Publikation

Architekt Willi F. Ramersdorfer
Bauten und Projekte 1950–2010
Architekt Willi F. Ramersdorfer
Verlag: Park Books
ISBN: 978-3-03860-096-1
Beiträge von: Robert Fabach, Ingrid Holzschuh, Christian Kühn, Irene Meissner, Gerhard A. Stadler und Bernhard Tschofen
Publikationsdatum: 2018
Umfang: 264 Seiten, 72 farbige und 184 sw Abbildungen
Format: gebunden, 22 x 31 cm

Der Freigeist

Architekt Willi F. Ramersdorfer würde heuer seinen 100. Geburtstag feiern. Ein Anlass, sein auf die Baukultur der Nachkriegszeit so einflussreiches Werk zu würdigen.

12. Dezember 2022 - Martina Pfeifer Steiner
Liberal und weltoffen, warmherzig und großzügig sei ihr Vater gewesen, sagt Patricia Ramersdorfer, deren Initiative und Engagement eine umfassende Monografie mit den Bauten und Projekten von 1950 bis 2010 eines erfolgreichen Vorarlberger Architekten der Nachkriegszeit zu verdanken ist. Sie ist 1998 als Mitarbeiterin eingestiegen und führt das Büro seit 2010 in seinem Sinne, aber auch in den imposanten Räumlichkeiten der Residenz Ramersdorfer weiter. Diese feudale Ausdrucksweise ist durchaus angebracht, plante der Architekt sein Wohnhaus doch in wahrhaft großem Stil: 650 m² (inklusive 100 m² Büro) Nutzfläche, eingeschoßig, mittig ein Atrium, welches Atelier – mit der raumhohen Fensterfront zur Zufahrtsseite orientiert – und den Wohnbereich – ebenfalls großzügig verglast nach Süden und zum weitläufigen Garten – zoniert. Features sind ein Hallenbad und die Garage für den Maserati, deren Glasfassade einfach gleich wie die des Büros durchgezogen ist.

Die Erfolgsgeschichte begann fünfzehn Jahre vor diesem Hausbau, als der junge Tiroler – das Ende seiner Studienzeit in Nürnberg in Sicht – beim Wettbewerb für die Knabenhauptschule Dornbirn Markt mitmachen wollte und sich mit zwei ausgearbeiteten Vorschlägen auf die Suche nach einem Vorarlberger Büro machte, das teilnahmeberechtigt wäre. Er stieg am Bahnhof Feldkirch aus und klopfte unvermittelt beim naheliegendsten (Bahnhofstraße 12) Atelier von German Meusburger an. Die zwei Entwürfe von Willi Ramersdorfer erreichten den ersten sowie zweiten Platz, und die Ausführung der Schule begründete eine zwanzig Jahre andauernde Arbeitsgemeinschaft. Es folgte sogleich der Auftrag zur Planung der Messehalle, direkt daneben. Als Relikt dieser räumlich eindrucksvollen Stahlbetonkonstruktion steht nur noch das Eingangsgebäude, nämlich die alte Stadthalle im Zentrum von Dornbirn.

Aufgabenteilung

Zahlreiche gewonnene Wettbewerbe folgten, einer der bedeutendsten: die Bundestextilschule Dornbirn. Das in dieser Zeit neuartige Konzept von architektonischer Differenzierung der Trakte in gestaffelter Anordnung und der markante, skulpturale Vortragssaal beeindruckte. Heute als Fachhochschule Vorarlberg genutzt, steht das Ensemble seit 1999 unter Denkmalschutz. Ebenso als Baudenkmal für schutzbedürftig erachtet, wurde die Tankstelle Bertsch in Götzis, mit ihrer zu dieser Zeit in Österreich einzigartigen Flugdachkonstruktion. Die Liste bedeutsamer Bauten von Meusburger Ramersdorfer lässt sich fortsetzen: mit dem Um- und Zubau der Vorarlberger Naturschau, dem Vinomnasaal inklusive Verbauung Gasthof Schwarzer Adler in Rankweil und dem Schulzentrum in Feldkirch-Gisingen oder der neuen Kirche in Feldkirch-Tisis. Die SOS-Kinderdörfer in Hinterbrühl, Stübing, Dornbirn, Seekirchen und in Saigon würden zudem ein eigenes Kapitel aufschlagen.

Bei Bürogemeinschaften ist die Aufgabenteilung und vor allem die künstlerische Urheberschaft so eine Sache, bei diesen Partnern jedoch eine eindeutige. German Meußburger gehörte zur älteren und etablierten Architektenschaft, der um fast zwanzig Jahre jüngere Willi Ramersdorfer zu den selbstbewussten Newcomern. Architekt Jakob Albrecht, damaliger Mitarbeiter, später einer der Pioniere der Vorarlberger Baukünstlerszene, wird in der Monografie° zitiert: „German Meusburger war kaum im Büro. Er kam immer erst gegen Mittag ins Atelier und am Nachmittag ist er auf Baustellen gefahren. Ramersdorfer war ständig gegenwärtig, und die Entwürfe sind alle von ihm gekommen.“ Die beiden haben sich also wunderbar ergänzt: German, geschäftstüchtig, mit guten Kontakten zur Wirtschaft im Dreiländereck, und das baukünstlerische Talent von Willi.

Die zweite Epoche

Ab den 1970er Jahren entstand nach außen hin der Eindruck, dass es mit dem Tod von German Meusburger (1973) und der Gründung des eigenen Büros in Rankweil-Brederis einen großen Bruch im Schaffen Ramersdorfers gäbe. Es hatten sich aber nur die Auftraggeber verändert und damit auch die Bauaufgaben. Schon ab den 1950ern sammelte das Büro Erfahrungen mit Hotel- und Tourismusbauten, abgesehen davon beschäftigte sich Meusburger in seiner Dissertation (Akademie der bildenden Künste, bei C. Holzmeister) mit dem alpinen Großhotelbau. Den Auftrag für das Bergrestaurant am Schrunser Kapell gab es schon 1970. Das breitgelagerte Sockelgeschoß mit schräg auslaufenden Vorsprüngen, das mäßig geneigte Satteldach über die Längsseite, dunkle massive Holzbalken entsprachen durchaus der allgemein verbreiteten Vorstellung von alpiner Architektur. Mit der kompletten Verglasung des Giebelfelds und Sichtbarmachung der Dachkonstruktion finden sich hier jedoch definitiv räumliche Qualitäten wie Großzügigkeit und Atmosphäre.

Heiß diskutiert wurde dann das Löwen-Hotel, einer der ersten Großhotelbauten in Vorarlberg, noch dazu mitten in Schruns. Von der Kollegenschaft als „Lederhosenarchitektur“ abgetan, lohnt sich auch hier ein vertiefender Blick: Die Grundstruktur schlicht, der vorgesetzte, wohlproportionierte Konstruktionsraster für die durchgehenden Balkone ergibt eine klare Gliederung, der breite Kamin Atmosphäre. Das fünfstöckige 240-Betten-Hotel brachte mit großzügigem Hallenbad, der Tanzbar (die legendäre Löwen-Grube), Tiefgaragen, dem integrierten Supermarkt und dem anschließenden „Haus des Gastes“ spürbaren Mehrwert ins Zentrum der Gemeinde.

Für Ramersdorfer bedeutete dieses Bauwerk den Durchbruch als Experte für Hotelarchitektur in alpinen Regionen. Überzeugt entwickelte er seine Tourismus-Konzepte und damit seine wiedererkennbare Architektursprache konsequent weiter. Hotels in Zermatt, Zürs, Brand, Saas-Fee, Silz etc. – mit dem Aufzählen darf man hier nicht anfangen. Das Burg Hotel in Lech muss aber noch hervorgehoben werden, das durch die Erweiterung mit dem Burg Vital Hotel und in der Folge mit dem Untertunnelungsprojekt die touristische Entwicklung und das Erscheinungsbild des Ortsteils Oberlech wesentlich prägte. Bis heute wird dort weitergebaut und die Tochter und Architektin Patricia Ramersdorfer hat diese Agenden gerne übernommen. „Ich habe ja wirklich ganz viel Gutes gebaut!“, stellte ihr Vater erstaunt fest, damals, als sie mit ihm einen Vortrag zusammenstellte. Dies zu würdigen ist ihr zehn Jahre später mit dem Buch hervorragend gelungen.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2022, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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