Bauwerk

Volkskundemuseum Graz
BEHF Architects - Graz (A) - 2003
Volkskundemuseum Graz, Foto: Alexander Eugen Koller
Volkskundemuseum Graz, Foto: Alexander Eugen Koller

Flanieren durch den Alltag

Glas, Metall und Licht: das ist die knappe Formel, auf die sich die Neugestaltung des Grazer Volkskundemuseums bringen lässt. Verantwortlich dafür: das Wiener Büro BEHF.

In Zeiten der Star-Mania haben es Volkskundemuseen schwer. Denn sie gehen mit dem um, was eben nicht spektakulär und Highlight war und ist, sie beschäftigen sich mit dem Alltag. Und das ist ein Forschungsgebiet, das nicht so einfach und ohne gedankliche Arbeitsleistung des einzelnen Besuchers fruchtbar wird, schließlich bedarf es dafür nicht nur eines einfühlsamen Blicks, sondern vor allem der Analyse, der Reflexion.

Dieser Tage hat das Volkskundemuseum in der Europäischen Kulturhauptstadt Graz wieder aufgesperrt. Nach 17 Jahren, in denen wohl der Sammlungs- und Forschungsbetrieb aufrecht blieb, in denen es aber keine öffentliche Präsentation gab, hat auch das Publikum wieder Zutritt.

Vorweg: Der Ort hat seine magischen Kräfte. Er liegt am Osthang des Schlossberges, in der denkmalgeschützten, fast schon heiligen Zone von Graz. Man geht die steile Sporgasse hinauf, und dann ist man auch bald da: bei einer barocken Klosteranlage mit Kirche und einem Zubau aus den Dreißigerjahren, alles zusammen ein stimmungsvolles Ensemble, wie man es sich nicht besser, nicht angemessener wünschen könnte. Die Kirche blieb unberührt. Aber das Kloster, der Zubau und das sogenannte Stöckelgebäude waren 1998 Gegenstand eines Wettbewerbes, bei dem es um die Adaptierung der nicht ganz unproblematischen Bausubstanz für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb ging. Es war ein mehrstufiges Verfahren, das am Ende das Wiener Büro BEHF gewonnen hat. Verantwortlicher Projektarchitekt: Erich Bernard.

Die Struktur der alten Substanz dürfte eher entmutigend gewesen sein: Klosterzelle an Klosterzelle, später als Spital genutzt; und der Zubau - zwar Architektur, aber eine recht konservative, eine, die in ihrem formalen Ausdruck in irgendwelchen diffusen Traditionen verwurzelt scheint. Wobei damit schon wieder ein Problem angedeutet ist, das für die ganze Volkskunde gilt - oder zumindest für den Geruch, der ihr heute anhaftet: Irgendwo wohnt ihr ein beharrendes Moment inne, etwas Rückwärtsgewandtes, das nicht einfach nur historisches Interesse signalisiert, sondern dem nach wie vor auch das Odium des Reaktionären innewohnt.

Erich Bernard jedenfalls hat seinen Beitrag geleistet, um einen architektonischen Raum zu schaffen, der solchen Vorbehalten entgegenwirkt. Er ist dabei ausgesprochen respektvoll mit der Substanz umgegangen. Nach außen werden die Maßnahmen zwar sichtbar, sie bleiben aber diskret. Sie (zer-)stören das Ensemble nicht, aber als Aufforderungsgeste erreichen sie ihren Adressaten. Und darum geht es schließlich: um die Öffnung einer Institution, die sich in Zukunft sehr anstrengen muss, um (jenseits von Schulklassen) Besucher zu finden. Die äußere Erscheinung der Bausubstanz wurde weitestgehend respektiert. Im Grund hat man sich mit Farbe beholfen: Die diversen gelben „Unter“-Töne (bis zum Schönbrunner Gelb), in denen das Ensemble davor geschillert hat, wurden eliminiert - zu Gunsten eines neutralen, angenehm leuchtenden Weiß. Das überzieht außen jetzt alles - bis hin zur Gartenmauer. Und es kehrt drinnen wieder, allerdings in diversen Schattierungen - vom hell beschichteten Fußboden über gebrochen weiße Wände bis zur weißen, abgehängten Decke, hinter der sich die Installationen verbergen.

Ein paar wesentliche architektonische Eingriffe geben den Ausschlag: Kassenraum und Shop sind im Stöckelgebäude situiert (hier befindet sich, unsichtbar für das Publikum, auch die Verwaltung). Man löst seine Karte, überquert den Hof und betritt dann erst das Museum. Das hört sich verschwommener, unklarer an, als es ist. Denn in Wirklichkeit überblickt man die Situation auf Anhieb, nicht zuletzt, weil die gläserne Brückenröhre, die im Obergeschoß den Hof überspannt, ein deutliches Signal setzt. Aber vor allem, weil sowohl Kassen- als auch Eingangsbereich eindeutig, offen, transparent artikuliert sind.

Der Architekt bringt seine Maßnahmen auf eine knappe Formel: Glas, Metall und Licht - und unter dem Strich ist das wirklich der gemeinsame Nenner aller seiner Interventionen. Es gab dafür allerdings auch eine räumliche Vorbedingung, die er erst erfüllen musste - die Zellenstruktur musste weg. Und das ist wunderbar gelungen. Die Trennwände sind beseitigt, auch von der Mittelmauer stehen nur mehr Pfeiler, und um die herum sind die Hauptvitrinen gebaut, hinterleuchtete, gläserne Behälter, die man selbst ohne den Zwang der Mittelmauer nicht besser hätte platzieren können.

Die ursprüngliche Situation - ein Erschließungsgang, von dem man die Klosterzellen betritt - ist zwar irgendwie noch zu ahnen, gleichzeitig vergisst man aber darauf. Denn sie ist so geschickt in die museologische Aufbereitung integriert - der rasche Überblick im ehemaligen Gang, das einzelne Schauobjekt im Hauptraum -, dass sich die Logik dieser Präsentation von selbst in den Vordergrund spielt.

Obwohl: So exakt ist dieses Konzept gar nicht durchgezogen, es ist eher eine Art Leitgedanke mit angenehmen Unschärfen und Überlappungen. Das heißt, als Besucher wird man nicht unangenehm belehrt, die Präsentation hat nichts didaktisch Überfrachtetes, im Gegenteil, atmosphärisch dominiert wohltuende Selbstverständlichkeit.

Architektonisch wichtig sind die signifikante gläserne Brückenröhre und ein zweiter, viel bescheidener materialisierter Brückensteg, die beide Gebäude im Obergeschoß verbinden. Also kann man jetzt richtige Ausstellungsrundgänge machen, vom alten Kloster hinüber in den Trachtensaal im Obergeschoß des Dreißigerjahre-Bauteils - darunter, auf der Erdgeschoßebene, liegt ein Veranstaltungs- oder auch Wechselausstellungssaal - und zurück. Das ist gefühlsmäßig für den Besucher entscheidend: Intuitiv möchte man im Museum keine Sackgassen, keine Einbahnstraßen begehen, man möchte nach Belieben flanieren, seine individuelle „Runde drehen“.

Das Volkskundemuseum in Graz ist nicht groß. Es muss mit 1025 Quadratmetern Ausstellungsfläche auskommen. Das bedeutet für die Eröffnungsschau, dass vielleicht 600 Objekte zu sehen sind, ausgewählt aus einem Bestand von rund 50.000 Objekten. Es ist ein kleines, aber ein unheimlich feines Museum. Und die Art, wie die Ausstellungsobjekte ausgewählt und präsentiert sind - es geht für dieses Mal um das Thema Wohnen-Kleiden-Glauben - ist sehr beeindruckend. Für die Zukunft ist daran gedacht, die ständige Sammlung im Halbjahresrhythmus zu wechseln, einfach um die Grazer mehrmals ins Museum zu holen.

Noch ein (laienhafter) Nachsatz: Wir bewundern die afrikanischen, die asiatischen Masken, wir bewundern Gebrauchsgegenstände aus fernen Ländern. Und unsere Volkskunst? Gehen Sie ins Grazer Volkskundemuseum. So schöne Masken, so schöne Gebrauchsgegenstände. Und: Wir wissen es nicht. Es ist uns die Qualität der eigenen Tradition nicht bewusst. Also: Auf in die Paulustorgasse 11-13a!

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft

Tragwerksplanung

Fotografie