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Ausstellungsbeitrag über den amerikanischen Architekturfotografen Julius Shulman für das deutsche Architektur Museum Frankfurt/Main 2005

Der Film, der im Zuge der Vorbereitungen der Ausstellung „A lifetime for architecture – the photographer Julius Shulman“ im Herbst 2004 in Los Angeles entstand, beleuchtet 25 Minuten lang Leben und Werk des berühmten Fotografen: Auf Streifzügen durch die Stadt kommen an verschiedenen Stationen Zeitzeugen und Begleiter Shulmans zu Wort, so auch sein Partner seit 1999, der Fotograf Jürgen Nogai.

Die Kuratorin Christina Gräwe vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt/Main erklärt die Entstehungsgeschichte der Ausstellung.
Im Zentrum steht Julius Shulman selbst: Der Film begleitet ihn in sein Studio und durch seinen Garten. Dabei erzählt Shulman aus seinem Leben, reiht Anekdoten aneinander, berichtet von Wendepunkten in seiner Karriere und erläutert seine Herangehensweise an das perfekte Architekturfoto.

Der Filmemacher und Architekturfotograf Thomas Spier beobachtet den damals 94-jährigen, auch heute mit 98 Jahren noch aktiven Fotografen als Profi und als aufgeschlossenen Gastgeber.

Presseschau

14. März 2008 Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur mit Glamour

Der Fotograf Julius Shulman in einer Lausanner Ausstellung

Mit verführerischen Aufnahmen in Magazinen wie «Life» und «Time» machte Julius Shulman die modernistische Architektur im konservativen Amerika der Wirtschaftswunderjahre zum Stadtgespräch. Der 1910 in New York geborene Meister der Inszenierung hatte vergleichsweise spät zur Fotografie gefunden. Anfang der dreissiger Jahre begann er, vom Studium angeödet, mit einer Pocketkamera zu experimentieren und hielt zunächst auf winzigen Abzügen stählerne Brückenkonstruktionen und Wendeltreppen fest, die irgendwie an Bauhaus-Fotos erinnern. Doch 1936 veränderte eine Bildserie über Richard Neutras Kun House sein Leben: In ihr hielt er die Villa in den Hügeln von Los Angeles aus unkonventionellen Blickwinkeln fest, von denen einer das Gebäude wie nach einem Erdbeben zeigt. Das hatte nichts mehr mit den nüchternen Sujets der gängigen Architekturfotografie zu tun. Neutra zeigte sich ebenso begeistert wie sein Kollege Raphael Soriano, der ihn umgehend bat, das Haus der Pianistin Helen Lipetz in Silverlake aufzunehmen.

Häuser und Geschichten

Diese und andere frühe Aufnahmen für Neutra und Soriano, der das Atelierhaus des Fotografen bauen sollte, bilden die eigentliche Überraschung der Shulman-Schau, die derzeit in der Galerie «Archizoom» der ETH Lausanne zu sehen ist. Handelt es sich dabei doch um kaum bekannte Fotos aus einer 100 Abzüge umfassenden Schenkung des italoschweizerischen Architekten Alberto Sartoris an die Lausanner Hochschule. Die Aufnahmen, an welchen sich die Entwicklung von Shulmans Stil ablesen lässt, bilden eine ideale Ergänzung zur schönen Auswahl von 70 Highlights aus dem Schaffen des Amerikaners, die vor zwei Jahren bereits in Frankfurt gezeigt worden war.

Nach diesem fulminanten Start wartete Shulman bald schon mit ersten Meisterwerken wie der Nachtaufnahme des mit einem beleuchteten Korkenzieher-Turm bekrönten Academy Theatre in Hollywood auf, in denen sich Licht, Raum und Perspektive zu magischen Bildern verdichten. Kurz darauf begann er die Bauten mit Menschen und Gegenständen erzählerisch aufzuladen und damit auch für ein Laienpublikum attraktiv zu machen. So fotografierte er William E. Fosters «Shangri La»-Hotel in Santa Monica mit einem Rolls-Royce, aus dem eine junge Dame und ein älterer Herr steigen, oder mit Tennisspielern, die von einem jungen Pagen kühle Drinks entgegennehmen. Nach dem Krieg verlieh er dem ufoartigen Haus des Schweizer Architekten Albert Frey in Palm Springs mit einer Swimmingpool-Szene einen Hauch von Sinnlichkeit; und die legendären, als Prototypen für den Mittelstand gedachten Case Study Houses bevölkerte er mit seltsam isoliert wirkenden Paaren. Kein Wunder, dass der glamouröse Zusammenklang von spektakulären Bauten und perfekt gekleideten Modellen schliesslich die Modefotografie beeinflusste.
Verlust der Seele

Zur Ikone der Architekturfotografie des 20. Jahrhunderts aber wurde das gleichsam über dem Lichtermeer von Los Angeles schwebende Stahl House von Pierre Koenig, welches von der unergründlichen Atmosphäre der Bilder Edward Hoppers erfüllt zu sein scheint. Doch auch Oscar Niemeyers Brasilia oder Eladio Diestes Backsteingewölbe in Uruguay sah er mit den Augen eines Künstlers. Wie einzigartig Shulmans Blick auf eine durch Menschen, Tiere oder Objekte belebte Architektur einst war, machen die letzten Bilder der Lausanner Schau klar. Sie zeigen Frank Gehrys Disney Concert Hall in Los Angeles oder das Kindermuseum von Abraham Zabludovsky im mexikanischen Villahermosa, die der Meister vor drei Jahren zusammen mit Jürgen Nogai aufgenommen hat. Auch sie sind sicher komponiert und informativ – aber ohne Seele. Hier tritt der greise Shulman ganz offensichtlich in die Falle jener zeitgenössischen Architekturfotografie, die – im Wettstreit mit Renderings – immer mehr auf Hochglanzperfektion setzt.

[ Bis 4. April (täglich ausser sonntags) in der Galerie «Archizoom» der ETH Lausanne. Kataloge: Ein Leben für die Architektur. Der Fotograf Julius Shulman. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, 2005. 48 S., Fr. 24.–. – Julius Shulman dans les collections des Archives de la construction moderne. Hrsg. Archives de la construction moderne, Lausanne 2008. Fr. 20.–. ]

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- All began just by chance. Julius Shulman.

7. April 2004 Der Standard

Pierre Koenig 1925-2004

Der amerikanische Architekt war einer der Väter der kalifornischen Moderne

Der amerikanische Architekt Pierre Koenig, der zu den Vätern der kalifornischen Moderne zählt, starb laut einem Nachruf der „Los Angeles Times“ von Dienstag im Alter von 78 Jahren in seinem Haus bei Los Angeles an Leukämie.

Koenig wurde in den Nachkriegsjahren vor allem durch leichte Stahl- und Glaskonstruktionen bekannt, die Natur und Landschaft in die Baupläne einbezogen. Sein „Stahl-House“ von 1960 (Case Study House #22), ein elegantes Glashaus in den Hügeln von Hollywood, wurde durch eine Aufnahme des Architekturfotografen Julius Shulman weltweit bekannt.

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7. Mai 2008 Lilian Pfaff
Neue Zürcher Zeitung

Die Villa als Sammelobjekt

Juwelen mit Mängeln – neue Hoffnung für Kaliforniens bedrohte Architektur-Ikonen

Kalifornien besitzt ein reiches, aber bedrohtes Erbe an Privathäusern grosser Architekten aus den Nachkriegsjahrzehnten. Nun interessieren sich aber immer mehr Sammler für diese Kulturdenkmäler.

Vor Jahren noch beklagten Architekturliebhaber, die den Villen berühmter Baukünstler in Kalifornien nachreisten, immer wieder den schlechten Zustand dieser Kulturdenkmäler. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. An den Bauten von Richard Neutra lässt sich die wachsende Wertschätzung, welche den architektonischen Meisterwerken entgegengebracht wird, besonders gut ablesen. Vor sechs Jahren wurde das 1962 von Neutra errichtete Maslon House für stolze 2,45 Millionen Dollar verkauft – und wenig später abgerissen, denn die Käufer waren nur am Grundstück interessiert. Noch nicht zerstört ist glücklicherweise das 1950 erbaute Neutra Office am Glendale Boulevard. Doch steht es seit über fünf Jahren für 3,5 Millionen Dollar zum Verkauf; und dabei leidet seine Bausubstanz.

Nicht für die Ewigkeit gedacht

Schlecht ist auch der Zustand des ehemaligen Wohnhauses von Neutra, des VDL-Research House II (1966), welches Neutra der Architekturfakultät in Pomona vermachte. Die Kosten für die dringend anstehende Renovation werden auf 2 Millionen Dollar geschätzt, weshalb die Fakultät jüngst ihr Interesse an einem Verkauf bekundet hat. In diesem Umfeld überrascht deshalb im ersten Augenblick die Ankündigung, dass das legendäre, 1946 vollendete Kaufmann-Haus von Neutra in Palm Springs von Christie's im Rahmen der Auktion für zeitgenössische Kunst am 13. Mai für 15 bis 25 Millionen Dollar versteigert werden soll.

Dass die aus den Nachkriegsjahrzehnten stammenden Häuser berühmter amerikanischer Architekten mitunter nur schwer zu verkaufen sind, liegt an dem aus heutiger Sicht mangelnden Komfort, an den relativ geringen Wohnflächen und am oft schlechten Zustand. Auch wenn einige Neutra-Häuser wie Stahlbauten anmuten, bestehen ihre Rahmenkonstruktionen meist nur aus silbrig gestrichenem Holz. Diese müssen ebenso gepflegt werden wie die Wasserbecken, die als «Reflecting Pools» den Aussenraum in den Innenraum spiegeln. Weiter weiss man gerade in Kalifornien die Bedeutung historischer Bausubstanz noch nicht richtig zu würdigen. Denn hier sind die immer wieder von Erdbeben und Feuersbrünsten bedrohten Bauten meist nicht für die Ewigkeit gedacht. Oft werden sie nach kurzer Zeit schon abgerissen und durch neue Häuser ersetzt. Zwar gibt es in der südkalifornischen Metropole eine Kommission mit dem Namen Cultural Heritage of the City of Los Angeles, die bei gefährdeten Häusern, welche zur Kategorie der «kulturhistorischen Monumente» zählen, einen 180-tägigen Abriss-Stopp bewirken und diesen nochmals um 180 Tage verlängern kann. Eine Zerstörung kann sie aber nicht verhindern. Dazu müsste auf einer höheren Stufe der National Trust of Cultural Heritage eingreifen.

Zu all dem kommt hinzu, dass die Häuser von den wechselnden Besitzern oftmals bis zur Unkenntlichkeit umgebaut werden. Ein Beispiel dafür ist das Kaufmann-Haus, das durch Julius Shulmans berühmte Fotografie einer am Pool liegenden Frau im Abendlicht Eingang ins architektonische Gedächtnis gefunden hat. Nachdem sein Erbauer, der Warenhaus-Mogul Edgar J. Kaufmann aus Pittsburg, der schon das Haus Fallingwater nach Frank Lloyd Wrights Plänen errichten liess, 1955 verstorben war, stand die Villa einige Jahre leer und wechselte danach häufig die Besitzer. Dabei wurde das Fünfzimmerhaus stark erweitert, der innen liegende Patio überdacht, die Räume tapeziert und eine Wand herausgebrochen, um einen Medienraum zu integrieren. Die gesamte Innenausstattung wurde zerstört, der weisse Betonboden sowie die Wasserbecken abgedeckt und die Erscheinung des Daches mit Air-Conditioning-Elementen verunstaltet.

Im Jahre 1992 wurde das Haus von Brent und Beth Harris «entdeckt», nachdem es dreieinhalb Jahre keinen Abnehmer gefunden hatte. Sie kauften es für 1,5 Millionen und liessen es von den in Santa Monica tätigen Architekten Leo Marmol und Ron Radziner renovieren. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Beth Harris ermittelten sie in mühseliger Kleinarbeit den Originalzustand anhand der Pläne und Skizzen im Neutra-Archiv der University of California in Los Angeles (UCLA). Da diese jedoch nicht ohne die Genehmigung des Sohnes Dion Neutra dupliziert werden durften, zogen sie zusätzlich die Schwarzweissfotos von Julius Shulman zu Rate. Der Restaurationsbericht liest sich wie eine Detektivgeschichte. So fand der Sohn des einstigen Fensterherstellers die ehemaligen Konstruktionspläne; und ein Steinbruch in Utah wurde eigens für die Steine der Feuerstelle wieder geöffnet.

Interesse von Privatleuten und Museen

Das Beispiel des Kaufmann-Hauses hat inzwischen Schule gemacht. Immer mehr Privatpersonen kaufen die Nachkriegsbauten zu einem guten Preis, richten sie aufwendig her und verkaufen sie anschliessend wieder – oder bewohnen sie eine Zeitlang selbst. Anders als berühmte Kunstwerke sind solche neu hergerichteten Architekturtrouvaillen noch immer günstig zu erwerben. Allerdings sind sie im Unterhalt oft teuer. Beth Harris, die nun das Kaufmann-Haus aus privaten Gründen zur Versteigerung gibt, findet es gut, dass Häuser immer mehr zu Sammelobjekten werden. Denn wenn jemand wie Brad Pitt, der bereits als Interessent genannt wird, erst einmal viel Geld für eine Architektur-Ikone bezahlt habe, werde er auch Sorge zum Gebäude tragen. Wenn dies zur gängigen Praxis würde, könnte das Bauerbe besser bewahrt werden, als wenn es im Besitz einer Institution vor sich hindämmert. Erinnert sei nur an das Neutra-Haus, das von der Architekturfakultät in Pomona zwar öffentlich zugänglich gemacht wurde, für dessen Renovationen aber das Geld fehlt.

Den privaten Interessenten könnte schon bald seitens der Museen Konkurrenz erwachsen. So kündigte unlängst das Los Angeles County Museum of Art (LACMA) seine Absicht, Häuser zu sammeln, medienwirksam an und scheint nun auf entsprechende Geschenke zu warten. Durch die Verhandlung des National Trust of Cultural Heritage ist es bereits im Besitz des Goldstein Office (1989) von John Lautner, das demnächst in das Gebäude West des Museums eingebaut werden soll. Damit folgt das LACMA dem Vorbild des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK), das sich in Los Angeles seit Jahren beispielhaft für das Erbe von Rudolf Schindler einsetzt und bereits drei seiner Bauten besitzt. Schindlers erstes Wohn- und Atelierhaus an der Kings Road in West-Hollywood, in dem einst auch Richard Neutra hauste, ist seit 1994 ein Ort für Kunst- und Architekturausstellungen.

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7. Oktober 2000 Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Blick auf das Gebaute

Architekturphotographie - eine Ausstellung in Barcelona

Die Architektur hat ihren jüngsten Höhenflug nicht zuletzt der Photographie zu verdanken. Bei Fachmagazinen gefragt ist zurzeit jener frontale, unterkühlte und von allem Zufälligen befreite Blick auf das Gebaute, wie ihn architekturbegeisterte Fotokünstler zelebrieren. Diese kommen nun in einer Ausstellung in Barcelona zu Wort.

Ein Lieblingsthema der noch jungen Photographie war die gebaute Welt: Dies nicht zuletzt aus dem pragmatischen Grund, weil sie statisch ist und vom Licht des Tages lebt. Als Propagandamedium wurde die Photographie aber erst von den Architekten der klassischen Moderne genutzt. Obwohl Frank Lloyd Wright bereits seine Präriehäuser professionnel aufnehmen liess, veröffentlichte er 1910 in der Wasmuth-Mappe noch purifizierte Präsentationszeichnungen. Walter Gropius stilisierte dann das Dessauer Bauhaus zum Kunstwerk, indem er die mit feinen Balkonen gegliederte Fassade des Studententraktes wie eine konstruktive Skulptur ablichten liess. Voll auf die Verführungskraft des Bildes setzte Le Corbusier: Hinter schwarzen Limousinen erschienen seine Wohnmaschinen - die Villa Stein in Garches genauso wie der Pavillon Suisse - noch leuchtender und kantiger, was letztlich den Mythos von der weissen Moderne mitbegründete.

Erstarrte Schönheit
Schon Photographen wie Julius Shulman, der in Ikonen wie dem in den Nachthimmel über Los Angeles ragenden Case Study House von Pierre Koenig den Californian Way of Life verherrlichte, wusste den Bauten von Eames bis Schindler eine magische Aura zu verleihen. Die Architekturphotographie aber setzte erst in den vergangenen Jahren zu jenem Höhenflug an, der ganz wesentlich zur Popularisierung der Baukunst beitrug. Architekturzeitschriften lieben heute Bilder, die die Neubauten - von allen Zufälligkeiten des Lebens befreit - in absoluter Schönheit zeigen. Zu dieser unterkühlten Sicht liessen sich die professionellen Architekturphotographen nicht zuletzt durch Künstler wie Andreas Gursky oder Thomas Ruff anregen. Diese kommen aus einer Tradition, die im Umkreis von Minimal und Conceptual Art wurzelt und etwa bei Jan Dibbets zu einer Auslotung der architektonischen Perspektive, bei Bernd und Hilla Becher aber zur fast anonymen, serienmässig angelegten Dokumentation banaler Häuser oder historischer Fabrik- und Förderanlagen führte.

Zu den Architekten, die schon früh das Potenzial einer künstlerischen Interpretation ihrer Bauten erkannten, zählen Herzog & de Meuron. Sie präsentierten 1991 auf der 5. Architekturbiennale in Venedig im Schweizer Pavillon vier Fotokünstler, die sich ihrem Schaffen ganz unterschiedlich annäherten - vom sachlichen Objektbezug Margherita Spiluttinis über Hannah Villigers körperbezogen-intimen Blick auf die Gebäudeoberfläche und Balthasar Burkhards Interesse am Knochengerüst der Bauten bis hin zu Ruffs in einer völlig unterkühlten Graupalette gehaltenem Porträt der Ricola-Lagerhalle in Laufen. Seither hat die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Gebauten weiter an Bedeutung gewonnen, wie Ausstellungen mit Arbeiten von meist deutschen Fotokünstlern in Brüssel, London, Bregenz oder Leipzig zeigten.

Ein Überblick
Waren diese Veranstaltungen inhaltlich zum Teil sehr weit gefasst, versucht nun eine Schau im Centre de Cultura Contemporània von Barcelona das Thema einzugrenzen. Die Ausstellungsmacherin Gloria Moure entschied sich nämlich für sieben Künstler, die - anders als etwa Gabriele Basilico oder Thomas Struth - nicht anonyme Bauten oder Stadtlandschaften interpretieren, sondern die künstlerische Auseinandersetzung mit architektonischen Meisterwerken suchen. Auch hier stehen die deutschen Stars im Mittelpunkt: So hält Günther Förg Zwiesprache mit Häusern von Alejandro de la Sota, dem 1996 verstorbenen Meister der spanischen Moderne. Die riesigen, leicht unscharfen und von schweren Rahmen gefassten Schwarzweissbilder stehen, an die Wand angelehnt, auf Holzkeilen. Dadurch werden sie zu Objekten, bei denen das architektonische Sujet letztlich unwichtig wird. Gursky hingegen übersteigert den Bildgegenstand: Zusammen mit dem bekannten Nachtbild von Norman Fosters Hong Kong & Shanghai Bank und der hyperrealistisch verfremdeten Hotellobby von John Portman zeigt er ein erschlagendes Panorama von Gunnar Asplunds Stockholmer Nationalbibliothek. Hier gewinnt die Architektur als patternartiges Ornament ein Eigenleben, und gleichwohl bleibt der berühmte Innenraum stets erkennbar.

Ruff präsentiert ausschliesslich zwischen 1992 und 1994 aufgenommene Bauten von Herzog & de Meuron, darunter vier Ikonen, die ebenso wie die abgelichteten Bauten selbst Architekturgeschichte schrieben und so die professionelle Photographie der letzten Jahre besonders prägten: die Ricola-Lagerhalle, die Sammlung Goetz in München, das Stellwerk auf dem Wolf in Basel und - als Höhepunkt - die rotviolette, zwischen Hopper und «Blade Runner» oszillierende Nachterscheinung der Ricola Mulhouse. Daneben haben Candida Höfers stille, im Fall von Zumthors Kunsthaus Bregenz geradezu sakral überhöhte Mittelformate einen schweren Stand. Doch zeichnen sich diese Fotos gerade dadurch aus, dass sie auf Oberflächenkult verzichten und dem Wesen der Architektur als Funktion von Raum und Licht nachspüren.

All diese Bilder wirken wie gefroren, wenn man zurückdenkt an den Auftakt der Schau: den Mexiko-Stadt gewidmeten Film «Ciudad» von Balthasar Burkhard und Carlos Hagerman. Unter den hypnotisierenden Klängen von Silvestre Revueltas «La noche de los Mayas» erwacht hier ein Stadtkörper zum Leben. Diese körperhafte Interpretation des Gebauten verdichtet sich dann in Burkhards von der Architekturbiennale in Venedig her bekannter Installation der Ricola-Lagerhalle. Ein weiterer Bau von Herzog & de Meuron, diesmal das Stellwerk, schimmert einem aus den an Gerhard Richters frühe Gemälde erinnernden Fotos von Hiroshi Sugimoto entgegen. Eher als bei Förgs Bildobjekten kann man hier die Unschärfe als Kritik an der Perfektion heutiger Architekturphotographie lesen. Auch Bauten von Gaudí, Gropius, Le Corbusier und Wright werden bei Sugimoto zu gespensterhaften Schattenwesen. Diese bilden gleichsam den Gegenpol zum Schlussbild der Schau: Jeff Walls gigantischem Leuchtkasten, aus dem Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon im goldenen Abendlicht abgründig irreal und unglaublich wirklichkeitsnah zugleich erstrahlt.

Die Schau deckt mit vielen Highlights ein breites Spektrum der künstlerischen Architekturphotographie ab, und dennoch gibt es Lücken. So hätten Fischli und Weiss nicht fehlen dürfen. In der unlängst in Mailand gezeigten Ausstellung «Milano senza confini» überstrahlte ihr gelassener und ungekünstelter Blick vom Dom auf die Torre Velasca die anderen Beiträge bei weitem. Als Antwort auf Jeff Wall hätte man sich die Serie über den Barcelona-Pavillon gewünscht, die nun in ihrer Retrospektive im Basler Museum für Gegenwartskunst zu sehen ist. Eine Bereicherung wäre zweifellos auch die Grenzgängerin Hélène Binet gewesen, die mit ihren Aufnahmen Zumthors Bauten nobilitiert, die sperrigen Gebäude von Caruso St John in ein leicht melancholisches, neorealistisches Licht rückt und so ganz ohne künstlerische Prätention Sachlichkeit und Poesie zu vereinen weiss.


[Bis 10. Dezember im Centre de Cultura Contemporània. Katalog: La arquitectura sin sombra. Hrsg. Gloria Moure. Ediciones Polígrapha, Barcelona 2000. 159 S., 4800 Pta. ]

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