Akteur

Philip Johnson
* 1906 Cleveland, Ohio 2005 New Canaan, Connecticut

Exzentriker der Moderne

Zum Tod des amerikanischen Architekten Philip Johnson

Der amerikanische Baukünstler Philip Johnson, der mit verglasten Hochhäusern bekannt wurde, ist am 25. Januar in seinem «Glass House» in New Canaan gestorben. Der Mitbegründer des Internationalen Stils wurde 98 Jahre alt. Johnson erhielt neben anderen Auszeichnungen 1979 den damals zum ersten Mal vergebenen Pritzker-Preis.

28. Januar 2005
Er war nicht der grösste, nicht der kreativste, zweifellos aber der eigenwilligste, schillerndste Baukünstler unserer Zeit: Philip Johnson, Enfant terrible und unermüdlicher Verunsicherer der Architektengilde. Schon als junger Mann bestritt der am 8. Juli 1906 in Cleveland, Ohio, geborene Johnson zusammen mit Henry Russell Hitchcock die legendäre MoMA-Ausstellung «Modern Architecture», zu der sie mit «The International Style» ein architektonisches Kultbuch publizierten. Später, vor nunmehr 50 Jahren, gelang ihm mit der formalen Extremposition seines Glass House in New Canaan eine Sensation. Im hohen Alter überraschte er dann die Öffentlichkeit weniger mit Bauten als vielmehr mit seinen Konfessionen und Coming-outs. Obwohl man schon lange von seinem einstigen Flirt mit Nazideutschland gewusst hatte, erfuhr man nun, dass dieser weit über eine naive Begeisterung für «all those blond boys in black leather» hinausgegangen war. Auch mit seiner offen praktizierten Homosexualität - Johnson lebte jahrzehntelang mit David Whitney zusammen - hatte die elegante New Yorker Gesellschaft kaum Probleme. Dennoch stellte Frank Schulzes monumentale Johnson-Biografie von 1996, die eigentlich erst postum hätte erscheinen sollen, in ihrer Offenheit für viele einen Schock dar. Peinlicher berührt war aber die noch stark machistischen Strukturen verhaftete Architektenzunft von der im Mai desselben Jahres, nur wenige Wochen vor Johnsons 90. Geburtstag, erschienenen Titelstory im trendigen Schwulenmagazin «Out».

Skulpturaler Dekonstruktivismus

Schon einmal, im Januar 1979, zierte Johnson das Cover einer Zeitschrift, genauer: jenes von «Time». War damals das 1984 fertiggestellte AT&T-Building, eine Ikone der Postmoderne, der Auslöser, so galt nun die Aufmerksamkeit von «Out» seinem letzten grossen Projekt, der im Auftrag der Gay and Lesbian Congregation für Dallas entworfenen Cathedral of Hope. In dieser bisher nicht realisierten Arbeit huldigte Johnson einem skulpturalen Dekonstruktivismus, wie er - aus der Verschmelzung der Formensprache von Gehry und Zaha Hadid entstanden - im Gate House seines zum Freilichtmuseum bestimmten Anwesens in New Canaan en miniature verwirklicht wurde. Aber nicht nur die Kultur- und Schwulenszene liebte ihn. Johnson hatte die Gabe, alle Leute, die in seinen Dunstkreis traten, mit seinem Charme zu betören. Seiner sympathischen Offenheit ist es zuzuschreiben, dass man ihm sogar seine politischen Verirrungen und den einstigen Antisemitismus verzieh, und zwar nicht nur in der noblen WASP-Society. Auch jüdische Kreise - Architekten wie Blake, Eisenman und Gehry zählten zu seinen Freunden - hatten ihm spätestens 1956 vergeben, als in Port Chester die Tifereth-Israel-Synagoge geweiht wurde.

Dafür haderten nun einige Puristen der Architektenzunft mit ihm. Denn es war just diese mit ihrem Raumsegel aus Gips an das biblische Stiftzelt erinnernde Synagoge, mit der sich Johnson von der klassizistischen Strenge seines Mentors Mies van der Rohe lossagte. Der jähe Richtungswechsel, dem noch mehrere folgen sollten, war aber weniger ideologischer als vielmehr formaler Natur. Wie denn für den mit allen Wassern gewaschenen und mit allen Stilen vertrauten Zyniker, der Bauen als die Kunst des Möglichen verstand, kein architektonisches Glaubensbekenntnis heilig war. Auftakt zu seiner fast 60 Jahre dauernden Baukarriere machte 1942 sein eigener Bungalow in Cambridge, Massachusetts, mit dem der Sohn aus reichem Haus sein Architekturstudium in Harvard abschloss. Ihm folgte ein ganzer Katalog von Villen, darunter das 1949 vollendete Glass House in New Canaan und - gleichsam als typologische Inversion - der im Geist des Barcelona-Pavillons konzipierte Skulpturengarten des MoMA, dessen überragende räumliche Qualitäten auch durch die Museumserweiterung in den achtziger Jahren nicht zerstört werden konnten.

Die Abwendung von der streng reduzierten Formenwelt Mies van der Rohes führte über die elegante Tempelform des Amon Carter Museum in Fort Worth zur skulpturalen Monumentalität des rund zehn Jahre später, 1972, vollendeten Kunstmuseums von Corpus Christi, dem ersten bedeutenden Resultat der zwanzig Jahre dauernden Partnerschaft mit John Burgee. Dem gravitätischen Bau antworteten kurz darauf die beiden der Minimal Art verpflichteten Glasprismen des Pennzoil-Doppelturms in Houston. In der filigranen Glasstruktur der Crystal Cathedral in Garden Grove vereinigte sich dann dieser abstrakte Minimalismus mit der Zeltidee von Port Chester. Ungleich narrativer erscheint dagegen die gläserne Gotik des PPG-Hauptquartiers in Pittsburg oder des Turms der Republic Bank in Houston. Die «postmoderne» Phase kulminierte schliesslich Mitte der achtziger Jahre in dem an eine Chippendale-Kommode erinnernden New Yorker AT&T-Building und im Neubau der Architekturfakultät von Houston, die ein fast wörtliches Zitat von Ledoux' nicht realisiertem Haus der Erziehung in Chaux darstellt.

Die Rache des Eklektikers

In einem Alter, da andere sich längst zur Ruhe gesetzt haben, plante das quirlige, blitzgescheite Männchen mit der schwarzen Hornbrille (ein Corbusier-Zitat) einmal mehr den Aufbruch zu neuen Ufern. Vordergründiger Anlass dazu war, dass die Bürogemeinschaft mit Burgee an der Rezession zerbrochen war. Diese Gelegenheit nutzte Johnson, um sich nach langer Pause erneut als Ausstellungsmacher zu beweisen: «Deconstructivist Architecture» hiess die Schau, die 1988 architektonische Weichen stellte und einem vom Jugendwahn besessenen Amerika bewies, dass Kreativität selbst im hohen Alter möglich ist. Gleichzeitig änderte er seine architektonische Recherche, als ginge es darum, stets neue Modekollektionen zu kreieren. Ob die aus dem Dekonstruktivismus abgeleiteten plastischen Körper des Gate House in New Canaan mehr sind als die Folly eines Schöngeists, wird die Geschichte weisen. Sein Bürohaus an der Friedrichstrasse jedoch darf als Flop bezeichnet werden. Im Grunde stellt es nichts anderes dar als die Rache des formverliebten Eklektikers an den steinernen Berliner Baugesetzen. Damit verspielte Deutschland, das Land, das Johnson einst bewunderte und dessen Sprache er fast perfekt beherrschte, die Chance, das architektonische Vermächtnis des Meisters zu beherbergen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: