Bauwerk

Geschäfts- und Wohnhaus
Scheitlin Syfrig Architekten - Sursee (CH) - 2005

Stadtbaustein aus Holz

Stadtbaustein – bis in die Terminologie ist der Städtebau Massivbau geblieben. Holzbauten gelten bislang als ländlich und werden in Stadtlagen allenfalls als Provisorien geduldet. Doch, wie dieses Beispiel zeigt, kann ein Holzbau, richtig geplant, durchaus eine städtische Sprache sprechen.

18. Dezember 2005 - Christoph Gunßer
Die Kleinstadt Sursee, verkehrsgünstig zwischen Luzern und Olten gelegen, stand in den letzten Jahren unter erheblichem Entwicklungsdruck. Dabei gelang es ihr aber, Augenmaß zu behalten: »Das ehemalige Landstädtchen hat sich zu einem Schrittmacher im Bereich Stadtplanung und Stadtgestaltung gemausert«, lobt die Jury des Schweizer Heimatschutzes, die Sursee unlängst den Preis für vorbildliche Siedlungsentwicklung zugesprochen hat. Mit wegweisenden baulichen Zeichen habe die Stadt den historischen Kern vor der Musealisierung bewahrt und den umliegenden, lange vernachlässigten Siedlungsraum aufgewertet.

Am Übergang von Alt zu Neu, wo die von Geschäftshäusern gesäumte Bahnhofstraße auf das eigentliche Städtli trifft, sind jüngst gleich zwei solche Zeichen entstanden: der wuchtige »Stadthof« vom Büro Luigi Snozzi und die Zentrale der Holzhausfirma Renggli, die mit ihren Dienstleistungen vom Werksgelände »zu den Menschen« gezogen ist. Wer mit seinen Produkten auf Nachhaltigkeit setzt, muss diese auch selbst leben, heißt es hier – schließlich ist Renggli Marktführer bei Minergie-Häusern, die nicht mehr als 45 kWh/ m2 im Jahr benötigen.

So übernahm man 1999 das schwierige, an das Flüsschen Suhre grenzende Grundstück einer ehemaligen Möbelfabrik, für das bereits 1991 ein Wettbewerb stattgefunden hatte. Bei Renggli stand bald fest, dass neben der Konstruktion auch die Fassade des Hofhauses aus Holz sein sollte (und nicht etwa aus Glas, was frühere Investoren erwogen hatten). In ihrem Wettbewerbsprojekt hatten die Architekten Scheitlin –Syfrig+Partner diese Neuerung bereits vorgesehen, birgt Holz doch die Möglichkeit, durch seine Feingliedrigkeit auch große Volumen maßstäblich zu gestalten. Gewiss, die Nähe zum Naturraum spielte ebenso eine Rolle. Die »sumpfige« dunkelgrüne Farbe, welche die sägeraue Lattenschalung am Ende erhielt, passt so nicht nur zur zurückhaltenden Firmenphilosophie (deren Leitfarbe Lindgrün das Innere bestimmt), sie vermittelt auch etwas von der amphibischen Qualität des Terrains: Der Neubau steht mit einer weißen Wanne 1,20 m im Grundwasser.

Die Hofform hat aber noch einen anderen Bezug: Wie Grabungen ergaben, unterhielten schon die Römer hier eine Siedlung am Fluss. Ein öffentlicher Fußweg folgt nun den freigelegten Wasserläufen, er quert den Hof zwischen dem Tiefgaragensockel und der exponierten Inselbebauung, wo ein Atelier und eine Wohnung eingerichtet wurden, aber auch ein Laden oder eine Fluss-Bar denkbar wären.

Diese Möglichkeit einer Nutzungsänderung und -mischung ist ebenfalls ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, den das Gebäude leistet: Weder Brandschutznormen noch räumliche Zwänge verhindern sie normalerweise, sondern eingefahrene Gewohnheiten, vor allem bei der Vermarktung. Die Ausstrahlung des Gebäudes ist so neutral gehalten, dass sich viele Nutzungen darin wiederfinden können.

Die gedrungene Lochfassade, leider durch einen Streifen Stellplätze etwas aus der Bauflucht gedrängt, fügt sich ruhig ins Straßenbild; die steilen Dächer mächtiger Nachbarbauten nehmen den Neuling gleichsam unter ihre Fittiche. Breite metallene Laibungen betonen die Fenster – ein wohl aus dem historischen Steinbau entlehntes, dezidiert städtisches Motiv, das im Kontrast zur rauen Lattung den Reiz der Detaillierung ausmacht. Es ist vor allem die Maßstäblichkeit dieser wenigen Elemente, welche das Gebäude vom anonym und überzogen wirkenden Rasterbau des »Stadthofes« vis-à-vis unterscheidet.

Weitgehende Vorfertigung führte übrigens dazu, dass der hölzerne Stadtbaustein den Solitär nebenan beim Bau »überholt« hat. Nach nicht einmal einem halben Jahr wurden die Räume bezogen.

Zur Konstruktion Die drei massiven Türme, die im Sommer 2002 als erstes aus der Baugrube wuchsen, übernehmen mehrere Funktionen: Sie sind Erschließungskerne, die – neben den beiden offenen bürointernen Treppen – die verschiedenen Nutzungseinheiten feuersicher zugänglich machen. Zusätzlich ist das Gebäude mit einer Sprinkler-Anlage ausgestattet (was nach der neuen Schweizer Brandschutznorm schon nicht mehr nötig gewesen wäre).

Die Betonkerne dienen zudem der Aussteifung der Holzrahmenkonstruktion. Sie wurde geschossweise vorgefertigt, die Fassaden komplett mit Fenstern und einem Großteil der Schalung vormontiert vom Werk in Schötz geliefert – Grenzen setzten hier nur die Maße der Tieflader (12,50 m Länge). Innerhalb von vier Wochen war der Holzbau abgeschlossen.

Mit den Mitteln des eigenen Hausbausystems trimmte man den Entwurf mit großen Wandstärken und Holzquerschnitten auf Energieeffizienz – rechnerisch liegt der Gebäudebedarf 41 Prozent unter Minergiestandard, zwei Wärmepumpen sorgen für das Äquivalent von 5600 Litern Heizöl; pro Geschoss gibt es zwei Anlagen zur Wärmerückgewinnung, Frischluft wird vor den Fenstern eingeblasen, die Abluft in den Nassräumen abgesaugt. Eine Fußbodenheizung unterm Parkett heizt die Räume. Der Aufbau der Decken – mit abgehängter Decke ist er rund 60cm stark – gewährleistet auch den im Holzbau stets kritischen Schallschutz.

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at