstruktion, in der Nacht und in seinem Inneren warm leuchtend, schwebend wie ein freundliches ufo. Diesen einladenden Effekt verdankt der Bahnhof vor allem der Verwendung von Holz, das sowohl konstruktiv als auch sichtbar zum Einsatz kommen konnte, nachdem der Nachweis erbracht worden war, dass es normgemäß unbrennbaren Materialien entspricht. Während Unterkonstruktion, Brücken und Bahnsteige aus Stahlbeton sind, wurden für die konstruktiven Rippen der beiden Schalen zwei Baustoffe verwendet: »vandalensicherer« Stahl in den unteren Bereichen und – vor allem wegen des günstigen Verhältnisses von Eigengewicht zu Tragkraft – Leimholzträger weiter oben. Das Dach besteht aus wiederverwertetem bzw. heimischem Nadelholz, welches Kante an Kante nebeneinander gelegt und vernagelt wurde und so der doppelt geschwungenen Form optimal zu folgen vermag.

Mit dem in diesem Zusammenhang zumindest ungewöhnlichen Einsatz von Holz erfüllten die Architekten die zentralen Forderungen der Bauherren. Die effiziente, wirtschaftliche Mischbauweise, die Verwendung eines ökologischen, wiederverwertbaren Baustoffs für große Teile des Bahnhofs, die Schaffung einer einladenden, sicheren Atmosphäre durch großzügige Raum- und Belichtungssituationen und durch die Beibehaltung von Holzsichtoberflächen im Inneren der Station tragen wesentlich dazu bei, die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigern und die langfristigen Umweltanliegen der Stadtverwaltung zu verwirklichen.

Bauwerk