Akteur

Philip Johnson
* 1906 Cleveland, Ohio 2005 New Canaan, Connecticut

Philip Johnson 1906 - 2005

Philip Johnson war eine der bösartigsten, faszinierendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Weltarchitektur. Ein Nachfolger für den Architekten und Ausstellungsmacher, der am Dienstag 98-jährig in New Canaan starb, ist nicht in Sicht.

28. Januar 2005 - Ute Woltron
New Canaan - Eigentlich sah der kleine, dürre Mann aus, als könne er kein Wässerchen trüben, als sei er der gute, betagte Onkel von nebenan. Kuchen und Kaffee und Rosenzucht und so. Doch Philip Johnson war der Leibhaftige - das wandelnde Böse für die einen, Gottvater für die anderen. Jedenfalls ein Scharfrichter seiner Zunft, und die hieß 98 Jahre lang Architektur.

Wie jetzt bekannt wurde, starb Johnson vergangenen Dienstag in seinem Glass House in New Canaan, Connecticut. Mit ihm starb nicht nur eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Weltarchitektur, sondern auch ein Ein-Mann-System, das über viele Jahrzehnte hinweg und über die verschlungenen Kanäle der Macht, der Kultur, der Politik meinungsbildend, vernichtend und fördernd gewirkt hatte.

Förderer, Vernichter

Der Einfluss des 1906 in Cleveland, Ohio, als Sohn sehr reicher Eltern Geborenen ist Legende. Sein Wort konnte bis zuletzt über Millionenprojekte entscheiden, seine eigenen Architekturen stießen in ihrer Unterschiedlichkeit immer wieder die Vertreter der reineren Lehre vor den Kopf; seine Ausstellungen im New Yorker Museum of Modern Art rückten wiederholt diverse noch unbekannte Architekturströmungen ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit.

Johnson protegierte denjenigen, der ihm gefiel. Und wen er dann protegierte - aus dem wurde ein Star. Er entdeckte und förderte etwa Leute wie Gehry, Eisenman, Libeskind, Hadid und - sehr lange ist es her! - Ludwig Mies van der Rohe.

Seine berühmteste Königsmacher-Ausstellung datiert zurück auf 1932, als er gemeinsam mit Henry-Russell Hitchcock die europäische Architekturavantgarde zum gemeinsamen Auftritt nach New York holte. Der Titel der dazugehörigen Publikation gab einer ganzen Architekturgeneration ihren Namen: „The International Style“. Ein halbes Jahrhundert später verkündete er an gleicher Stelle das Zeitalter des Dekonstruktivismus und machte damit auch Leute wie Coop Himmelb(l)au der Weltöffentlichkeit bekannt.

Wolf Prix sagt über ihn: „Er konnte mit seinen zynischen Bemerkungen Menschen vernichten, und wer sich vor ihm fürchtete, der starb vor Angst.“ Als Prix in Manhatten vergebens nach einem Taxi Ausschau hielt, riss dem ebenfalls wartenden Johnson die Geduld. Er sprang, damals etwa 95, mitten auf die Fahrbahn, nötigte einen Cabdriver zum Stehenbleiben, drehte sich um und sagte: „So geht das!“

Jungs in Leder

Ebenso resolut stellte er sich 1940 der dunkleren Seite seiner Karriere, als er sich öffentlich von nationalsozialistischem Gedankengut distanzierte, dem er in den 30er-Jahren durchaus wohl wollend gegenüber gestanden war. Noch später bekannte er freizügig, als Homosexueller von den „deutschen Jungs in schwarzem Leder“ einfach fasziniert gewesen zu sein.

Erst im Alter von 34 Jahren begann Johnson sein Architekturstudium, als Diplomarbeit reichte er kurzerhand ein Stadtpalais ein, das er für sich selbst gebaut hatte. Seine berühmteste Arbeit entstand 1949 mit dem Glass House in New Canaan, das eindeutig Bezug auf Mies van der Rohes Farnsworth House Bezug nimmt. Als Mies dort zu Besuch weilte, weigerte er sich allerdings, die Nacht „in einer derart unehrlichen Konstruktion“ zu verbringen und wanderte in das Gästehaus aus.

Johnsons Architektur war, im Gegensatz zu den von ihm geförderten Stilen und Ismen, nie originär und trotzdem am Pulsschlag der jeweiligen Zeit. Er wechselte seine Ausdrucksformen wie ein Chamäleon die Farbe, war erst dem Rationalismus verpflichtet, um später etwa mit dem New Yorker AT&T-Building im gotisch-klassizistischen Stilmix eine Ikone der Postmoderne zu errichten und den Pritzker-Preis heimzuholen.

Zuletzt baute er ein wüst dekonstruktivistisches Torhaus, weil ihn plötzlich die düsteren Kunstwelten eines Hermann Finsterlin zu faszinieren begonnen hatten. In dieser Tradition entstand auch Johnsons Architekturskulptur „Wiener Trio“, die 1997 im MAK zu sehen war und heute in der Nähe des Wiener Ringturms einen öffentlichen Punkt markiert. Damals sagte Johnson zum STANDARD: „Wir steuern auf eine großartige Periode in der Geschichte der Architektur zu. Das 21. Jahrhundert wird die spannendste Epoche seit der Renaissance bringen.“

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